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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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schloß zu bringen, wo sie eher zufälligem Schaden ausgesetzt sind, als in dem selbst
in Zeiten revolutionärer Uebergriffe vom Volke geschonten Louvre. Schon der Trans¬
port ist eine kitzliche Sache und wir begreifen, daß H. Niewkerke, der doch nur
ein Knecht seines Herrn ist, es nicht-über sich bringen konnte, die seiner Aufsicht
vertrauten Kunstwerke ohne Protestation von sich zu lassen. Natürlich wird sich
die Gastfreundschaft des Hofes nicht auf das Louvre allem beschränken. Man denkt
an verschiedene militärische Schauspiele. In den kaiserlichen Theatern der Oper, der
komischen Oper und des Theater franiMs, werden sogenannte Galavorstellungen
stattfinden. Für Versailles ist ebenfalls Hoftheater angesagt und man spricht vor¬
züglich von einer Beleuchtung des Parkes wie zur Zeit Ludwigs XIV. Die An¬
stalten dazu sind vorhanden, und mit Hilfe der seither gemachten Fortschritte kann
dieses interessante Schauspiel uoch prachtvoller werden als unter Ludwig XIV.

Freilich sind im Schlosse große Veränderungen vor sich gegangen -- aus dem
Wohngebäude der legitimen Monarchie hat der Bürgerkonig zum Theil auf eigne
Kosten ein Nationalmuseum gemacht und nur der Park, Groß- und Kleintrianon be¬
hielten ihre ursprüngliche Gestalt. Die Königin Victoria wird bei dieser Gelegen¬
heit die Gemächer besichtigen können, die ihr Ludwig Philipp in Versailles ein¬
richten ließ, und die sie niemals bezogen hat. Nun macht ihr eine andere
Dynastie die Honneurs -- die spanischen Heirathen -- die Februarrevolution sind
längst vergessen, obgleich noch gestern die Welt beschäftigend. Heute ist es der
Neffe des mit englischem Gelde und durch einen englischen Feldherrn besiegten
Napoleon, an dessen Arme Englands Königin die verschwundene Herrlichkeit der
Bourbonenmonarchie in Schau nehmen wird.

Die Königin wird nur geringes Gefolge mit sich führen, aber die reichen
Engländer werden ihrer Königin eine freiwillige Escorte machen. Die Hälfte der
großen Familien Englands wird nach Paris kommen, um hier während der An¬
wesenheit der Königin ihren Wohnsitz aufzuschlagen. Von den sonst angekündigten
Monarchen dürste kaum einer kommen -- es wäre'denn der König von Dänemark
oder der König von Sardinien. König Leopold kommt nicht und Oestreichs Kaiser
ebenfalls nicht. Letzterer hat seine guten Gründe und wir glauben uicht zu irren,
wenn wir behaupten, daß diese Macht zu jeuer Zeit nicht einmal einen Gesandten
hier haben werde, zur Begrüßung der Königin Victoria.

Was nun den Empfang der Königin betrifft, so ist es wahrscheinlich, daß der¬
selbe sehr herzlich ausfällt. Die Königin Victoria wird hier sowol als ein Muster
des constitutionellen Königthums, sowie auch als Frau verehrt, ob aber der Em¬
pfang sich so enthusiastisch gestalten wird, wie jeuer des Kaisers in London, ist noch
eine Frage. Die Frauzosen sind im Ganzen herabgestimmt, und wir haben also
keinen Begriff von der Wirkung, welche die Erscheinung der Königin Victoria
hier hervorbringen wird. Die Neugierde wird jedenfalls sehr groß sein und die
vielen Fremden, welche gegenwärtig in Paris sich befinden, mögen dem Enthusias¬
mus der Einheimischen leicht nnter die Arme greifen.

