Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

stitutionellen Vereinbarungsstandpunkt fest, bekämpfte alle Anträge auf "An¬
erkennung der Revolution" und verwarf ein "suspensives Veto" der Krone,
sie erklärte, daß in der Monarchie der Monarch als solcher nie formell ge¬
zwungen werden kann.

Aber immer hoffnungsloser wurden die Zustände. In Berlin, im Süden
und Westen Deutschlands wühlten die Demokraten, in Pommern, Preußen
und in der Mark die Junker. Da beschloß die constitutionelle Partei den
bürgerlichen Mittelstand fester zu organisiren: sie bildete die "constitutionellen
Bürgervereine". Köln wurde Vorort derselben im Rheinland und Westphalen.
Ihnen gehörte die kölnische Zeitung an, sie, mahnte zum thätigen Selbstver¬
trauen des Mittelstandes.

Inzwischen arbeitete einerseits das Ministerium Auerswald, andrerseits
die Demokraten den Junkern in die Hände. Das Ministerium, statt organische
Gesetze über'Grundlasten, Gemeinde- und Polizeiverwaltung auf dem platten
Lande rasch'durchzuführen und sowol die.reactionäre, als die demokratische
Wühlerei zu unterdrücken, bereitete gegen die Demokratie einige blos äußerliche
Widerstandemittel vor. Die Souveränitätsgelüste ver Nationalversammmlung
stiegen, andrerseits wurden die Presse des Bülow-Kummervwschen Junker¬
parlaments und die Preußenvereine immer kühner. Da erfolgte in Berlin
der Einzug des Generals Wrangel. Die Bildung des Ministeriums Branden-
burg-Manteuffel, die Vertagung und die Verlegung der Nationalversammlung
nach Brandenburg, endlich die octroyirte Decemberverfassung, welche die köl¬
nische Zeitung als eine "unerfreuliche Gabe" bezeichnete.

Die kölnische Zeitung richtete den Blick sehnsüchtig nach Frankfurt. Hier
war im April -18-58 durch das Zaudern Preußens die Gelegenheit "die Ein¬
heit Deutschlands" rasch zu schaffen, verpaßt. Die Hegemonie Preußens hielt
die kölnische Zeitung aber fortdauernd für die Reichseinheit unerläßlich;
Preußens Heer müsse der Kern der künftigen Neichserecutive sein. Oestreich
mit seinen vielen außerdeutschen Staaten müsse aus der deutschen Neichseinheit
entlassen werden, mit ihm sei daS weitere Band einer staatenbündlichen Eid¬
genossenschaft zu schließen: die einzige rein deutsche Großmacht, Preußen, sei mit
der einheitlichen Vertretung und Führung Deutschlands zu belehren. So sprach
die kölnische Zeitung am 2..August 1848. Da kamen die Herbstereignisse, der frank¬
furter Septemberaufstand, die Wühlereien, die Revolution und Contrerevolution
in Berlin und Wien, endlich die October- und Novemberkatastrophen. Stärker
als zuvor wurde der Widerstand der preußischen und der östreichischen Negierung
gegen Frankfurt. Das von der kölnischen Zeitung freudig begrüßte Programm
Schwarzenbergs von Kremsier: "Trennung Oestreichs vom deutschen Bundes¬
staat unter vorläufiger Erfüllung der allen Bundespflichten bis zur spätern Ver¬
einbarung neuer, engerer völkerrechtlicher Beziehungen" blieb wirkungslos. Am


stitutionellen Vereinbarungsstandpunkt fest, bekämpfte alle Anträge auf „An¬
erkennung der Revolution" und verwarf ein „suspensives Veto" der Krone,
sie erklärte, daß in der Monarchie der Monarch als solcher nie formell ge¬
zwungen werden kann.

Aber immer hoffnungsloser wurden die Zustände. In Berlin, im Süden
und Westen Deutschlands wühlten die Demokraten, in Pommern, Preußen
und in der Mark die Junker. Da beschloß die constitutionelle Partei den
bürgerlichen Mittelstand fester zu organisiren: sie bildete die „constitutionellen
Bürgervereine". Köln wurde Vorort derselben im Rheinland und Westphalen.
Ihnen gehörte die kölnische Zeitung an, sie, mahnte zum thätigen Selbstver¬
trauen des Mittelstandes.

