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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Verhalten seiner Truppen zu erforschen. Die Einleitung des Gefechts ist ein
Betasten des Gegners, wozu man nur wenig Kräfte, und diese in einer For¬
mation gebraucht, in der möglichst viel Terrain übersehen und möglichst viele
Truppen des Gegners beschäftigt werden können. Von der Avantgarde des
Angreifenden lösen sich die souliers der Vortruppen in eine Tirailleurlinie
aus, ihre Unterstützungstrupps entwickeln sich. Der Gegner hält Stich; man
kommt aus Terraingegenstände, die er fest zu halten sucht. Jetzt entfaltet sich
daS Gros der Avantgarde; leichte Artillerie geht, gedeckt durch Tirailleurlinien
und Cavalerietrupps, gegen den Feind vor. Es entspinnt sich eine .Kanonade
und ein Tirailleurgefecht, in welchem gewöhnlich viel Pulver unnöthig und
ohne Erfolg verschossen wird. Gegen die zerstreuten Fechter ist keine bedeutende
Wirkung möglich; die Massen halten sich noch verdeckt, oder sind zu weit ab.
Einige demontirte Geschütze und der Umstand, daß ein Theil sich verleiten läßt,
mehr Truppen zu zeigen, als nöthig wäre, daß er versäumt, aus das aufmerk¬
sam zu sein, was hinter der Feuerlinie beim Gegner vorgeht, das pflegen die
ersten Vortheile dieser Gefechtsperiode zu sein. Der nächste ist für den An¬
greifer die Erringung solcher Punkte, von denen das vorliegende Terrain und
die Besetzung, desselben durch den Gegner übersehn werden kann. Ost wird die
Erwerbung derselben nur vorübergehend sein können, aber doch dazu dienen,
schwache Punkte des Gegners zu erkennen und die,eigne Aufstellung zu ver¬
bergen. Unterdeß finden wol auch einige Schwadronen der Reiterei Gelegen¬
heit, sich ungesehen den Flanken der feindlichen Feuerlinie zu nähern, sie durch
plötzliches Borbrechen zu überraschen, zusammenzuhauen, Geschütze zu nehmen.

Im Allgemeinen aber ist hier die Infanterie die Hauptwaffe, und nur
unter ganz besondern Umständen, z. B. in sehr ebenem, offenem Terrain, wird
Reiterei dabei zu einer vorherrschenden Wirksamkeit gelangen können. Die Ar¬
tillerie wird fast immer in" die Aufgabe haben, das zerstreute Gefecht der In¬
fanterie zu unterstützen und die Wirkung zu erhöhen.

Sind die Kräfte, wie fast immer, ziemlich gleich, und setzt der Feind die¬
selben taktischen Mittel in Anwendung, so wird das Gefecht stehend; es kommt
ins Gleichgewicht. Dies ist ein Zustand, in welchem es gewöhnlich eine be¬
deutende Zeit hingehalten werden kann, wenn nicht einer von beiden Theilen
die Entscheidung zu beschleunigen sucht. Dies ist nun aber in der Regel
der Fall.

Das Gros und die Reserve haben sich nämlich bis jetzt noch aus dem
Gefecht gehalten, sie sind unentfaltet, in dichten Massen, verdeckt aufgestellt.
Der Angreifende hat sie gewöhnlich an den Straßen, auf denen er sich näherte;
der Vertheidiger hält sie hinter den Punkten, deren Verlust ihm am nachthei¬
ligsten werden würde. Das Gefecht der Vortruppen läßt die Absicht und Stel¬
lung des Gegners mehr oder weniger erkennen; wenigstens glaubt dies jeder.


Verhalten seiner Truppen zu erforschen. Die Einleitung des Gefechts ist ein
Betasten des Gegners, wozu man nur wenig Kräfte, und diese in einer For¬
mation gebraucht, in der möglichst viel Terrain übersehen und möglichst viele
Truppen des Gegners beschäftigt werden können. Von der Avantgarde des
Angreifenden lösen sich die souliers der Vortruppen in eine Tirailleurlinie
aus, ihre Unterstützungstrupps entwickeln sich. Der Gegner hält Stich; man
kommt aus Terraingegenstände, die er fest zu halten sucht. Jetzt entfaltet sich
daS Gros der Avantgarde; leichte Artillerie geht, gedeckt durch Tirailleurlinien
und Cavalerietrupps, gegen den Feind vor. Es entspinnt sich eine .Kanonade
und ein Tirailleurgefecht, in welchem gewöhnlich viel Pulver unnöthig und
ohne Erfolg verschossen wird. Gegen die zerstreuten Fechter ist keine bedeutende
Wirkung möglich; die Massen halten sich noch verdeckt, oder sind zu weit ab.
Einige demontirte Geschütze und der Umstand, daß ein Theil sich verleiten läßt,
mehr Truppen zu zeigen, als nöthig wäre, daß er versäumt, aus das aufmerk¬
sam zu sein, was hinter der Feuerlinie beim Gegner vorgeht, das pflegen die
ersten Vortheile dieser Gefechtsperiode zu sein. Der nächste ist für den An¬
greifer die Erringung solcher Punkte, von denen das vorliegende Terrain und
die Besetzung, desselben durch den Gegner übersehn werden kann. Ost wird die
Erwerbung derselben nur vorübergehend sein können, aber doch dazu dienen,
schwache Punkte des Gegners zu erkennen und die,eigne Aufstellung zu ver¬
bergen. Unterdeß finden wol auch einige Schwadronen der Reiterei Gelegen¬
heit, sich ungesehen den Flanken der feindlichen Feuerlinie zu nähern, sie durch
plötzliches Borbrechen zu überraschen, zusammenzuhauen, Geschütze zu nehmen.