Das Theater macht während der Exposition fast Anstrengungen. Augiers
l-e in-iri-igö it'01^of>ö ist bereits über die Bühne gegangen und Paul Maurice
Paris wird heute oder morgen zum ersten Male aufgeführt. Augiers neues Stück
behandelt die Fortsetzung von Alexander Dumas Sohn clewi monäo. Er beginnt


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schloß zu bringen, wo sie eher zufälligem Schaden ausgesetzt sind, als in dem selbst
in Zeiten revolutionärer Uebergriffe vom Volke geschonten Louvre. Schon der Trans¬
port ist eine kitzliche Sache und wir begreifen, daß H. Niewkerke, der doch nur
ein Knecht seines Herrn ist, es nicht-über sich bringen konnte, die seiner Aufsicht
vertrauten Kunstwerke ohne Protestation von sich zu lassen. Natürlich wird sich
die Gastfreundschaft des Hofes nicht auf das Louvre allem beschränken. Man denkt
an verschiedene militärische Schauspiele. In den kaiserlichen Theatern der Oper, der
komischen Oper und des Theater franiMs, werden sogenannte Galavorstellungen
stattfinden. Für Versailles ist ebenfalls Hoftheater angesagt und man spricht vor¬
züglich von einer Beleuchtung des Parkes wie zur Zeit Ludwigs XIV. Die An¬
stalten dazu sind vorhanden, und mit Hilfe der seither gemachten Fortschritte kann
dieses interessante Schauspiel uoch prachtvoller werden als unter Ludwig XIV.

Freilich sind im Schlosse große Veränderungen vor sich gegangen — aus dem
Wohngebäude der legitimen Monarchie hat der Bürgerkonig zum Theil auf eigne
Kosten ein Nationalmuseum gemacht und nur der Park, Groß- und Kleintrianon be¬
hielten ihre ursprüngliche Gestalt. Die Königin Victoria wird bei dieser Gelegen¬
heit die Gemächer besichtigen können, die ihr Ludwig Philipp in Versailles ein¬
richten ließ, und die sie niemals bezogen hat. Nun macht ihr eine andere
Dynastie die Honneurs — die spanischen Heirathen — die Februarrevolution sind
längst vergessen, obgleich noch gestern die Welt beschäftigend. Heute ist es der
Neffe des mit englischem Gelde und durch einen englischen Feldherrn besiegten
Napoleon, an dessen Arme Englands Königin die verschwundene Herrlichkeit der
Bourbonenmonarchie in Schau nehmen wird.

Die Königin wird nur geringes Gefolge mit sich führen, aber die reichen
Engländer werden ihrer Königin eine freiwillige Escorte machen. Die Hälfte der
großen Familien Englands wird nach Paris kommen, um hier während der An¬
wesenheit der Königin ihren Wohnsitz aufzuschlagen. Von den sonst angekündigten
Monarchen dürste kaum einer kommen — es wäre'denn der König von Dänemark
oder der König von Sardinien. König Leopold kommt nicht und Oestreichs Kaiser
ebenfalls nicht. Letzterer hat seine guten Gründe und wir glauben uicht zu irren,
wenn wir behaupten, daß diese Macht zu jeuer Zeit nicht einmal einen Gesandten
hier haben werde, zur Begrüßung der Königin Victoria.

Was nun den Empfang der Königin betrifft, so ist es wahrscheinlich, daß der¬
selbe sehr herzlich ausfällt. Die Königin Victoria wird hier sowol als ein Muster
des constitutionellen Königthums, sowie auch als Frau verehrt, ob aber der Em¬
pfang sich so enthusiastisch gestalten wird, wie jeuer des Kaisers in London, ist noch
eine Frage. Die Frauzosen sind im Ganzen herabgestimmt, und wir haben also
keinen Begriff von der Wirkung, welche die Erscheinung der Königin Victoria
hier hervorbringen wird. Die Neugierde wird jedenfalls sehr groß sein und die
vielen Fremden, welche gegenwärtig in Paris sich befinden, mögen dem Enthusias¬
mus der Einheimischen leicht nnter die Arme greifen.