Inzwischen arbeitete einerseits das Ministerium Auerswald, andrerseits
die Demokraten den Junkern in die Hände. Das Ministerium, statt organische
Gesetze über'Grundlasten, Gemeinde- und Polizeiverwaltung auf dem platten
Lande rasch'durchzuführen und sowol die.reactionäre, als die demokratische
Wühlerei zu unterdrücken, bereitete gegen die Demokratie einige blos äußerliche
Widerstandemittel vor. Die Souveränitätsgelüste ver Nationalversammmlung
stiegen, andrerseits wurden die Presse des Bülow-Kummervwschen Junker¬
parlaments und die Preußenvereine immer kühner. Da erfolgte in Berlin
der Einzug des Generals Wrangel. Die Bildung des Ministeriums Branden-
burg-Manteuffel, die Vertagung und die Verlegung der Nationalversammlung
nach Brandenburg, endlich die octroyirte Decemberverfassung, welche die köl¬
nische Zeitung als eine „unerfreuliche Gabe" bezeichnete.

Die kölnische Zeitung richtete den Blick sehnsüchtig nach Frankfurt. Hier
war im April -18-58 durch das Zaudern Preußens die Gelegenheit „die Ein¬
heit Deutschlands" rasch zu schaffen, verpaßt. Die Hegemonie Preußens hielt
die kölnische Zeitung aber fortdauernd für die Reichseinheit unerläßlich;
Preußens Heer müsse der Kern der künftigen Neichserecutive sein. Oestreich
mit seinen vielen außerdeutschen Staaten müsse aus der deutschen Neichseinheit
entlassen werden, mit ihm sei daS weitere Band einer staatenbündlichen Eid¬
genossenschaft zu schließen: die einzige rein deutsche Großmacht, Preußen, sei mit
der einheitlichen Vertretung und Führung Deutschlands zu belehren. So sprach
die kölnische Zeitung am 2..August 1848. Da kamen die Herbstereignisse, der frank¬
furter Septemberaufstand, die Wühlereien, die Revolution und Contrerevolution
in Berlin und Wien, endlich die October- und Novemberkatastrophen. Stärker
als zuvor wurde der Widerstand der preußischen und der östreichischen Negierung
gegen Frankfurt. Das von der kölnischen Zeitung freudig begrüßte Programm
Schwarzenbergs von Kremsier: „Trennung Oestreichs vom deutschen Bundes¬
staat unter vorläufiger Erfüllung der allen Bundespflichten bis zur spätern Ver¬
einbarung neuer, engerer völkerrechtlicher Beziehungen" blieb wirkungslos. Am


