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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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halten lassen. Seit der Zeit hat sich vieles ereignet, was dem Fortbestehen und
Gedeihen derselben immer mehr Abbruch thun muß. Durch die Eisenbahnen
sind die großen Städte einander so nahe gerückt und außerdem hat sich die
Verschiedenheit der Theuerung so ausgeglichen, daß der einigermaßen bemittelte
Student es selten für nöthig hält, in seiner Provinzialuniversität zu bleiben,
daß er sobald als möglich nach der Residenz eilt, wo ihm reichere Bildungs¬
mittel zu Gebote stehen und wo er sich auch leichter eine wirksame Protection
ZU erwerben hofft. Die Idee von der romantischen Isolirtheit des Studenten¬
lebens, mit welcher Schleiermacher bei der Gründung der Universität Berlin
die kleinern Lehranstalten in Schutz nahm, schwindet mehr und mehr aus der
Phantasie der Zeitgenossen; und wenn sich auch jeder noch gern an jene
träumerischen Jahre erinnert, so erkennt man doch mehr und mehr, daß
träumerische Zustände zu den sonstigen Voraussetzungen unsres Zeitalters nicht
mehr stimmen. Die Centralisation wird immer weiter um sich greifen und noch
viele von den kleinen Universitäten verschlingen. Es wäre aber ein sehr ernster
Verlust für Deutschland, wenn dieses Schicksal auch einmal Königsberg bevor¬
stände; denn Ostpreußen ist der gefährdete Vorposten der deutschen Cultur
und wenn man ihm seine geistigen Lebenssäfte entzieht, so wird es immer
weniger im Stande sein, seine Aufgabe zu erfüllen. Die Gefahr des allmäligen
Verkümmerns liegt aber in der That nahe. Jeder Gelehrte von einiger Be¬
deutung strebt dem Mittelpunkt in der Cultur zu und es müssen besondere
Umstände zusammentreffen, wenn er sich nicht bemühen soll, der isolirten Stel¬
lung sobald als möglich zu entfliehen. Hier ist es nach unsrer Ansicht Sache
des Staats, thätig einzugreifen. Die Fortdauer des geistigen Lebens in der
Provinz ist mit seinen eignen Interessen auss engste verknüpft und um diese
ZU erhalten, muß er Opfer bringen. Nur wenn der akademische Lehrer hoffen
kann, in jenem entlegenen Posten sich auch äußerlich eine günstigere Stellung
zu erwerben, als anderwärts, wird es der Universität gelingen, ihre bedeuten¬
der" Kräfte festzuhalten und das ist für das Gedeihen der deutschen Cultur im
Allgemeinen eine dringende Nothwendigkeit. --


Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staates zum Vortrag und
Selbstunterricht. Ju zwei Bändchen. Von Prof. Karl Rosenberg.
Erstes Bändchen. Berlin, Vereinsbnchhandlung. --

Ein zweckmäßig eingerichtetes Compendium, welches vorzüglich sür den Ge¬
brauch von Schulen eingerichtet ist und gedrängt, aber doch deutlich die Haupt¬
sachen der preußischen Geschichte zusammenstellt. --


Lebenserinnerungen von Christoph Heinrich Pfaff, mit Auszügen aus
Briefen. Kiel, Schwers. --

Der 1852 verstorbene Conferenzrath Pfaff hat in dem langen Lauf seines


Grenzboten. III. 186ö. 27

halten lassen. Seit der Zeit hat sich vieles ereignet, was dem Fortbestehen und
Gedeihen derselben immer mehr Abbruch thun muß. Durch die Eisenbahnen
sind die großen Städte einander so nahe gerückt und außerdem hat sich die
Verschiedenheit der Theuerung so ausgeglichen, daß der einigermaßen bemittelte
Student es selten für nöthig hält, in seiner Provinzialuniversität zu bleiben,
daß er sobald als möglich nach der Residenz eilt, wo ihm reichere Bildungs¬
mittel zu Gebote stehen und wo er sich auch leichter eine wirksame Protection
ZU erwerben hofft. Die Idee von der romantischen Isolirtheit des Studenten¬
lebens, mit welcher Schleiermacher bei der Gründung der Universität Berlin
die kleinern Lehranstalten in Schutz nahm, schwindet mehr und mehr aus der
Phantasie der Zeitgenossen; und wenn sich auch jeder noch gern an jene
träumerischen Jahre erinnert, so erkennt man doch mehr und mehr, daß
träumerische Zustände zu den sonstigen Voraussetzungen unsres Zeitalters nicht
mehr stimmen. Die Centralisation wird immer weiter um sich greifen und noch
viele von den kleinen Universitäten verschlingen. Es wäre aber ein sehr ernster
Verlust für Deutschland, wenn dieses Schicksal auch einmal Königsberg bevor¬
stände; denn Ostpreußen ist der gefährdete Vorposten der deutschen Cultur
und wenn man ihm seine geistigen Lebenssäfte entzieht, so wird es immer
weniger im Stande sein, seine Aufgabe zu erfüllen. Die Gefahr des allmäligen
Verkümmerns liegt aber in der That nahe. Jeder Gelehrte von einiger Be¬
deutung strebt dem Mittelpunkt in der Cultur zu und es müssen besondere
Umstände zusammentreffen, wenn er sich nicht bemühen soll, der isolirten Stel¬
lung sobald als möglich zu entfliehen. Hier ist es nach unsrer Ansicht Sache
des Staats, thätig einzugreifen. Die Fortdauer des geistigen Lebens in der
Provinz ist mit seinen eignen Interessen auss engste verknüpft und um diese
ZU erhalten, muß er Opfer bringen. Nur wenn der akademische Lehrer hoffen
kann, in jenem entlegenen Posten sich auch äußerlich eine günstigere Stellung
zu erwerben, als anderwärts, wird es der Universität gelingen, ihre bedeuten¬
der» Kräfte festzuhalten und das ist für das Gedeihen der deutschen Cultur im
Allgemeinen eine dringende Nothwendigkeit. —


Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staates zum Vortrag und
Selbstunterricht. Ju zwei Bändchen. Von Prof. Karl Rosenberg.
Erstes Bändchen. Berlin, Vereinsbnchhandlung. —

Ein zweckmäßig eingerichtetes Compendium, welches vorzüglich sür den Ge¬
brauch von Schulen eingerichtet ist und gedrängt, aber doch deutlich die Haupt¬
sachen der preußischen Geschichte zusammenstellt. —


Lebenserinnerungen von Christoph Heinrich Pfaff, mit Auszügen aus
Briefen. Kiel, Schwers. —

Der 1852 verstorbene Conferenzrath Pfaff hat in dem langen Lauf seines


Grenzboten. III. 186ö. 27
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/217>, abgerufen am 22.07.2024.