Das Theater macht während der Exposition fast Anstrengungen. Augiers
l-e in-iri-igö it'01^of>ö ist bereits über die Bühne gegangen und Paul Maurice
Paris wird heute oder morgen zum ersten Male aufgeführt. Augiers neues Stück
behandelt die Fortsetzung von Alexander Dumas Sohn clewi monäo. Er beginnt


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[0203] schloß zu bringen, wo sie eher zufälligem Schaden ausgesetzt sind, als in dem selbst in Zeiten revolutionärer Uebergriffe vom Volke geschonten Louvre. Schon der Trans¬ port ist eine kitzliche Sache und wir begreifen, daß H. Niewkerke, der doch nur ein Knecht seines Herrn ist, es nicht-über sich bringen konnte, die seiner Aufsicht vertrauten Kunstwerke ohne Protestation von sich zu lassen. Natürlich wird sich die Gastfreundschaft des Hofes nicht auf das Louvre allem beschränken. Man denkt an verschiedene militärische Schauspiele. In den kaiserlichen Theatern der Oper, der komischen Oper und des Theater franiMs, werden sogenannte Galavorstellungen stattfinden. Für Versailles ist ebenfalls Hoftheater angesagt und man spricht vor¬ züglich von einer Beleuchtung des Parkes wie zur Zeit Ludwigs XIV. Die An¬ stalten dazu sind vorhanden, und mit Hilfe der seither gemachten Fortschritte kann dieses interessante Schauspiel uoch prachtvoller werden als unter Ludwig XIV. Freilich sind im Schlosse große Veränderungen vor sich gegangen — aus dem Wohngebäude der legitimen Monarchie hat der Bürgerkonig zum Theil auf eigne Kosten ein Nationalmuseum gemacht und nur der Park, Groß- und Kleintrianon be¬ hielten ihre ursprüngliche Gestalt. Die Königin Victoria wird bei dieser Gelegen¬ heit die Gemächer besichtigen können, die ihr Ludwig Philipp in Versailles ein¬ richten ließ, und die sie niemals bezogen hat. Nun macht ihr eine andere Dynastie die Honneurs — die spanischen Heirathen — die Februarrevolution sind längst vergessen, obgleich noch gestern die Welt beschäftigend. Heute ist es der Neffe des mit englischem Gelde und durch einen englischen Feldherrn besiegten Napoleon, an dessen Arme Englands Königin die verschwundene Herrlichkeit der Bourbonenmonarchie in Schau nehmen wird. Die Königin wird nur geringes Gefolge mit sich führen, aber die reichen Engländer werden ihrer Königin eine freiwillige Escorte machen. Die Hälfte der großen Familien Englands wird nach Paris kommen, um hier während der An¬ wesenheit der Königin ihren Wohnsitz aufzuschlagen. Von den sonst angekündigten Monarchen dürste kaum einer kommen — es wäre'denn der König von Dänemark oder der König von Sardinien. König Leopold kommt nicht und Oestreichs Kaiser ebenfalls nicht. Letzterer hat seine guten Gründe und wir glauben uicht zu irren, wenn wir behaupten, daß diese Macht zu jeuer Zeit nicht einmal einen Gesandten hier haben werde, zur Begrüßung der Königin Victoria. Was nun den Empfang der Königin betrifft, so ist es wahrscheinlich, daß der¬ selbe sehr herzlich ausfällt. Die Königin Victoria wird hier sowol als ein Muster des constitutionellen Königthums, sowie auch als Frau verehrt, ob aber der Em¬ pfang sich so enthusiastisch gestalten wird, wie jeuer des Kaisers in London, ist noch eine Frage. Die Frauzosen sind im Ganzen herabgestimmt, und wir haben also keinen Begriff von der Wirkung, welche die Erscheinung der Königin Victoria hier hervorbringen wird. Die Neugierde wird jedenfalls sehr groß sein und die vielen Fremden, welche gegenwärtig in Paris sich befinden, mögen dem Enthusias¬ mus der Einheimischen leicht nnter die Arme greifen. Das Theater macht während der Exposition fast Anstrengungen. Augiers l-e in-iri-igö it'01^of>ö ist bereits über die Bühne gegangen und Paul Maurice Paris wird heute oder morgen zum ersten Male aufgeführt. Augiers neues Stück behandelt die Fortsetzung von Alexander Dumas Sohn clewi monäo. Er beginnt 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/203>, abgerufen am 22.12.2024.