Im Allgemeinen aber ist hier die Infanterie die Hauptwaffe, und nur
unter ganz besondern Umständen, z. B. in sehr ebenem, offenem Terrain, wird
Reiterei dabei zu einer vorherrschenden Wirksamkeit gelangen können. Die Ar¬
tillerie wird fast immer in» die Aufgabe haben, das zerstreute Gefecht der In¬
fanterie zu unterstützen und die Wirkung zu erhöhen.

Sind die Kräfte, wie fast immer, ziemlich gleich, und setzt der Feind die¬
selben taktischen Mittel in Anwendung, so wird das Gefecht stehend; es kommt
ins Gleichgewicht. Dies ist ein Zustand, in welchem es gewöhnlich eine be¬
deutende Zeit hingehalten werden kann, wenn nicht einer von beiden Theilen
die Entscheidung zu beschleunigen sucht. Dies ist nun aber in der Regel
der Fall.

Das Gros und die Reserve haben sich nämlich bis jetzt noch aus dem
Gefecht gehalten, sie sind unentfaltet, in dichten Massen, verdeckt aufgestellt.
Der Angreifende hat sie gewöhnlich an den Straßen, auf denen er sich näherte;
der Vertheidiger hält sie hinter den Punkten, deren Verlust ihm am nachthei¬
ligsten werden würde. Das Gefecht der Vortruppen läßt die Absicht und Stel¬
lung des Gegners mehr oder weniger erkennen; wenigstens glaubt dies jeder.


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[0522] Verhalten seiner Truppen zu erforschen. Die Einleitung des Gefechts ist ein Betasten des Gegners, wozu man nur wenig Kräfte, und diese in einer For¬ mation gebraucht, in der möglichst viel Terrain übersehen und möglichst viele Truppen des Gegners beschäftigt werden können. Von der Avantgarde des Angreifenden lösen sich die souliers der Vortruppen in eine Tirailleurlinie aus, ihre Unterstützungstrupps entwickeln sich. Der Gegner hält Stich; man kommt aus Terraingegenstände, die er fest zu halten sucht. Jetzt entfaltet sich daS Gros der Avantgarde; leichte Artillerie geht, gedeckt durch Tirailleurlinien und Cavalerietrupps, gegen den Feind vor. Es entspinnt sich eine .Kanonade und ein Tirailleurgefecht, in welchem gewöhnlich viel Pulver unnöthig und ohne Erfolg verschossen wird. Gegen die zerstreuten Fechter ist keine bedeutende Wirkung möglich; die Massen halten sich noch verdeckt, oder sind zu weit ab. Einige demontirte Geschütze und der Umstand, daß ein Theil sich verleiten läßt, mehr Truppen zu zeigen, als nöthig wäre, daß er versäumt, aus das aufmerk¬ sam zu sein, was hinter der Feuerlinie beim Gegner vorgeht, das pflegen die ersten Vortheile dieser Gefechtsperiode zu sein. Der nächste ist für den An¬ greifer die Erringung solcher Punkte, von denen das vorliegende Terrain und die Besetzung, desselben durch den Gegner übersehn werden kann. Ost wird die Erwerbung derselben nur vorübergehend sein können, aber doch dazu dienen, schwache Punkte des Gegners zu erkennen und die,eigne Aufstellung zu ver¬ bergen. Unterdeß finden wol auch einige Schwadronen der Reiterei Gelegen¬ heit, sich ungesehen den Flanken der feindlichen Feuerlinie zu nähern, sie durch plötzliches Borbrechen zu überraschen, zusammenzuhauen, Geschütze zu nehmen. Im Allgemeinen aber ist hier die Infanterie die Hauptwaffe, und nur unter ganz besondern Umständen, z. B. in sehr ebenem, offenem Terrain, wird Reiterei dabei zu einer vorherrschenden Wirksamkeit gelangen können. Die Ar¬ tillerie wird fast immer in» die Aufgabe haben, das zerstreute Gefecht der In¬ fanterie zu unterstützen und die Wirkung zu erhöhen. Sind die Kräfte, wie fast immer, ziemlich gleich, und setzt der Feind die¬ selben taktischen Mittel in Anwendung, so wird das Gefecht stehend; es kommt ins Gleichgewicht. Dies ist ein Zustand, in welchem es gewöhnlich eine be¬ deutende Zeit hingehalten werden kann, wenn nicht einer von beiden Theilen die Entscheidung zu beschleunigen sucht. Dies ist nun aber in der Regel der Fall. Das Gros und die Reserve haben sich nämlich bis jetzt noch aus dem Gefecht gehalten, sie sind unentfaltet, in dichten Massen, verdeckt aufgestellt. Der Angreifende hat sie gewöhnlich an den Straßen, auf denen er sich näherte; der Vertheidiger hält sie hinter den Punkten, deren Verlust ihm am nachthei¬ ligsten werden würde. Das Gefecht der Vortruppen läßt die Absicht und Stel¬ lung des Gegners mehr oder weniger erkennen; wenigstens glaubt dies jeder.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/522>, abgerufen am 01.10.2024.