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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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gegangen, wenn die Oertlichkeit es nothwendig machte. Die Vedetten wurden
den sonstigen Regeln entgegen größtentheils nur einzeln gestellt. Von dem
ganzen Commando fütterte stets nur die Hälfte und ebenso wurde umge¬
sattelt; und zum Aufenthalt wählte Colomb womöglich den Wald oder auch
solche hochgelegene Orte, die eine Uebersicht der ganzen Gegend gestatteten.
Konnte einquartirt werden, so geschah es nur beriet- oder zugweise und in
geschlossene Höfe, die Feldwachen nach der Localität außerhalb oder auf
den Zugängen. Die Instruction war: alles bleibt bei den Pferden in den
Ställen, das Thor des Hofes geschlossen, ein Posten zu Fuß mit dem
Carabiner dabei. Dasselbe wird im Falle einer Alarmirung unter keiner
Bedingung eher geöffnet, als bis alle zu Pferde sind, um dann zusammen
hervorbrechen zu können. In dieser Verfassung begann Colomb am 22. Mai
seine Streifereien und er überfiel an diesem Tage ein Commando französischer
Kürassiere im Dorfe Züllnitz bei Lobethal, die alle in Gefangenschaft geriethen,
und einige Tage später in derselben Gegend einen großen, von Würtenbergern
geleiteten Transport, dem er 12 vierspännige Wagen, 51 Pferde und über 30
Gefangene abjagte. Ein bedeutender Fang stand ihm aber jetzt bevor. Herr
von Strauch hatte ihm sagen lassen, daß ein großer Artillerietrain über Bai-
reuth und Hof komme und wahrscheinlich schon in Plauen oder Reichenbach
sei; die Bedeckung sei drei- bis fünfhundert Mann stark. Am 28. Mai bei
Reichenbach angekommen, erfuhr Colomb, daß der Train bereits am vorigen
Tage hier vorbei gekommen sei und in Zwickau Ruhetag habe. Er ließ ge¬
flissentlich die Nachricht verbreiten, daß er nun das Unternehmen ausgebe und
marschirte wirklich nach Mylau zurück, umging dann aber Zwickau auf der
böhmischen Seite und stellte sich früh fünf Uhr am 29. in dem Pohlwald auf
der Höhe zwischen Zwickau und Mülsen auf. Die Karte. hatte ihn erwarten
lassen, daß der Wald sich bis dicht an die Straße ziehe; eS zeigte sich aber,
daß er grade auf dieser Seite in einer Breite von 200 Schritt frisch
abgeholzt war, so daß es unmöglich wurde, hier mit den Pferden überraschend
vorzubrechen. Deshalb mußte er sich entschließen, obgleich es schon Heller
Tag war, das Commando auf 100 Schritt auseinandergehen und einzeln
über die Straße nach dem jenseitigen Wald jagen zu lassen, wo er eine gün¬
stigere Aufstellung fand. Einige Leute, die zufällig Zeugen dieses Manövers
gewesen waren, unter andern ein Fuhrmann, der nach Zwickau fahren wollte,
wurden festgehalten und mitgenommen.

Nach einer ernsten Ermahnung an seine Mannschaft traf Colomb seine
Dispositionen. Die von Zwickau kommende Straße führt durch einen tiefen
Hohlweg einen Theil des Berges hinauf, sodann durch eine ziemlich ebene
Gegend ungefähr 1L00 Schritt, immer aufsteigend bis auf die Höhe, wobei
sie einen Bogen rechts macht. Den Lieutenant von Katte legte Colomb mit


gegangen, wenn die Oertlichkeit es nothwendig machte. Die Vedetten wurden
den sonstigen Regeln entgegen größtentheils nur einzeln gestellt. Von dem
ganzen Commando fütterte stets nur die Hälfte und ebenso wurde umge¬
sattelt; und zum Aufenthalt wählte Colomb womöglich den Wald oder auch
solche hochgelegene Orte, die eine Uebersicht der ganzen Gegend gestatteten.
Konnte einquartirt werden, so geschah es nur beriet- oder zugweise und in
geschlossene Höfe, die Feldwachen nach der Localität außerhalb oder auf
den Zugängen. Die Instruction war: alles bleibt bei den Pferden in den
Ställen, das Thor des Hofes geschlossen, ein Posten zu Fuß mit dem
Carabiner dabei. Dasselbe wird im Falle einer Alarmirung unter keiner
Bedingung eher geöffnet, als bis alle zu Pferde sind, um dann zusammen
hervorbrechen zu können. In dieser Verfassung begann Colomb am 22. Mai
seine Streifereien und er überfiel an diesem Tage ein Commando französischer
Kürassiere im Dorfe Züllnitz bei Lobethal, die alle in Gefangenschaft geriethen,
und einige Tage später in derselben Gegend einen großen, von Würtenbergern
geleiteten Transport, dem er 12 vierspännige Wagen, 51 Pferde und über 30
Gefangene abjagte. Ein bedeutender Fang stand ihm aber jetzt bevor. Herr
von Strauch hatte ihm sagen lassen, daß ein großer Artillerietrain über Bai-
reuth und Hof komme und wahrscheinlich schon in Plauen oder Reichenbach
sei; die Bedeckung sei drei- bis fünfhundert Mann stark. Am 28. Mai bei
Reichenbach angekommen, erfuhr Colomb, daß der Train bereits am vorigen
Tage hier vorbei gekommen sei und in Zwickau Ruhetag habe. Er ließ ge¬
flissentlich die Nachricht verbreiten, daß er nun das Unternehmen ausgebe und
marschirte wirklich nach Mylau zurück, umging dann aber Zwickau auf der
böhmischen Seite und stellte sich früh fünf Uhr am 29. in dem Pohlwald auf
der Höhe zwischen Zwickau und Mülsen auf. Die Karte. hatte ihn erwarten
lassen, daß der Wald sich bis dicht an die Straße ziehe; eS zeigte sich aber,
daß er grade auf dieser Seite in einer Breite von 200 Schritt frisch
abgeholzt war, so daß es unmöglich wurde, hier mit den Pferden überraschend
vorzubrechen. Deshalb mußte er sich entschließen, obgleich es schon Heller
Tag war, das Commando auf 100 Schritt auseinandergehen und einzeln
über die Straße nach dem jenseitigen Wald jagen zu lassen, wo er eine gün¬
stigere Aufstellung fand. Einige Leute, die zufällig Zeugen dieses Manövers
gewesen waren, unter andern ein Fuhrmann, der nach Zwickau fahren wollte,
wurden festgehalten und mitgenommen.

