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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Gewicht auf den Umstand zu legen, daß der gegenwärtige Kriegsminister oder
Seriaskcr, Mehemed Nuschdi Pascha, Omers erbitterter Feind ist und dieser bereits
im Jahre ->8ö3 von seinem Gegner gestürzt zu werden fürchtete. (Omer Pascha
kehrte bekanntlich nach der Krim zurück. D. Red.)

Vorgestern fand hier in Pera ein ziemlich bedeutender Brand statt. Die ein¬
geäscherten Häuser, voll denen nur ein paar nicht ausschließlich aus Holz bestanden,
waren aus etwa fünfzig veranschlagt worden. Nichts ist von ihnen übrig ge¬
blieben, als die hohen Schornsteine, die nun wie abgeästete Stämme einsam anf¬
ragen. Das Aschenfeld mag wol fünfhundert Schritt im Durchmesser halten.

Vom Sultan Abdul Medschid hört man, daß er im October dieses Jahres
noch den Palast von Tschiraghan verlassen und das neue Palais von Dolma
Bagdsche zu beziehen gedenkt. Aus Anlaß dieses seines Wunsches wird nunmehr
außerordentlich eifrig an der Vollendung dieses Schlosses gearbeitet. Seine Ge¬
mächer sind sämmtlich parquetirt; im Besondern ist das kaiserliche Schlafzimmer
mit einem bedeutenden Luxus ausgestattet. Es befindet sich in demselben kein
eigentliches Bett, sondern der Padischah schläft auf einer Art hohen Estrade>, um
welche eine Galerie läuft und zu der breite und bequeme Stufen hinansühren.
Auffallenderweise sind die Matratzen einfach baumwollene. Die ganze Estrade hat
wol den Umfang eines kleinen Zimmers. Sehr unzufrieden ist der Souverän mit
der Art und Weise gewesen, in welcher im^neuen Palais die Treppen, welche von
einer Etage zur andern führen, angelegt worden sind. Sie werden jetzt durch
neue ersetzt. Außerdem wurden mehre parquctirte Fußboden wieder aufgerissen.

Der frühere englische Kriegsminister, Herzog von Newcastle, welcher nicht, wie es
anfangs abentcuerlicherweise hieß, als neuernannter Chef der englischen Krimarmee,
sondern als Privatmann hierher gekommen ist, besuchte gestern die britischen'Lazarethe
auf der asiatischen Küste des Bosporus, im Besondern das große Krankenhaus von
Kulely, welchem ein ungarischer Arzt, der seit mehren Jahren sich in englischen
Diensten befindet, vorsteht. Sein Benehmen wird als außerordentlich liebens¬
würdig gerühmt. Muthmaßlich wird der Herzog hente nach der Krim weiter reisen.

In Hinsicht auf die Begebenheiten aus dem asiatischen Kriegstheater geht das
Gerücht: die Russen hätten vor Kars eine Schlappe erlitten. Das Nähere, wie
überhaupt Sicheres kenne ich nicht darüber.

Schließlich habe ich noch beizufügen, wie es sich vollkommen bestätigt, daß
alle hier entbehrlichen Transport-, namentlich Dampfschiffe nach französischen und
englischen Häfen in Eile entsendet worden sind, um massenhafte Verstärkungen an
Bord zu nehmen, die man sich beeilt so schnell als möglich nach dem taurischen
Kriegsschauplatz zu schaffen. Es wird diese Anstrengung, wie im voraus zu er¬
kennen ist, wenig Frucht bringen, wenn man den ganzen Plan des Krieges nicht
ändert.




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. -- Verlag von L. F. Hevbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elverl in Leipzig.

Gewicht auf den Umstand zu legen, daß der gegenwärtige Kriegsminister oder
Seriaskcr, Mehemed Nuschdi Pascha, Omers erbitterter Feind ist und dieser bereits
im Jahre ->8ö3 von seinem Gegner gestürzt zu werden fürchtete. (Omer Pascha
kehrte bekanntlich nach der Krim zurück. D. Red.)

Vorgestern fand hier in Pera ein ziemlich bedeutender Brand statt. Die ein¬
geäscherten Häuser, voll denen nur ein paar nicht ausschließlich aus Holz bestanden,
waren aus etwa fünfzig veranschlagt worden. Nichts ist von ihnen übrig ge¬
blieben, als die hohen Schornsteine, die nun wie abgeästete Stämme einsam anf¬
ragen. Das Aschenfeld mag wol fünfhundert Schritt im Durchmesser halten.

Vom Sultan Abdul Medschid hört man, daß er im October dieses Jahres
noch den Palast von Tschiraghan verlassen und das neue Palais von Dolma
Bagdsche zu beziehen gedenkt. Aus Anlaß dieses seines Wunsches wird nunmehr
außerordentlich eifrig an der Vollendung dieses Schlosses gearbeitet. Seine Ge¬
mächer sind sämmtlich parquetirt; im Besondern ist das kaiserliche Schlafzimmer
mit einem bedeutenden Luxus ausgestattet. Es befindet sich in demselben kein
eigentliches Bett, sondern der Padischah schläft auf einer Art hohen Estrade>, um
welche eine Galerie läuft und zu der breite und bequeme Stufen hinansühren.
Auffallenderweise sind die Matratzen einfach baumwollene. Die ganze Estrade hat
wol den Umfang eines kleinen Zimmers. Sehr unzufrieden ist der Souverän mit
der Art und Weise gewesen, in welcher im^neuen Palais die Treppen, welche von
einer Etage zur andern führen, angelegt worden sind. Sie werden jetzt durch
neue ersetzt. Außerdem wurden mehre parquctirte Fußboden wieder aufgerissen.

