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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Zwei während des wiener Conqresses von dem Großherzog Curt
August zu Snchsen-Weimnr geschriebene dertmnte Briefe.^)

Wien, 22. October 1j.

Heute empfing ich einen Brief von Dir, der alt war, vorher aber zwey
andere die neuer das Licht der Welt erblickt hatten. -- Den Graf Almazy
sehe ich hier tcigl. da er die Aufwartung bey'in Gtz. v. Baden hat; er ist ge-
Puzt wie ein Pfingstochse, und die Leute halten ihn für verrückt. Nach
Beterani will ich fragen. Mein Husten, nachdem er ü Wochen stark war, hört
nun auf, aber ganz kann ich ihn nicht los werden, bey den hiesigen Winden,
und dem Staube.

Du wirst schon wissen daß erst am I. Nov. der eigentliche Kongreß er¬
öffnet werden soll; das heißt so viel, daß die größeren Mächte unter einan¬
der sich vergleichen wollen, um am 1. Nov. zu declariren, was geschehen
soll. Dieses besondere Fest ist abzuwarten. Unsere Privatlage wird sich auf
einige Zeit verbessern, aber da die Folgen des jetzigen Kongresses wahr-
scheint, von der Art sein werden, daß sie neues Elend über Europa bringen
werden, so ist obige Verbeßerung doch nur temporair. Unweißheit und Egois¬
mus beseelen die hiesigen Berathschlagungen und der gute Wille der so viele
Menschen belebte, ist schändlich in die Schanze geschlagen worden. Mann hat
viel von Napoleon gelernt, unter andern auch die Frechheit. Diese trat bei
ihm vor seinem Falle ein: vielleicht ist diese Erscheinung das Zeichen des
Uebelbefindens mancher Großen. Da alle Briefe eröfnet werden, so kann
manu sich nicht ordentlich herauslasse", schon zu viel sage ich hier in diesem
Briefe: ich schreibe deßwegen auch selten. Wegen Dankelm. hat es glaube ich
Wolzogen übernommen ihm in Rußland weitere Anstellung zu verschaffen.
Edl. wird Dir darüber schreiben. --

Sachsen, halte ich vor der Hand, sür verlohren. Sart. gefällt mir nicht, er



') Für die Echtheit dieser Briefe bürgt die Redaction. Sie sind ohne wesentliche Kür¬
zungen ausgetheilt, da nur die wenigen Stellen weggelassen sind, welche eS zu leicht machen
D, Red. würden, den Empfänger zu errathe", der nicht bekannt zu sein wünscht.
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Grenzboten. III. >"!!!> 26
Zwei während des wiener Conqresses von dem Großherzog Curt
August zu Snchsen-Weimnr geschriebene dertmnte Briefe.^)

Wien, 22. October 1j.

Heute empfing ich einen Brief von Dir, der alt war, vorher aber zwey
andere die neuer das Licht der Welt erblickt hatten. — Den Graf Almazy
sehe ich hier tcigl. da er die Aufwartung bey'in Gtz. v. Baden hat; er ist ge-
Puzt wie ein Pfingstochse, und die Leute halten ihn für verrückt. Nach
Beterani will ich fragen. Mein Husten, nachdem er ü Wochen stark war, hört
nun auf, aber ganz kann ich ihn nicht los werden, bey den hiesigen Winden,
und dem Staube.

Du wirst schon wissen daß erst am I. Nov. der eigentliche Kongreß er¬
öffnet werden soll; das heißt so viel, daß die größeren Mächte unter einan¬
der sich vergleichen wollen, um am 1. Nov. zu declariren, was geschehen
soll. Dieses besondere Fest ist abzuwarten. Unsere Privatlage wird sich auf
einige Zeit verbessern, aber da die Folgen des jetzigen Kongresses wahr-
scheint, von der Art sein werden, daß sie neues Elend über Europa bringen
werden, so ist obige Verbeßerung doch nur temporair. Unweißheit und Egois¬
mus beseelen die hiesigen Berathschlagungen und der gute Wille der so viele
Menschen belebte, ist schändlich in die Schanze geschlagen worden. Mann hat
viel von Napoleon gelernt, unter andern auch die Frechheit. Diese trat bei
ihm vor seinem Falle ein: vielleicht ist diese Erscheinung das Zeichen des
Uebelbefindens mancher Großen. Da alle Briefe eröfnet werden, so kann
manu sich nicht ordentlich herauslasse», schon zu viel sage ich hier in diesem
Briefe: ich schreibe deßwegen auch selten. Wegen Dankelm. hat es glaube ich
Wolzogen übernommen ihm in Rußland weitere Anstellung zu verschaffen.
Edl. wird Dir darüber schreiben. —

Sachsen, halte ich vor der Hand, sür verlohren. Sart. gefällt mir nicht, er



') Für die Echtheit dieser Briefe bürgt die Redaction. Sie sind ohne wesentliche Kür¬
zungen ausgetheilt, da nur die wenigen Stellen weggelassen sind, welche eS zu leicht machen
D, Red. würden, den Empfänger zu errathe», der nicht bekannt zu sein wünscht.
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[0209] Zwei während des wiener Conqresses von dem Großherzog Curt August zu Snchsen-Weimnr geschriebene dertmnte Briefe.^) Wien, 22. October 1j. Heute empfing ich einen Brief von Dir, der alt war, vorher aber zwey andere die neuer das Licht der Welt erblickt hatten. — Den Graf Almazy sehe ich hier tcigl. da er die Aufwartung bey'in Gtz. v. Baden hat; er ist ge- Puzt wie ein Pfingstochse, und die Leute halten ihn für verrückt. Nach Beterani will ich fragen. Mein Husten, nachdem er ü Wochen stark war, hört nun auf, aber ganz kann ich ihn nicht los werden, bey den hiesigen Winden, und dem Staube. Du wirst schon wissen daß erst am I. Nov. der eigentliche Kongreß er¬ öffnet werden soll; das heißt so viel, daß die größeren Mächte unter einan¬ der sich vergleichen wollen, um am 1. Nov. zu declariren, was geschehen soll. Dieses besondere Fest ist abzuwarten. Unsere Privatlage wird sich auf einige Zeit verbessern, aber da die Folgen des jetzigen Kongresses wahr- scheint, von der Art sein werden, daß sie neues Elend über Europa bringen werden, so ist obige Verbeßerung doch nur temporair. Unweißheit und Egois¬ mus beseelen die hiesigen Berathschlagungen und der gute Wille der so viele Menschen belebte, ist schändlich in die Schanze geschlagen worden. Mann hat viel von Napoleon gelernt, unter andern auch die Frechheit. Diese trat bei ihm vor seinem Falle ein: vielleicht ist diese Erscheinung das Zeichen des Uebelbefindens mancher Großen. Da alle Briefe eröfnet werden, so kann manu sich nicht ordentlich herauslasse», schon zu viel sage ich hier in diesem Briefe: ich schreibe deßwegen auch selten. Wegen Dankelm. hat es glaube ich Wolzogen übernommen ihm in Rußland weitere Anstellung zu verschaffen. Edl. wird Dir darüber schreiben. — Sachsen, halte ich vor der Hand, sür verlohren. Sart. gefällt mir nicht, er ') Für die Echtheit dieser Briefe bürgt die Redaction. Sie sind ohne wesentliche Kür¬ zungen ausgetheilt, da nur die wenigen Stellen weggelassen sind, welche eS zu leicht machen D, Red. würden, den Empfänger zu errathe», der nicht bekannt zu sein wünscht. ' Grenzboten. III. >«!!!> 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/209>, abgerufen am 22.12.2024.