Nach einer ernsten Ermahnung an seine Mannschaft traf Colomb seine
Dispositionen. Die von Zwickau kommende Straße führt durch einen tiefen
Hohlweg einen Theil des Berges hinauf, sodann durch eine ziemlich ebene
Gegend ungefähr 1L00 Schritt, immer aufsteigend bis auf die Höhe, wobei
sie einen Bogen rechts macht. Den Lieutenant von Katte legte Colomb mit


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[0236] gegangen, wenn die Oertlichkeit es nothwendig machte. Die Vedetten wurden den sonstigen Regeln entgegen größtentheils nur einzeln gestellt. Von dem ganzen Commando fütterte stets nur die Hälfte und ebenso wurde umge¬ sattelt; und zum Aufenthalt wählte Colomb womöglich den Wald oder auch solche hochgelegene Orte, die eine Uebersicht der ganzen Gegend gestatteten. Konnte einquartirt werden, so geschah es nur beriet- oder zugweise und in geschlossene Höfe, die Feldwachen nach der Localität außerhalb oder auf den Zugängen. Die Instruction war: alles bleibt bei den Pferden in den Ställen, das Thor des Hofes geschlossen, ein Posten zu Fuß mit dem Carabiner dabei. Dasselbe wird im Falle einer Alarmirung unter keiner Bedingung eher geöffnet, als bis alle zu Pferde sind, um dann zusammen hervorbrechen zu können. In dieser Verfassung begann Colomb am 22. Mai seine Streifereien und er überfiel an diesem Tage ein Commando französischer Kürassiere im Dorfe Züllnitz bei Lobethal, die alle in Gefangenschaft geriethen, und einige Tage später in derselben Gegend einen großen, von Würtenbergern geleiteten Transport, dem er 12 vierspännige Wagen, 51 Pferde und über 30 Gefangene abjagte. Ein bedeutender Fang stand ihm aber jetzt bevor. Herr von Strauch hatte ihm sagen lassen, daß ein großer Artillerietrain über Bai- reuth und Hof komme und wahrscheinlich schon in Plauen oder Reichenbach sei; die Bedeckung sei drei- bis fünfhundert Mann stark. Am 28. Mai bei Reichenbach angekommen, erfuhr Colomb, daß der Train bereits am vorigen Tage hier vorbei gekommen sei und in Zwickau Ruhetag habe. Er ließ ge¬ flissentlich die Nachricht verbreiten, daß er nun das Unternehmen ausgebe und marschirte wirklich nach Mylau zurück, umging dann aber Zwickau auf der böhmischen Seite und stellte sich früh fünf Uhr am 29. in dem Pohlwald auf der Höhe zwischen Zwickau und Mülsen auf. Die Karte. hatte ihn erwarten lassen, daß der Wald sich bis dicht an die Straße ziehe; eS zeigte sich aber, daß er grade auf dieser Seite in einer Breite von 200 Schritt frisch abgeholzt war, so daß es unmöglich wurde, hier mit den Pferden überraschend vorzubrechen. Deshalb mußte er sich entschließen, obgleich es schon Heller Tag war, das Commando auf 100 Schritt auseinandergehen und einzeln über die Straße nach dem jenseitigen Wald jagen zu lassen, wo er eine gün¬ stigere Aufstellung fand. Einige Leute, die zufällig Zeugen dieses Manövers gewesen waren, unter andern ein Fuhrmann, der nach Zwickau fahren wollte, wurden festgehalten und mitgenommen. Nach einer ernsten Ermahnung an seine Mannschaft traf Colomb seine Dispositionen. Die von Zwickau kommende Straße führt durch einen tiefen Hohlweg einen Theil des Berges hinauf, sodann durch eine ziemlich ebene Gegend ungefähr 1L00 Schritt, immer aufsteigend bis auf die Höhe, wobei sie einen Bogen rechts macht. Den Lieutenant von Katte legte Colomb mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/236>, abgerufen am 22.07.2024.