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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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der Kosacken und vielleicht auch der Umstand, daß die Offiziere, die bereits unter¬
schrieben hatten, es gern sahen, wenn die übrigen ein Gleiches thaten, bewirkte,
daß der Vorschlag angenommen wurde, den verschiedenen Commandos jedem einen
sächsischen Unteroffizier mitzugeben, der Vorausreiten und über die Lage der
Sache Auskunft geben solle, um Mißverständnissen vorzubeugen. Währenv
diese Commandos ihrem Geschäfte nachgingen, ließ sich Colomb die Vorräthe
an Material, Sattelzeug u. s. w. ausliefern und forderte auch die Kassen ein,
aus denen er übrigens vorher verschiedene Forderungen befriedigte und auch
den Offizieren einen monatlichen Gehalt auszahlen ließ. Doch blieben immer
noch über 800 Thaler übrig. Unterdessen trafen auch schon einzelne Abthei¬
lungen aus den Cantvnnirungen ein und legten die Waffen nieder und die
zurückgekehrten Commandos brachen wieder nach andern Dörfern auf. So
hatten sich allmälig 160 bis 170 Mann Gefangene auf einer Wiese bei der
Stadt versammelt, unter welchen sich von Preußen nur Colomb mit einem
Trompeter mit 18 Mann befand -- ein Mißverhältniß, welches von Seiten
der versammelten Bürger spöttische Bemerkungen, daß sich so Viele von so
Wenigen hatten gefangen nehmen lassen, hervorrief. Colomb, der wohl fühlte,
welchen gefährlichen Eindruck diese Bemerkungen machen könnten, that, als ob er es
nicht hörte und wendete sich zu einigen neben ihm stehenden Cavaleristen,
denen er vorstellte, welch Glück es für sie sei, daß sie sich ihm uno nicht den
bald eintreffenden Kosacken übergeben hätten, die sie gewiß mit nach Sibirien
nehmen würden, während er ihnen gern gegen die Verpflichtung, gegen die
Verbündeten nicht zu dienen, ihre Pässe nach der Heimath ausstellen wollte.
Die Frage des Einen, ob das sein Ernst wäre, bejahte er; nun hatte Colomb
vollauf zu thun, um die fast von allen verlangten Pässe zu unterschreiben.
Dabei bemerkte er einen alten Wachtmeister, der Thränen im Auge hatte, wes¬
halb er ihn damit tröstete, daß er ja nichts verschuldet habe, das Ereigniß sei
Schicksal des Krieges. Dann sagte er ihm, er habe wol ein hübsches Pferd
geritten, und als n daraus hinwies, sagte der Major weiter: es sei nicht pas¬
send, daß ein so alter tüchtiger Soldat zu Fuß nach Hause gehe; er möge das
Pferd nehmen und fortreiten. ' Erst schien er Bedenken zu haben, als ihm
aber Colomb bemerklich machte, daß das Pferd nicht mehr seinem König ge¬
höre, sondern sein Beutepferb sei, das er ihm schenke, so nahm es der Unter¬
offizier an und sein Gesicht erheiterte sich. Unter allen diesen Beschäftigungen
war der Mittag herangekommen und nun sah sich Colomb noch genöthigt, eine Ein¬
ladung des Oberstlieutenants von Nostiz zum Essen anzunehmen, denn er konnte
doch keine Besorgnisse blicken lassen, obgleich ihn der Offizier in Themar, der
ihm mit seinen 90 Husaren noch einen bösen Streich spielen konnte, sehr er¬
hebliche einflößte. Er saß daher während der Tafel wie auf Kohlen, obgleich
er gegen die anwesenden Damen sich sorglos und heiter zu erscheinen bemühte,


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der Kosacken und vielleicht auch der Umstand, daß die Offiziere, die bereits unter¬
schrieben hatten, es gern sahen, wenn die übrigen ein Gleiches thaten, bewirkte,
daß der Vorschlag angenommen wurde, den verschiedenen Commandos jedem einen
sächsischen Unteroffizier mitzugeben, der Vorausreiten und über die Lage der
Sache Auskunft geben solle, um Mißverständnissen vorzubeugen. Währenv
diese Commandos ihrem Geschäfte nachgingen, ließ sich Colomb die Vorräthe
an Material, Sattelzeug u. s. w. ausliefern und forderte auch die Kassen ein,
aus denen er übrigens vorher verschiedene Forderungen befriedigte und auch
den Offizieren einen monatlichen Gehalt auszahlen ließ. Doch blieben immer
noch über 800 Thaler übrig. Unterdessen trafen auch schon einzelne Abthei¬
lungen aus den Cantvnnirungen ein und legten die Waffen nieder und die
zurückgekehrten Commandos brachen wieder nach andern Dörfern auf. So
hatten sich allmälig 160 bis 170 Mann Gefangene auf einer Wiese bei der
Stadt versammelt, unter welchen sich von Preußen nur Colomb mit einem
Trompeter mit 18 Mann befand — ein Mißverhältniß, welches von Seiten
der versammelten Bürger spöttische Bemerkungen, daß sich so Viele von so
Wenigen hatten gefangen nehmen lassen, hervorrief. Colomb, der wohl fühlte,
welchen gefährlichen Eindruck diese Bemerkungen machen könnten, that, als ob er es
nicht hörte und wendete sich zu einigen neben ihm stehenden Cavaleristen,
denen er vorstellte, welch Glück es für sie sei, daß sie sich ihm uno nicht den
bald eintreffenden Kosacken übergeben hätten, die sie gewiß mit nach Sibirien
nehmen würden, während er ihnen gern gegen die Verpflichtung, gegen die
Verbündeten nicht zu dienen, ihre Pässe nach der Heimath ausstellen wollte.
