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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Hofrath abgeben zu können, mischte sich persönlich in die Verwaltung ein und
von den verschiedenen einander coordinirten Hvfstellen mußte fast alles durch
Referate an den Thron gebracht werden. Nur langsam und schwerfällig kam
es von demselben in dem langen Jnstanzenzuge von den Acten zu den Facken.
Bisweilen griff auch der Kaiser, wie orientalische Fürsten, wohlthuend in
den Gang des Maschinenwcrks ein. Er stand dem Volke gegenüber als Herr
und Vater. In einem "Volksschulbuche" wurde gelehrt, der Herrscher sei
der Herr der Unterthanen und habe "alle Macht über ihren Besitz und
ihr Leben."

Durch ständische Rechte ließ die Negierung eine Schranke sich nicht setzen.
Der Form nach bestand zwar eine ständische Vertretung. Adel und Geistlich¬
keit hatten in derselben das Uebergewicht, durchschnittlich Dreiviertel der Stimmen.
Auch konnten nur sie landsäßige Güter besitzen. Landtagfähige Städte gab
es in Schlesien keine, in Galizien eine, in Böhmen rechtlich vier, aber
thatsächlich nur das eine Prag, in Mähren sieben mit nur einer Stimme, in
Niederöstreich mußten die städtischen Abgeordneten bei den Berathungen den
Saal verlassen. In Italien wurden die Mitglieder der beiden Centralcvn-
gregativnen aus den Präsentationslisten der Gemeinderäthe von der Regierung
ernannt, von der sie auch besoldet wurden und entlassen werden konnten. Ihr
Rath sollte gehört werden, wenn es der Regierung "gut dünken werde",
was in dreißig Jahren nicht eintrat. Selbst Bitten und Vorstellungen der
Stände aniwortete die höchste Ungnade. Sogar die Stände von Ungarn
wurden von -I8-I-I bis -I82L, die Stände von Siebenbürgen von 18-11
bis 1834 nicht berufen. Der östreichische Adel lebte ein Menschenalter
hindurch "ein Polypenleben, einen Winterschlaf", er hatte bis -1840 eine ver¬
krüppelte Existenz.

Das einzige Band der verschiedenen Nationalitäten des Reichs war die
katholische Kirche. Aber die Regierung benutzte sie wie den Adel nur als
ein Werkzeug zu ihren Zwecken, sie sah die Religion als einen Kappzaum für
das Volk an, die von ihr ernannten Bischöfe sollten die Anhänglichkeit an
den Kaiser zu einem kirchlichen Dogma machen. Der Kirche bedürftig, war
sie stets voll eifersüchtigen Mißtrauens gegen Rom und die Macht des
Papstes. -18-16 kam es sogar zwischen ihr und Rom zu einem förmlichen
Bruch. Der Papst hielt die Investitur italienischer Bischöfe zurück. Kaiser
Franz verbot seinen Bischöfen zur Consecration nach Rom zu gehen. Die
Spannung minderte sich erst, als der Papst -18-17 die Besetzung der vene-
tianischen Bisthümer durch den Staat zugab. Das absolute System will in
der Kirche einen zwar immer bereiten Gehilfen, aber keinen Nebenbuhler.

Ebensowenig vertrug sich der Absolutismus mit dem Protestantismus.
Die protestantische Kirche war der katholischen als eine gedrückte und kaum ge-


Hofrath abgeben zu können, mischte sich persönlich in die Verwaltung ein und
von den verschiedenen einander coordinirten Hvfstellen mußte fast alles durch
Referate an den Thron gebracht werden. Nur langsam und schwerfällig kam
es von demselben in dem langen Jnstanzenzuge von den Acten zu den Facken.
Bisweilen griff auch der Kaiser, wie orientalische Fürsten, wohlthuend in
den Gang des Maschinenwcrks ein. Er stand dem Volke gegenüber als Herr
und Vater. In einem „Volksschulbuche" wurde gelehrt, der Herrscher sei
der Herr der Unterthanen und habe „alle Macht über ihren Besitz und
ihr Leben."

Durch ständische Rechte ließ die Negierung eine Schranke sich nicht setzen.
Der Form nach bestand zwar eine ständische Vertretung. Adel und Geistlich¬
keit hatten in derselben das Uebergewicht, durchschnittlich Dreiviertel der Stimmen.
Auch konnten nur sie landsäßige Güter besitzen. Landtagfähige Städte gab
es in Schlesien keine, in Galizien eine, in Böhmen rechtlich vier, aber
thatsächlich nur das eine Prag, in Mähren sieben mit nur einer Stimme, in
Niederöstreich mußten die städtischen Abgeordneten bei den Berathungen den
Saal verlassen. In Italien wurden die Mitglieder der beiden Centralcvn-
gregativnen aus den Präsentationslisten der Gemeinderäthe von der Regierung
ernannt, von der sie auch besoldet wurden und entlassen werden konnten. Ihr
Rath sollte gehört werden, wenn es der Regierung „gut dünken werde",
was in dreißig Jahren nicht eintrat. Selbst Bitten und Vorstellungen der
Stände aniwortete die höchste Ungnade. Sogar die Stände von Ungarn
wurden von -I8-I-I bis -I82L, die Stände von Siebenbürgen von 18-11
bis 1834 nicht berufen. Der östreichische Adel lebte ein Menschenalter
hindurch „ein Polypenleben, einen Winterschlaf", er hatte bis -1840 eine ver¬
krüppelte Existenz.

