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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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gefallen. In Berlin brach am -18. März der Straßenausruhr aus und wurde
am -19. März der Abzug der Garnison befohlen. Roch an demselben Tage
wurde in Köln auf dem Domkmhnen die dreifarbige Fahne aufgepflanzt
und die Demokraten und Ultramontanen begannen ihre preußenfeindlichen
Wühlereien.

Die kölnische Zeitung hielt fest an der Monarchie und an Preußen. Ob¬
gleich sie bedauerte, daß Graf Arnim an die Spitze des neuen preußischen Mini¬
steriums gestellt worden, erklärte sie: "Die rasche Regeneration Deutschlands
beruht ganz vorzüglich darauf, daß Preußen fest und mächtig -- der König
durch das Volk, das Volk durch den König gestützt -- das Werk beginnen könne."

Als dann der König von Preußen am 21. März erklärte, ,,er übernehme
die Leitung Deutschlands für die Tage der Gefahr und Preußen gehe fortan in
Deutschland auf", begrüßte die kölnische Zeitung des Reiches Wiedergeburt,
mahnte aber, auch dem großen Worte die That sogleich folgen zu lassen'und
"die Mannschaften deS Reichs in Kriegsbereitschaft zu setzen. Denn in Süd¬
deutschland wütheten die Republikaner und Ultramontanen gegen Preußen, in
Berlin, in den Provinzialhauptstädten und namentlich auch in Köln tagten die
Klubs als "souveränes Volk", während die Negierung unthätig blieb. Die
kölnische Zeitung schaffte Waffen und Befestigungsmittel ins Haus, um
ihre Personen und besonders ihre Pressen mit Gewalt gegen Gewalt zu ver¬
theidigen.

Unter diesen Umständen aber entfernte die kölnische Zeitung am I.April
18i8 den preußischen Adler von ihrem Titelblatt. Die Entschuldi¬
gung des Herrn Brüggemann, der Adler sei "verschlissen" gewesen, ist un¬
genügend. Es war dieser Act mindestens eine große Schwäche der kölnischen
Zeitung, wenn auch Herr Brüggemann am 30. März für das Kaiserthum bei
der Krone Preußen sich erklärte und am -I. April sagte, Preußen sei der
Staat, der allein der Gefahr gewachsen sei, dem Deutschland sich anschließen
müsse.

Inzwischen trat die preußische Negierung nicht an die Spitze der natio¬
nalen Wiedergeburt; sie zögerte in Holstein, sie ließ die Verwirrung in Posen
bestehen, die erwartete allgemeine Mobilmachung blieb aus. Man erwartete
nunmehr das Heil von den beiden nach Frankfurt und Berlin einberufenen
VersassungSparlamenten.

Aber der in Berlin von dem Ministerium Camphausen vorgelegte Ver¬
fassungsentwurf zerstörte nicht die gefürchtete Reaction rasch und factisch in
ihren Wurzeln, er enthielt keine genügenden Bestimmungen über das Ab¬
lösungswerk und über neue Landgemeinde- und Kreisordnuugen. Obgleich die
kölnische Zeitung von diesem Entwürfe nicht, befriedigt war, hielt sie doch
den radicalen Fractionen der Nationalversammlung gegenüber den echt con-


gefallen. In Berlin brach am -18. März der Straßenausruhr aus und wurde
am -19. März der Abzug der Garnison befohlen. Roch an demselben Tage
wurde in Köln auf dem Domkmhnen die dreifarbige Fahne aufgepflanzt
und die Demokraten und Ultramontanen begannen ihre preußenfeindlichen
Wühlereien.

Die kölnische Zeitung hielt fest an der Monarchie und an Preußen. Ob¬
gleich sie bedauerte, daß Graf Arnim an die Spitze des neuen preußischen Mini¬
steriums gestellt worden, erklärte sie: „Die rasche Regeneration Deutschlands
beruht ganz vorzüglich darauf, daß Preußen fest und mächtig — der König
durch das Volk, das Volk durch den König gestützt — das Werk beginnen könne."

Als dann der König von Preußen am 21. März erklärte, ,,er übernehme
die Leitung Deutschlands für die Tage der Gefahr und Preußen gehe fortan in
Deutschland auf", begrüßte die kölnische Zeitung des Reiches Wiedergeburt,
mahnte aber, auch dem großen Worte die That sogleich folgen zu lassen'und
„die Mannschaften deS Reichs in Kriegsbereitschaft zu setzen. Denn in Süd¬
deutschland wütheten die Republikaner und Ultramontanen gegen Preußen, in
Berlin, in den Provinzialhauptstädten und namentlich auch in Köln tagten die
Klubs als „souveränes Volk", während die Negierung unthätig blieb. Die
kölnische Zeitung schaffte Waffen und Befestigungsmittel ins Haus, um
ihre Personen und besonders ihre Pressen mit Gewalt gegen Gewalt zu ver¬
theidigen.

Unter diesen Umständen aber entfernte die kölnische Zeitung am I.April
18i8 den preußischen Adler von ihrem Titelblatt. Die Entschuldi¬
gung des Herrn Brüggemann, der Adler sei „verschlissen" gewesen, ist un¬
genügend. Es war dieser Act mindestens eine große Schwäche der kölnischen
Zeitung, wenn auch Herr Brüggemann am 30. März für das Kaiserthum bei
der Krone Preußen sich erklärte und am -I. April sagte, Preußen sei der
Staat, der allein der Gefahr gewachsen sei, dem Deutschland sich anschließen
müsse.

Inzwischen trat die preußische Negierung nicht an die Spitze der natio¬
nalen Wiedergeburt; sie zögerte in Holstein, sie ließ die Verwirrung in Posen
bestehen, die erwartete allgemeine Mobilmachung blieb aus. Man erwartete
nunmehr das Heil von den beiden nach Frankfurt und Berlin einberufenen
VersassungSparlamenten.

Aber der in Berlin von dem Ministerium Camphausen vorgelegte Ver¬
fassungsentwurf zerstörte nicht die gefürchtete Reaction rasch und factisch in
ihren Wurzeln, er enthielt keine genügenden Bestimmungen über das Ab¬
lösungswerk und über neue Landgemeinde- und Kreisordnuugen. Obgleich die
kölnische Zeitung von diesem Entwürfe nicht, befriedigt war, hielt sie doch
den radicalen Fractionen der Nationalversammlung gegenüber den echt con-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/143>, abgerufen am 22.12.2024.