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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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vor dem Abschneiden zu sichern, im Fall Hilfe kommen sollte, den Unteroffizier
Koran aber nebst der übrigen Mannschaft nahm ich mit mir auf den Edelhof.
Die paar Mann, welche sich hier zur Wehr setzten, wurden sogleich nieder¬
gemacht, dann wies ich Koran nach dem Flügel und eilte dem Schlosse zu.
Eine kleine steinerne Treppe, welche zu demselben führte, war ich in einem
Satz mit dem Pferde hinauf, und in der Erwartung, daß Garde du Corps
hinter mir wären, sprang ich dann ab, ließ das Pferd stehen und lief mit
einem Pistol in der Hand, dem zweiten in der Schärpe, den Säbel am Portepee
"n der Hand hängend, in die nächste Thür rechts hinein, wo ich aber nichts
als eine leere Streu fand. Tiefer im Hause war eine zweite Thür, hinter der
ein paar erschrockene junge Damen mich wol eher für einen Räuber, als sonst
für jemand halten mochten, als ich mit meinem wilden Aussehen, das Pistol
mit gespanntem Hahne vorgehalten, hineinstürzte, in der Erwartung, Feinde,
aber keine jungen Damen zu finden. Zu Erklärungen und Entschuldigungen
war keine Zeit; rasch fragte ich, wo die Einquartierung sei. Auf die wenig
befriedigende, blos verneinende Antwort fragte ich nachdrücklicher, und als nun
auf eine gegenüberliegende Thür gedeutet wurde, stürzte ich dort hinein, wo ich
wirklich drei Menschen fand. Dem Nächsten an der Thür, der eben im An¬
kleiden begriffen, forderte ich, mit aus die Brust gesetztem Pistol, den Säbel
und andre Waffen ab, die er auch gutwillig herausgab, indem er zugleich er¬
klärte, daß er Obristlieutenant und Adjutant sei. Mir gegenüber, an einer andern
Thür, stand ein völlig angekleideter Offizier, dem ich zurief, nicht zu weichen,
widrigenfalls ich auf ihn schießen würde; dennoch schlüpfte er zur Thür hinaus
und ich fand nun erst Ursache, es zu bereuen, daß ich keine Garde du Corps
mit mir genommen hatte. Meine Thür wollte ich nicht verlassen, aus Besorg-
niß, der Obristlieutenant möchte mir auch wieder entspringen und da ich nach
Lage der Zimmer voraussetzen konnte, daß jenes keinen andern Ausgang haben
könne, als nach dem Vorderhause, wo meine Leute sich an der Hausthür be¬
fanden, so hoffte ich, daß der Entwischte den Mannschaften doch nicht entgehen
würde. Indessen wollte ich doch sicher gehn und als endlich einige der Leute,
die den Ausgang besetzten, mir nachgekommen waren, eilte ich in das Neben¬
zimmer, wo ich zu meinem bittern Aerger die Entdeckung machte, daß der
Offizier den Sprung aus dem Fenster gewagt hatte und so entkommen war.
Es war dies ein kühnes Unternehmen, da das Haus ein hohes Souterrain
hatte und die Fenster nach der Hinterseite sogar noch weit höher lagen, als
nach vorn; mit dem Nachsetzen durfte ich mich indessen nicht aufhalten und
kehrte also zurück. Die dritte Person im Zimmer war ein junger Mensch von
sechzehn Jahren, der Kammerdiener des Generals, eben mit dem Einpacken
der Sachen seines Herrn beschäftigt, welche alle um ihn herumlagen. Ich
forderte ihn auf, mir zu sagen, wo c>er General sei, wozu ich auch den Obrist-


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vor dem Abschneiden zu sichern, im Fall Hilfe kommen sollte, den Unteroffizier
Koran aber nebst der übrigen Mannschaft nahm ich mit mir auf den Edelhof.
Die paar Mann, welche sich hier zur Wehr setzten, wurden sogleich nieder¬
gemacht, dann wies ich Koran nach dem Flügel und eilte dem Schlosse zu.
Eine kleine steinerne Treppe, welche zu demselben führte, war ich in einem
Satz mit dem Pferde hinauf, und in der Erwartung, daß Garde du Corps
hinter mir wären, sprang ich dann ab, ließ das Pferd stehen und lief mit
einem Pistol in der Hand, dem zweiten in der Schärpe, den Säbel am Portepee
"n der Hand hängend, in die nächste Thür rechts hinein, wo ich aber nichts
als eine leere Streu fand. Tiefer im Hause war eine zweite Thür, hinter der
ein paar erschrockene junge Damen mich wol eher für einen Räuber, als sonst
für jemand halten mochten, als ich mit meinem wilden Aussehen, das Pistol
mit gespanntem Hahne vorgehalten, hineinstürzte, in der Erwartung, Feinde,
aber keine jungen Damen zu finden. Zu Erklärungen und Entschuldigungen
war keine Zeit; rasch fragte ich, wo die Einquartierung sei. Auf die wenig
befriedigende, blos verneinende Antwort fragte ich nachdrücklicher, und als nun
auf eine gegenüberliegende Thür gedeutet wurde, stürzte ich dort hinein, wo ich
wirklich drei Menschen fand. Dem Nächsten an der Thür, der eben im An¬
kleiden begriffen, forderte ich, mit aus die Brust gesetztem Pistol, den Säbel
und andre Waffen ab, die er auch gutwillig herausgab, indem er zugleich er¬
klärte, daß er Obristlieutenant und Adjutant sei. Mir gegenüber, an einer andern
Thür, stand ein völlig angekleideter Offizier, dem ich zurief, nicht zu weichen,
widrigenfalls ich auf ihn schießen würde; dennoch schlüpfte er zur Thür hinaus
und ich fand nun erst Ursache, es zu bereuen, daß ich keine Garde du Corps
mit mir genommen hatte. Meine Thür wollte ich nicht verlassen, aus Besorg-
niß, der Obristlieutenant möchte mir auch wieder entspringen und da ich nach
Lage der Zimmer voraussetzen konnte, daß jenes keinen andern Ausgang haben
könne, als nach dem Vorderhause, wo meine Leute sich an der Hausthür be¬
fanden, so hoffte ich, daß der Entwischte den Mannschaften doch nicht entgehen
würde. Indessen wollte ich doch sicher gehn und als endlich einige der Leute,
die den Ausgang besetzten, mir nachgekommen waren, eilte ich in das Neben¬
zimmer, wo ich zu meinem bittern Aerger die Entdeckung machte, daß der
Offizier den Sprung aus dem Fenster gewagt hatte und so entkommen war.
Es war dies ein kühnes Unternehmen, da das Haus ein hohes Souterrain
hatte und die Fenster nach der Hinterseite sogar noch weit höher lagen, als
nach vorn; mit dem Nachsetzen durfte ich mich indessen nicht aufhalten und
kehrte also zurück. Die dritte Person im Zimmer war ein junger Mensch von
sechzehn Jahren, der Kammerdiener des Generals, eben mit dem Einpacken
der Sachen seines Herrn beschäftigt, welche alle um ihn herumlagen. Ich
forderte ihn auf, mir zu sagen, wo c>er General sei, wozu ich auch den Obrist-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/195>, abgerufen am 22.07.2024.