Die Frage des Einen, ob das sein Ernst wäre, bejahte er; nun hatte Colomb
vollauf zu thun, um die fast von allen verlangten Pässe zu unterschreiben.
Dabei bemerkte er einen alten Wachtmeister, der Thränen im Auge hatte, wes¬
halb er ihn damit tröstete, daß er ja nichts verschuldet habe, das Ereigniß sei
Schicksal des Krieges. Dann sagte er ihm, er habe wol ein hübsches Pferd
geritten, und als n daraus hinwies, sagte der Major weiter: es sei nicht pas¬
send, daß ein so alter tüchtiger Soldat zu Fuß nach Hause gehe; er möge das
Pferd nehmen und fortreiten. ' Erst schien er Bedenken zu haben, als ihm
aber Colomb bemerklich machte, daß das Pferd nicht mehr seinem König ge¬
höre, sondern sein Beutepferb sei, das er ihm schenke, so nahm es der Unter¬
offizier an und sein Gesicht erheiterte sich. Unter allen diesen Beschäftigungen
war der Mittag herangekommen und nun sah sich Colomb noch genöthigt, eine Ein¬
ladung des Oberstlieutenants von Nostiz zum Essen anzunehmen, denn er konnte
doch keine Besorgnisse blicken lassen, obgleich ihn der Offizier in Themar, der
ihm mit seinen 90 Husaren noch einen bösen Streich spielen konnte, sehr er¬
hebliche einflößte. Er saß daher während der Tafel wie auf Kohlen, obgleich
er gegen die anwesenden Damen sich sorglos und heiter zu erscheinen bemühte,


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[0243] der Kosacken und vielleicht auch der Umstand, daß die Offiziere, die bereits unter¬ schrieben hatten, es gern sahen, wenn die übrigen ein Gleiches thaten, bewirkte, daß der Vorschlag angenommen wurde, den verschiedenen Commandos jedem einen sächsischen Unteroffizier mitzugeben, der Vorausreiten und über die Lage der Sache Auskunft geben solle, um Mißverständnissen vorzubeugen. Währenv diese Commandos ihrem Geschäfte nachgingen, ließ sich Colomb die Vorräthe an Material, Sattelzeug u. s. w. ausliefern und forderte auch die Kassen ein, aus denen er übrigens vorher verschiedene Forderungen befriedigte und auch den Offizieren einen monatlichen Gehalt auszahlen ließ. Doch blieben immer noch über 800 Thaler übrig. Unterdessen trafen auch schon einzelne Abthei¬ lungen aus den Cantvnnirungen ein und legten die Waffen nieder und die zurückgekehrten Commandos brachen wieder nach andern Dörfern auf. So hatten sich allmälig 160 bis 170 Mann Gefangene auf einer Wiese bei der Stadt versammelt, unter welchen sich von Preußen nur Colomb mit einem Trompeter mit 18 Mann befand — ein Mißverhältniß, welches von Seiten der versammelten Bürger spöttische Bemerkungen, daß sich so Viele von so Wenigen hatten gefangen nehmen lassen, hervorrief. Colomb, der wohl fühlte, welchen gefährlichen Eindruck diese Bemerkungen machen könnten, that, als ob er es nicht hörte und wendete sich zu einigen neben ihm stehenden Cavaleristen, denen er vorstellte, welch Glück es für sie sei, daß sie sich ihm uno nicht den bald eintreffenden Kosacken übergeben hätten, die sie gewiß mit nach Sibirien nehmen würden, während er ihnen gern gegen die Verpflichtung, gegen die Verbündeten nicht zu dienen, ihre Pässe nach der Heimath ausstellen wollte. Die Frage des Einen, ob das sein Ernst wäre, bejahte er; nun hatte Colomb vollauf zu thun, um die fast von allen verlangten Pässe zu unterschreiben. Dabei bemerkte er einen alten Wachtmeister, der Thränen im Auge hatte, wes¬ halb er ihn damit tröstete, daß er ja nichts verschuldet habe, das Ereigniß sei Schicksal des Krieges. Dann sagte er ihm, er habe wol ein hübsches Pferd geritten, und als n daraus hinwies, sagte der Major weiter: es sei nicht pas¬ send, daß ein so alter tüchtiger Soldat zu Fuß nach Hause gehe; er möge das Pferd nehmen und fortreiten. ' Erst schien er Bedenken zu haben, als ihm aber Colomb bemerklich machte, daß das Pferd nicht mehr seinem König ge¬ höre, sondern sein Beutepferb sei, das er ihm schenke, so nahm es der Unter¬ offizier an und sein Gesicht erheiterte sich. Unter allen diesen Beschäftigungen war der Mittag herangekommen und nun sah sich Colomb noch genöthigt, eine Ein¬ ladung des Oberstlieutenants von Nostiz zum Essen anzunehmen, denn er konnte doch keine Besorgnisse blicken lassen, obgleich ihn der Offizier in Themar, der ihm mit seinen 90 Husaren noch einen bösen Streich spielen konnte, sehr er¬ hebliche einflößte. Er saß daher während der Tafel wie auf Kohlen, obgleich er gegen die anwesenden Damen sich sorglos und heiter zu erscheinen bemühte, 30*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/243>, abgerufen am 22.07.2024.