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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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an welche wir schnell heransprengten. Es waren drei Kürassiere, die eine
Patrouille machten, in ihre Mäntel gehüllt waren, keine Waffe in der Hand
hatten, und sehr überrascht, sich gleich ergaben. Von ihnen erfuhr ich, daß in
dem nahe vor der Stadt liegenden Dorfe Hinterrand ein Lieutenant von Watz-
dorf mit einer Feldwache stehe, welche die Pferde in Ställe gezogen habe und
in einem Hause sei, da, wie man glaube, vom Feinde durchaus nichts besorgt
werden könne. Im Fluge gings hierauf ins Dorf; die Feldwache wurde auf¬
gehoben und der Major von Steinäcker umging mit einer Escadron die Stadt
mit solcher Schnelligkeit, daß, obgleich ich nur kurze Zeit anhielt, wir gleich¬
zeitig von beiden entgegengesetzten Seiten in dieselbe hineinsprengten. Die
Thore blieben besetzt und auf dem Markte ließ ich vor der Wohnung des
Oberstlieutenants von Nostiz aufmarschiren, den ich aus dem Bette holen ließ.
Unten angekommen, überrascht, unvollständig angezogen, der Kälte des Octo-
bermorgens plötzlich ausgesetzt, befand er sich in einer höchst unangenehmen
Lage, und als ich ihm nun noch sagte: er und alle seine Abtheilungen außer¬
halb seien von allen Seiten von Kosacken umgarnt, war es nicht zu verwun¬
dern, daß er eine Convention, die ich vorbereitet hatte, ohne Schwierigkeit
unterschrieb, worin er sich verpflichtete, mit seinen sämmtlichen Untergebenen
die Waffen zu strecken und ohne Auswechselung nicht gegen die Alliirten zu
dienen. Indeß dies geschah, machte mich einer aus den komischen Theil der
Scene, auf ein Fenster aufmerksam, an welchem die Frau Oberstlieutenant
neben einer seitwärts geschobenen Gardine mit ganz schiessitzender Nachthaube
zusah, was mit dem Gemahl vorging. Alle im Orte gegenwärtigen Offiziere,
unter denen ich nur den Oberstlieutenant von Hünefeld und Major von Tet¬
tau nennen kann, wurden herbeigeschafft und unterschrieben die Convention,
nachdem ich ihnen mein Wort gegeben., daß ich sie nicht als Gefangene mit¬
nehmen, sie vielmehr entlassen werde, damit sie sich hinbegeben könnten,
wohin es ihnen beliebe, und daß sowol Offiziere als. Gemeine ihr
Eigenthum behalten und keinem das Geringste abgenommen werden solle."
Nun entstand aber die schwierige Frage, ob sich die in den übrigen Cantonni-
rungen liegenden Abtheilungen ebenso leicht ergeben würden, da man gegen
diese nur kleine Commandos abschicken konnte; vorzüglich erregte ein Offizier
Bedenken, der mit 90 Husaren in Themar lag und der, wie in Schleusingen
geäußert wurde, sich schwerlich in Geduld fügen würde. Da Colomb hier
mit bloßer Gewalt nicht durchkommen konnte, mußte er aus andere Mittel
sinnen und bemerkte daher dem Oberstlieutenant von Noftitz, der in Schleu-
stngen den Befehl führte, wie sehr Eile Noth thue, damit nicht die von
allen Seiten herbeieilenden Kosacken eintrafen, bevor die Übereinkunft vollstän¬
dig abgeschlossen wäre, da diese schwerlich so gute Bedingungen bewilligen
würden. So beweglich wußte dies Colomb darzustellen, daß das Schreckbild


