Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.derzeit versucht, die Pariser zu amüsiren durch musikalische Farcen aller Art. Wir Alls Konstaniinovel, -- Wenn man das Verfahren der französi¬ Wer mit den militärischen Institutionen Preußens und Oestreichs bekannt ist, Unter allen Umständen darf'man annehmen, daß Frankreich nicht durchaus ohne derzeit versucht, die Pariser zu amüsiren durch musikalische Farcen aller Art. Wir Alls Konstaniinovel, — Wenn man das Verfahren der französi¬ Wer mit den militärischen Institutionen Preußens und Oestreichs bekannt ist, Unter allen Umständen darf'man annehmen, daß Frankreich nicht durchaus ohne <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0205" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100125"/> <p xml:id="ID_595" prev="#ID_594"> derzeit versucht, die Pariser zu amüsiren durch musikalische Farcen aller Art. Wir<lb/> wünschen ihm und seinen Zuhörern alles Glück.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Alls Konstaniinovel,</head> <p xml:id="ID_596"> — Wenn man das Verfahren der französi¬<lb/> schen und britischen Heerführer in der Krim beobachtet, möchte man fast vermuthen,<lb/> Europa habe seine großen militärischen Experimente zu Anfang dieses Jahrhunderts<lb/> umsonst gemacht, es seien während der Kriege Napoleons keine großen, leitenden<lb/> Principien an den Tag gekommen — es fehle überhaupt an solchen im ganzen<lb/> Kriegswesen und dieses sei ein auf den Zufall gestelltes, von keinem geistigen<lb/> Hauche durchwehtes, von keiner Maxime erfülltes Ding. Mau möchte glauben, ein<lb/> Unternehmen ähnlicher Art, wie das der Verbündeten gegen die Krim, sei noch<lb/> nicht dagewesen; es existirten keine Regeln für die Operationen einer auf einem<lb/> feindlichen Strande gekanteten Angriffsarmee; die Franzosen hätten vordem nicht<lb/> einen solchen Krieg in Aegvpteii, die Engländer nicht einen andern in Portugal<lb/> und Spanien geführt. Mehr noch, man ist versucht zu glauben, in England wie in<lb/> Frankreich sei vor Nnsbruch des Kampfes nie eine Eventualität wie die eines<lb/> Krieges wider Rußland in ernste Erwägung gezogen worden. Vielleicht ist letztere<lb/> Vermuthung nicht ganz ohne Grund; mindestens dürfte es lohnend sein, die Mög¬<lb/> lichkeit hier flüchtig in Erörterung zu ziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_597"> Wer mit den militärischen Institutionen Preußens und Oestreichs bekannt ist,<lb/> wird wissen, daß in diesen beiden Staaten im Wege der Voraussicht etwa eintreten¬<lb/> den Kriegsfällen eine große Aufmerksamkeit gewidmet wird. In Preußen hat man<lb/> vor allen Dingen drei mögliche Fälle fest ins Auge gefaßt, einen dereinstigen Krieg<lb/> gegen Frankreich, gegen Oestreich und gegen Rußland und diesen drei Kriegen ent¬<lb/> sprechend den ganzen, Preußen angrenzenden Raum in drei Theater (Kriegstheater)<lb/> eingetheilt, von denen ein jedes dem Studium einer besondern Section des in<lb/> Berlin seinen Standort habenden „großen Generalstabs" zugewiesen ist. Man darf<lb/> annehmen, daß im Wege der Berathung alle auf diesen drei Kricgstheatern<lb/> möglicherweise eintretenden Fälle in Erwägung gezogen worden, daß Gutachten<lb/> und Entwürfe in Betreff der Grundzüge späterer Operationen ausgearbeitet worden<lb/> sind und daß in diesem ganzen Bereich kein wichtiger Fragcpunkt existirt, über den<lb/> nicht tief gehende und gründliche Untersuchungen angestellt worden wären. Aehnlich<lb/> verhält es sich in Oestreich, nur daß hier für die Maßnahmen der militärischen Vor¬<lb/> aussicht ein anders genanntes Organ, nämlich anstatt eines großen Generalstabes<lb/> eine Operativnskanzlei besteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_598" next="#ID_599"> Unter allen Umständen darf'man annehmen, daß Frankreich nicht durchaus ohne<lb/> eine ähnliche Einrichtung ist. aber dermaßen ist der factische Fall eines Bündnisses<lb/> zwischen dieser Macht und England und der gemeinsame Krieg gegen Rußland, zu<lb/> dem dasselbe führte, unerwartet eingetreten, daß man muthmaßlich einen Krieg im<lb/> Orient und zumal im schwarzen Meere und auf dem Boden der Krim zuvor gar<lb/> nicht in den Kreis der im voraus anzustellenden Berechnungen hineingezogen hatte.<lb/> Wäre dem nicht so, hätte mau in Frankreich den Pontusfcldzng vorher studirt gehabt,<lb/> hätte, als die ersten Dispositionen behufs desselben getroffen wurden, auch nur eine<lb/> reife Ansicht, ein einziges bewährtes Urtheil darüber festgestanden, so würde es un^</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0205]
derzeit versucht, die Pariser zu amüsiren durch musikalische Farcen aller Art. Wir
wünschen ihm und seinen Zuhörern alles Glück.