Der frühere englische Kriegsminister, Herzog von Newcastle, welcher nicht, wie es
anfangs abentcuerlicherweise hieß, als neuernannter Chef der englischen Krimarmee,
sondern als Privatmann hierher gekommen ist, besuchte gestern die britischen'Lazarethe
auf der asiatischen Küste des Bosporus, im Besondern das große Krankenhaus von
Kulely, welchem ein ungarischer Arzt, der seit mehren Jahren sich in englischen
Diensten befindet, vorsteht. Sein Benehmen wird als außerordentlich liebens¬
würdig gerühmt. Muthmaßlich wird der Herzog hente nach der Krim weiter reisen.

In Hinsicht auf die Begebenheiten aus dem asiatischen Kriegstheater geht das
Gerücht: die Russen hätten vor Kars eine Schlappe erlitten. Das Nähere, wie
überhaupt Sicheres kenne ich nicht darüber.

Schließlich habe ich noch beizufügen, wie es sich vollkommen bestätigt, daß
alle hier entbehrlichen Transport-, namentlich Dampfschiffe nach französischen und
englischen Häfen in Eile entsendet worden sind, um massenhafte Verstärkungen an
Bord zu nehmen, die man sich beeilt so schnell als möglich nach dem taurischen
Kriegsschauplatz zu schaffen. Es wird diese Anstrengung, wie im voraus zu er¬
kennen ist, wenig Frucht bringen, wenn man den ganzen Plan des Krieges nicht
ändert.




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. — Verlag von L. F. Hevbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elverl in Leipzig.
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[0248] Gewicht auf den Umstand zu legen, daß der gegenwärtige Kriegsminister oder Seriaskcr, Mehemed Nuschdi Pascha, Omers erbitterter Feind ist und dieser bereits im Jahre ->8ö3 von seinem Gegner gestürzt zu werden fürchtete. (Omer Pascha kehrte bekanntlich nach der Krim zurück. D. Red.) Vorgestern fand hier in Pera ein ziemlich bedeutender Brand statt. Die ein¬ geäscherten Häuser, voll denen nur ein paar nicht ausschließlich aus Holz bestanden, waren aus etwa fünfzig veranschlagt worden. Nichts ist von ihnen übrig ge¬ blieben, als die hohen Schornsteine, die nun wie abgeästete Stämme einsam anf¬ ragen. Das Aschenfeld mag wol fünfhundert Schritt im Durchmesser halten. Vom Sultan Abdul Medschid hört man, daß er im October dieses Jahres noch den Palast von Tschiraghan verlassen und das neue Palais von Dolma Bagdsche zu beziehen gedenkt. Aus Anlaß dieses seines Wunsches wird nunmehr außerordentlich eifrig an der Vollendung dieses Schlosses gearbeitet. Seine Ge¬ mächer sind sämmtlich parquetirt; im Besondern ist das kaiserliche Schlafzimmer mit einem bedeutenden Luxus ausgestattet. Es befindet sich in demselben kein eigentliches Bett, sondern der Padischah schläft auf einer Art hohen Estrade>, um welche eine Galerie läuft und zu der breite und bequeme Stufen hinansühren. Auffallenderweise sind die Matratzen einfach baumwollene. Die ganze Estrade hat wol den Umfang eines kleinen Zimmers. Sehr unzufrieden ist der Souverän mit der Art und Weise gewesen, in welcher im^neuen Palais die Treppen, welche von einer Etage zur andern führen, angelegt worden sind. Sie werden jetzt durch neue ersetzt. Außerdem wurden mehre parquctirte Fußboden wieder aufgerissen. Der frühere englische Kriegsminister, Herzog von Newcastle, welcher nicht, wie es anfangs abentcuerlicherweise hieß, als neuernannter Chef der englischen Krimarmee, sondern als Privatmann hierher gekommen ist, besuchte gestern die britischen'Lazarethe auf der asiatischen Küste des Bosporus, im Besondern das große Krankenhaus von Kulely, welchem ein ungarischer Arzt, der seit mehren Jahren sich in englischen Diensten befindet, vorsteht. Sein Benehmen wird als außerordentlich liebens¬ würdig gerühmt. Muthmaßlich wird der Herzog hente nach der Krim weiter reisen. In Hinsicht auf die Begebenheiten aus dem asiatischen Kriegstheater geht das Gerücht: die Russen hätten vor Kars eine Schlappe erlitten. Das Nähere, wie überhaupt Sicheres kenne ich nicht darüber. Schließlich habe ich noch beizufügen, wie es sich vollkommen bestätigt, daß alle hier entbehrlichen Transport-, namentlich Dampfschiffe nach französischen und englischen Häfen in Eile entsendet worden sind, um massenhafte Verstärkungen an Bord zu nehmen, die man sich beeilt so schnell als möglich nach dem taurischen Kriegsschauplatz zu schaffen. Es wird diese Anstrengung, wie im voraus zu er¬ kennen ist, wenig Frucht bringen, wenn man den ganzen Plan des Krieges nicht ändert. Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt. Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. — Verlag von L. F. Hevbig in Leipzig. Druck von C. E. Elverl in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/248>, abgerufen am 22.12.2024.