an welche wir schnell heransprengten. Es waren drei Kürassiere, die eine
Patrouille machten, in ihre Mäntel gehüllt waren, keine Waffe in der Hand
hatten, und sehr überrascht, sich gleich ergaben. Von ihnen erfuhr ich, daß in
dem nahe vor der Stadt liegenden Dorfe Hinterrand ein Lieutenant von Watz-
dorf mit einer Feldwache stehe, welche die Pferde in Ställe gezogen habe und
in einem Hause sei, da, wie man glaube, vom Feinde durchaus nichts besorgt
werden könne. Im Fluge gings hierauf ins Dorf; die Feldwache wurde auf¬
gehoben und der Major von Steinäcker umging mit einer Escadron die Stadt
mit solcher Schnelligkeit, daß, obgleich ich nur kurze Zeit anhielt, wir gleich¬
zeitig von beiden entgegengesetzten Seiten in dieselbe hineinsprengten. Die
Thore blieben besetzt und auf dem Markte ließ ich vor der Wohnung des
Oberstlieutenants von Nostiz aufmarschiren, den ich aus dem Bette holen ließ.
Unten angekommen, überrascht, unvollständig angezogen, der Kälte des Octo-
bermorgens plötzlich ausgesetzt, befand er sich in einer höchst unangenehmen
Lage, und als ich ihm nun noch sagte: er und alle seine Abtheilungen außer¬
halb seien von allen Seiten von Kosacken umgarnt, war es nicht zu verwun¬
dern, daß er eine Convention, die ich vorbereitet hatte, ohne Schwierigkeit
unterschrieb, worin er sich verpflichtete, mit seinen sämmtlichen Untergebenen
die Waffen zu strecken und ohne Auswechselung nicht gegen die Alliirten zu
dienen. Indeß dies geschah, machte mich einer aus den komischen Theil der
Scene, auf ein Fenster aufmerksam, an welchem die Frau Oberstlieutenant
neben einer seitwärts geschobenen Gardine mit ganz schiessitzender Nachthaube
zusah, was mit dem Gemahl vorging. Alle im Orte gegenwärtigen Offiziere,
unter denen ich nur den Oberstlieutenant von Hünefeld und Major von Tet¬
tau nennen kann, wurden herbeigeschafft und unterschrieben die Convention,
nachdem ich ihnen mein Wort gegeben., daß ich sie nicht als Gefangene mit¬
nehmen, sie vielmehr entlassen werde, damit sie sich hinbegeben könnten,
wohin es ihnen beliebe, und daß sowol Offiziere als. Gemeine ihr
Eigenthum behalten und keinem das Geringste abgenommen werden solle."
Nun entstand aber die schwierige Frage, ob sich die in den übrigen Cantonni-
rungen liegenden Abtheilungen ebenso leicht ergeben würden, da man gegen
diese nur kleine Commandos abschicken konnte; vorzüglich erregte ein Offizier
Bedenken, der mit 90 Husaren in Themar lag und der, wie in Schleusingen
geäußert wurde, sich schwerlich in Geduld fügen würde. Da Colomb hier
mit bloßer Gewalt nicht durchkommen konnte, mußte er aus andere Mittel
sinnen und bemerkte daher dem Oberstlieutenant von Noftitz, der in Schleu-
stngen den Befehl führte, wie sehr Eile Noth thue, damit nicht die von
allen Seiten herbeieilenden Kosacken eintrafen, bevor die Übereinkunft vollstän¬
dig abgeschlossen wäre, da diese schwerlich so gute Bedingungen bewilligen
würden. So beweglich wußte dies Colomb darzustellen, daß das Schreckbild


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[0242] an welche wir schnell heransprengten. Es waren drei Kürassiere, die eine Patrouille machten, in ihre Mäntel gehüllt waren, keine Waffe in der Hand hatten, und sehr überrascht, sich gleich ergaben. Von ihnen erfuhr ich, daß in dem nahe vor der Stadt liegenden Dorfe Hinterrand ein Lieutenant von Watz- dorf mit einer Feldwache stehe, welche die Pferde in Ställe gezogen habe und in einem Hause sei, da, wie man glaube, vom Feinde durchaus nichts besorgt werden könne. Im Fluge gings hierauf ins Dorf; die Feldwache wurde auf¬ gehoben und der Major von Steinäcker umging mit einer Escadron die Stadt mit solcher Schnelligkeit, daß, obgleich ich nur kurze Zeit anhielt, wir gleich¬ zeitig von beiden entgegengesetzten Seiten in dieselbe hineinsprengten. Die Thore blieben besetzt und auf dem Markte ließ ich vor der Wohnung des Oberstlieutenants von Nostiz aufmarschiren, den ich aus dem Bette holen ließ. Unten angekommen, überrascht, unvollständig angezogen, der Kälte des Octo- bermorgens plötzlich ausgesetzt, befand er sich in einer höchst unangenehmen Lage, und als ich ihm nun noch sagte: er und alle seine Abtheilungen außer¬ halb seien von allen Seiten von Kosacken umgarnt, war es nicht zu verwun¬ dern, daß er eine Convention, die ich vorbereitet hatte, ohne Schwierigkeit unterschrieb, worin er sich verpflichtete, mit seinen sämmtlichen Untergebenen die Waffen zu strecken und ohne Auswechselung nicht gegen die Alliirten zu dienen. Indeß dies geschah, machte mich einer aus den komischen Theil der Scene, auf ein Fenster aufmerksam, an welchem die Frau Oberstlieutenant neben einer seitwärts geschobenen Gardine mit ganz schiessitzender Nachthaube zusah, was mit dem Gemahl vorging. Alle im Orte gegenwärtigen Offiziere, unter denen ich nur den Oberstlieutenant von Hünefeld und Major von Tet¬ tau nennen kann, wurden herbeigeschafft und unterschrieben die Convention, nachdem ich ihnen mein Wort gegeben., daß ich sie nicht als Gefangene mit¬ nehmen, sie vielmehr entlassen werde, damit sie sich hinbegeben könnten, wohin es ihnen beliebe, und daß sowol Offiziere als. Gemeine ihr Eigenthum behalten und keinem das Geringste abgenommen werden solle." Nun entstand aber die schwierige Frage, ob sich die in den übrigen Cantonni- rungen liegenden Abtheilungen ebenso leicht ergeben würden, da man gegen diese nur kleine Commandos abschicken konnte; vorzüglich erregte ein Offizier Bedenken, der mit 90 Husaren in Themar lag und der, wie in Schleusingen geäußert wurde, sich schwerlich in Geduld fügen würde. Da Colomb hier mit bloßer Gewalt nicht durchkommen konnte, mußte er aus andere Mittel sinnen und bemerkte daher dem Oberstlieutenant von Noftitz, der in Schleu- stngen den Befehl führte, wie sehr Eile Noth thue, damit nicht die von allen Seiten herbeieilenden Kosacken eintrafen, bevor die Übereinkunft vollstän¬ dig abgeschlossen wäre, da diese schwerlich so gute Bedingungen bewilligen würden. So beweglich wußte dies Colomb darzustellen, daß das Schreckbild

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/242>, abgerufen am 22.07.2024.