Alls Konstaniinovel, — Wenn man das Verfahren der französi¬
schen und britischen Heerführer in der Krim beobachtet, möchte man fast vermuthen,
Europa habe seine großen militärischen Experimente zu Anfang dieses Jahrhunderts
umsonst gemacht, es seien während der Kriege Napoleons keine großen, leitenden
Principien an den Tag gekommen — es fehle überhaupt an solchen im ganzen
Kriegswesen und dieses sei ein auf den Zufall gestelltes, von keinem geistigen
Hauche durchwehtes, von keiner Maxime erfülltes Ding. Mau möchte glauben, ein
Unternehmen ähnlicher Art, wie das der Verbündeten gegen die Krim, sei noch
nicht dagewesen; es existirten keine Regeln für die Operationen einer auf einem
feindlichen Strande gekanteten Angriffsarmee; die Franzosen hätten vordem nicht
einen solchen Krieg in Aegvpteii, die Engländer nicht einen andern in Portugal
und Spanien geführt. Mehr noch, man ist versucht zu glauben, in England wie in
Frankreich sei vor Nnsbruch des Kampfes nie eine Eventualität wie die eines
Krieges wider Rußland in ernste Erwägung gezogen worden. Vielleicht ist letztere
Vermuthung nicht ganz ohne Grund; mindestens dürfte es lohnend sein, die Mög¬
lichkeit hier flüchtig in Erörterung zu ziehen.
Wer mit den militärischen Institutionen Preußens und Oestreichs bekannt ist,
wird wissen, daß in diesen beiden Staaten im Wege der Voraussicht etwa eintreten¬
den Kriegsfällen eine große Aufmerksamkeit gewidmet wird. In Preußen hat man
vor allen Dingen drei mögliche Fälle fest ins Auge gefaßt, einen dereinstigen Krieg
gegen Frankreich, gegen Oestreich und gegen Rußland und diesen drei Kriegen ent¬
sprechend den ganzen, Preußen angrenzenden Raum in drei Theater (Kriegstheater)
eingetheilt, von denen ein jedes dem Studium einer besondern Section des in
Berlin seinen Standort habenden „großen Generalstabs" zugewiesen ist. Man darf
annehmen, daß im Wege der Berathung alle auf diesen drei Kricgstheatern
möglicherweise eintretenden Fälle in Erwägung gezogen worden, daß Gutachten
und Entwürfe in Betreff der Grundzüge späterer Operationen ausgearbeitet worden
sind und daß in diesem ganzen Bereich kein wichtiger Fragcpunkt existirt, über den
nicht tief gehende und gründliche Untersuchungen angestellt worden wären. Aehnlich
verhält es sich in Oestreich, nur daß hier für die Maßnahmen der militärischen Vor¬
aussicht ein anders genanntes Organ, nämlich anstatt eines großen Generalstabes
eine Operativnskanzlei besteht.
Unter allen Umständen darf'man annehmen, daß Frankreich nicht durchaus ohne
eine ähnliche Einrichtung ist. aber dermaßen ist der factische Fall eines Bündnisses
zwischen dieser Macht und England und der gemeinsame Krieg gegen Rußland, zu
dem dasselbe führte, unerwartet eingetreten, daß man muthmaßlich einen Krieg im
Orient und zumal im schwarzen Meere und auf dem Boden der Krim zuvor gar
nicht in den Kreis der im voraus anzustellenden Berechnungen hineingezogen hatte.
Wäre dem nicht so, hätte mau in Frankreich den Pontusfcldzng vorher studirt gehabt,
hätte, als die ersten Dispositionen behufs desselben getroffen wurden, auch nur eine
reife Ansicht, ein einziges bewährtes Urtheil darüber festgestanden, so würde es un^
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