Das einzige Band der verschiedenen Nationalitäten des Reichs war die
katholische Kirche. Aber die Regierung benutzte sie wie den Adel nur als
ein Werkzeug zu ihren Zwecken, sie sah die Religion als einen Kappzaum für
das Volk an, die von ihr ernannten Bischöfe sollten die Anhänglichkeit an
den Kaiser zu einem kirchlichen Dogma machen. Der Kirche bedürftig, war
sie stets voll eifersüchtigen Mißtrauens gegen Rom und die Macht des
Papstes. -18-16 kam es sogar zwischen ihr und Rom zu einem förmlichen
Bruch. Der Papst hielt die Investitur italienischer Bischöfe zurück. Kaiser
Franz verbot seinen Bischöfen zur Consecration nach Rom zu gehen. Die
Spannung minderte sich erst, als der Papst -18-17 die Besetzung der vene-
tianischen Bisthümer durch den Staat zugab. Das absolute System will in
der Kirche einen zwar immer bereiten Gehilfen, aber keinen Nebenbuhler.

Ebensowenig vertrug sich der Absolutismus mit dem Protestantismus.
Die protestantische Kirche war der katholischen als eine gedrückte und kaum ge-


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[0106] Hofrath abgeben zu können, mischte sich persönlich in die Verwaltung ein und von den verschiedenen einander coordinirten Hvfstellen mußte fast alles durch Referate an den Thron gebracht werden. Nur langsam und schwerfällig kam es von demselben in dem langen Jnstanzenzuge von den Acten zu den Facken. Bisweilen griff auch der Kaiser, wie orientalische Fürsten, wohlthuend in den Gang des Maschinenwcrks ein. Er stand dem Volke gegenüber als Herr und Vater. In einem „Volksschulbuche" wurde gelehrt, der Herrscher sei der Herr der Unterthanen und habe „alle Macht über ihren Besitz und ihr Leben." Durch ständische Rechte ließ die Negierung eine Schranke sich nicht setzen. Der Form nach bestand zwar eine ständische Vertretung. Adel und Geistlich¬ keit hatten in derselben das Uebergewicht, durchschnittlich Dreiviertel der Stimmen. Auch konnten nur sie landsäßige Güter besitzen. Landtagfähige Städte gab es in Schlesien keine, in Galizien eine, in Böhmen rechtlich vier, aber thatsächlich nur das eine Prag, in Mähren sieben mit nur einer Stimme, in Niederöstreich mußten die städtischen Abgeordneten bei den Berathungen den Saal verlassen. In Italien wurden die Mitglieder der beiden Centralcvn- gregativnen aus den Präsentationslisten der Gemeinderäthe von der Regierung ernannt, von der sie auch besoldet wurden und entlassen werden konnten. Ihr Rath sollte gehört werden, wenn es der Regierung „gut dünken werde", was in dreißig Jahren nicht eintrat. Selbst Bitten und Vorstellungen der Stände aniwortete die höchste Ungnade. Sogar die Stände von Ungarn wurden von -I8-I-I bis -I82L, die Stände von Siebenbürgen von 18-11 bis 1834 nicht berufen. Der östreichische Adel lebte ein Menschenalter hindurch „ein Polypenleben, einen Winterschlaf", er hatte bis -1840 eine ver¬ krüppelte Existenz. Das einzige Band der verschiedenen Nationalitäten des Reichs war die katholische Kirche. Aber die Regierung benutzte sie wie den Adel nur als ein Werkzeug zu ihren Zwecken, sie sah die Religion als einen Kappzaum für das Volk an, die von ihr ernannten Bischöfe sollten die Anhänglichkeit an den Kaiser zu einem kirchlichen Dogma machen. Der Kirche bedürftig, war sie stets voll eifersüchtigen Mißtrauens gegen Rom und die Macht des Papstes. -18-16 kam es sogar zwischen ihr und Rom zu einem förmlichen Bruch. Der Papst hielt die Investitur italienischer Bischöfe zurück. Kaiser Franz verbot seinen Bischöfen zur Consecration nach Rom zu gehen. Die Spannung minderte sich erst, als der Papst -18-17 die Besetzung der vene- tianischen Bisthümer durch den Staat zugab. Das absolute System will in der Kirche einen zwar immer bereiten Gehilfen, aber keinen Nebenbuhler. Ebensowenig vertrug sich der Absolutismus mit dem Protestantismus. Die protestantische Kirche war der katholischen als eine gedrückte und kaum ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/106>, abgerufen am 22.12.2024.