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0144" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100064"/>
          <p xml:id="ID_437" prev="#ID_436"> stitutionellen Vereinbarungsstandpunkt fest, bekämpfte alle Anträge auf &#x201E;An¬<lb/>
erkennung der Revolution" und verwarf ein &#x201E;suspensives Veto" der Krone,<lb/>
sie erklärte, daß in der Monarchie der Monarch als solcher nie formell ge¬<lb/>
zwungen werden kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_438"> Aber immer hoffnungsloser wurden die Zustände. In Berlin, im Süden<lb/>
und Westen Deutschlands wühlten die Demokraten, in Pommern, Preußen<lb/>
und in der Mark die Junker. Da beschloß die constitutionelle Partei den<lb/>
bürgerlichen Mittelstand fester zu organisiren: sie bildete die &#x201E;constitutionellen<lb/>
Bürgervereine". Köln wurde Vorort derselben im Rheinland und Westphalen.<lb/>
Ihnen gehörte die kölnische Zeitung an, sie, mahnte zum thätigen Selbstver¬<lb/>
trauen des Mittelstandes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_439"> Inzwischen arbeitete einerseits das Ministerium Auerswald, andrerseits<lb/>
die Demokraten den Junkern in die Hände. Das Ministerium, statt organische<lb/>
Gesetze über'Grundlasten, Gemeinde- und Polizeiverwaltung auf dem platten<lb/>
Lande rasch'durchzuführen und sowol die.reactionäre, als die demokratische<lb/>
Wühlerei zu unterdrücken, bereitete gegen die Demokratie einige blos äußerliche<lb/>
Widerstandemittel vor. Die Souveränitätsgelüste ver Nationalversammmlung<lb/>
stiegen, andrerseits wurden die Presse des Bülow-Kummervwschen Junker¬<lb/>
parlaments und die Preußenvereine immer kühner. Da erfolgte in Berlin<lb/>
der Einzug des Generals Wrangel. Die Bildung des Ministeriums Branden-<lb/>
burg-Manteuffel, die Vertagung und die Verlegung der Nationalversammlung<lb/>
nach Brandenburg, endlich die octroyirte Decemberverfassung, welche die köl¬<lb/>
nische Zeitung als eine &#x201E;unerfreuliche Gabe" bezeichnete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_440" next="#ID_441"> Die kölnische Zeitung richtete den Blick sehnsüchtig nach Frankfurt. Hier<lb/>
war im April -18-58 durch das Zaudern Preußens die Gelegenheit &#x201E;die Ein¬<lb/>
heit Deutschlands" rasch zu schaffen, verpaßt. Die Hegemonie Preußens hielt<lb/>
die kölnische Zeitung aber fortdauernd für die Reichseinheit unerläßlich;<lb/>
Preußens Heer müsse der Kern der künftigen Neichserecutive sein. Oestreich<lb/>
mit seinen vielen außerdeutschen Staaten müsse aus der deutschen Neichseinheit<lb/>
entlassen werden, mit ihm sei daS weitere Band einer staatenbündlichen Eid¬<lb/>
genossenschaft zu schließen: die einzige rein deutsche Großmacht, Preußen, sei mit<lb/>
der einheitlichen Vertretung und Führung Deutschlands zu belehren. So sprach<lb/>
die kölnische Zeitung am 2..August 1848. Da kamen die Herbstereignisse, der frank¬<lb/>
furter Septemberaufstand, die Wühlereien, die Revolution und Contrerevolution<lb/>
in Berlin und Wien, endlich die October- und Novemberkatastrophen. Stärker<lb/>
als zuvor wurde der Widerstand der preußischen und der östreichischen Negierung<lb/>
gegen Frankfurt. Das von der kölnischen Zeitung freudig begrüßte Programm<lb/>
Schwarzenbergs von Kremsier: &#x201E;Trennung Oestreichs vom deutschen Bundes¬<lb/>
staat unter vorläufiger Erfüllung der allen Bundespflichten bis zur spätern Ver¬<lb/>
einbarung neuer, engerer völkerrechtlicher Beziehungen" blieb wirkungslos. Am</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0144] stitutionellen Vereinbarungsstandpunkt fest, bekämpfte alle Anträge auf „An¬ erkennung der Revolution" und verwarf ein „suspensives Veto" der Krone, sie erklärte, daß in der Monarchie der Monarch als solcher nie formell ge¬ zwungen werden kann. Aber immer hoffnungsloser wurden die Zustände. In Berlin, im Süden und Westen Deutschlands wühlten die Demokraten, in Pommern, Preußen und in der Mark die Junker. Da beschloß die constitutionelle Partei den bürgerlichen Mittelstand fester zu organisiren: sie bildete die „constitutionellen Bürgervereine". Köln wurde Vorort derselben im Rheinland und Westphalen. Ihnen gehörte die kölnische Zeitung an, sie, mahnte zum thätigen Selbstver¬ trauen des Mittelstandes. Inzwischen arbeitete einerseits das Ministerium Auerswald, andrerseits die Demokraten den Junkern in die Hände. Das Ministerium, statt organische Gesetze über'Grundlasten, Gemeinde- und Polizeiverwaltung auf dem platten Lande rasch'durchzuführen und sowol die.reactionäre, als die demokratische Wühlerei zu unterdrücken, bereitete gegen die Demokratie einige blos äußerliche Widerstandemittel vor. Die Souveränitätsgelüste ver Nationalversammmlung stiegen, andrerseits wurden die Presse des Bülow-Kummervwschen Junker¬ parlaments und die Preußenvereine immer kühner. Da erfolgte in Berlin der Einzug des Generals Wrangel. Die Bildung des Ministeriums Branden- burg-Manteuffel, die Vertagung und die Verlegung der Nationalversammlung nach Brandenburg, endlich die octroyirte Decemberverfassung, welche die köl¬ nische Zeitung als eine „unerfreuliche Gabe" bezeichnete. Die kölnische Zeitung richtete den Blick sehnsüchtig nach Frankfurt. Hier war im April -18-58 durch das Zaudern Preußens die Gelegenheit „die Ein¬ heit Deutschlands" rasch zu schaffen, verpaßt. Die Hegemonie Preußens hielt die kölnische Zeitung aber fortdauernd für die Reichseinheit unerläßlich; Preußens Heer müsse der Kern der künftigen Neichserecutive sein. Oestreich mit seinen vielen außerdeutschen Staaten müsse aus der deutschen Neichseinheit entlassen werden, mit ihm sei daS weitere Band einer staatenbündlichen Eid¬ genossenschaft zu schließen: die einzige rein deutsche Großmacht, Preußen, sei mit der einheitlichen Vertretung und Führung Deutschlands zu belehren. So sprach die kölnische Zeitung am 2..August 1848. Da kamen die Herbstereignisse, der frank¬ furter Septemberaufstand, die Wühlereien, die Revolution und Contrerevolution in Berlin und Wien, endlich die October- und Novemberkatastrophen. Stärker als zuvor wurde der Widerstand der preußischen und der östreichischen Negierung gegen Frankfurt. Das von der kölnischen Zeitung freudig begrüßte Programm Schwarzenbergs von Kremsier: „Trennung Oestreichs vom deutschen Bundes¬ staat unter vorläufiger Erfüllung der allen Bundespflichten bis zur spätern Ver¬ einbarung neuer, engerer völkerrechtlicher Beziehungen" blieb wirkungslos. Am

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/144
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/144>, abgerufen am 22.12.2024.