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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Man kennt ebenso die entsetzlichen Verluste, welche die stegreichen
Schlachten von Prag, Torgau, Zorndorf kosteten. Wenngleich sich wohl¬
feilere Siege finden, so rührt dies von Zufällen her, die, wie bei Roßbach,
der Schlacht eine leichtere Wendung gegeben haben.

Die Schlachten der neuern Zeit sind dagegen im Vergleich zu den ge¬
nannten weniger verlustreich; die blutigsten waren z. B. Aspern, wo die
Oestreicher 22,000 Mann von 7S.000 Mann und die Franzosen etwa die
Hälfte ihrer Armee, aber in anderthalb Tagen verloren; ferner Borodino,
wo in 2 Tagen die Russen Vi" ihrer Stärke, und Waterloo, wo die Engländer
in 9 Stunden nicht ganz V" einbüßten. War die Blutarbeit vollendet, so
war der Kampf in der Regel durch die gänzliche Niederlage des Gegners, Aus¬
lösung des Zusammenhangs in seinem Heer und Flucht von dem Schlachtfelde
beendet. Ein Abbrechen des Gefechts für den Schwächer"^ wie es jetzt Regel
ist, war fast unmöglich, ein geordneter Rückzug sehr erschwert; denn die zer¬
rissenen langen Linien der Infanterie waren fast unmöglich in taktische Körper
zu vereinigen. So war der Sieg selbst häufig weit vollständiger, als er jetzt
sein kann, wenn der Commandirende des schwächern Theils nicht gegen die
Grundsätze moderner Kriegführung handelt und den Kampf länger fortsetzt, als
rathsam ist.

Wenn aber Sieg und Niederlage zur Zeit Friedrichs des Großen ein ent-
schiednereo Aussehen hatten, so waren die Früchte des Sieges oft geringer,
als jetzt, renn was die heutigen Schlachten erfolgreich machen kann, die Ver¬
folgung des geschlagenen Feindes, .welche tagelang anhält und die erschöpften
und entmuthigten Corps, auch wenn sie durch die Schlacht selbst wenig gelitten
haben, aufreibt, abschneidet, - den Feind so lange als möglich hindert, sich
zu sammeln und hinter ihm liegende Operationslinien zu benutzen, diese Art
von Verfolgung mit großen strategischen Combinationen war in jener Krieg¬
führung noch Ausnahme. Wo sie stattfand war sie grade ein Triumph, den
Friedrichs Genie über seine Gegner davontrug. Die Oestreicher und Russen
begnügten sich, auf dem Schlachtfeld stehen zu bleiben. Aber auch Friedrichs
Verfolgung konnte nicht so sein, daß sie den Feind aufrieb, denn die Organi¬
sation fehlte seinem Heer, welche ein Fortsetzen der Schlacht auf dem Marsche
durch gegliederte Divisionen möglich machte. In der Regel also begnügte sich
der Sieger, die Trophäen zu sammeln, welche er auf dem Schlachtfeld vor¬
fand, und die Gefangenen abzuführen, welche die leichte Reiterei einbrachte.

So war der Verlauf einer Schlacht in der Periode der Lineartaktik; und
die Meisterschaft, mit welcher der große Friedrich die Regeln, welche dies
System möglich machte, zu benutzen wußte, haben nächst seinem strategischen
Talent seinen großen Feldherrnruhm und den Ruf seiner preußischen Armee
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Man kennt ebenso die entsetzlichen Verluste, welche die stegreichen
Schlachten von Prag, Torgau, Zorndorf kosteten. Wenngleich sich wohl¬
feilere Siege finden, so rührt dies von Zufällen her, die, wie bei Roßbach,
der Schlacht eine leichtere Wendung gegeben haben.

Die Schlachten der neuern Zeit sind dagegen im Vergleich zu den ge¬
nannten weniger verlustreich; die blutigsten waren z. B. Aspern, wo die
Oestreicher 22,000 Mann von 7S.000 Mann und die Franzosen etwa die
Hälfte ihrer Armee, aber in anderthalb Tagen verloren; ferner Borodino,
wo in 2 Tagen die Russen Vi» ihrer Stärke, und Waterloo, wo die Engländer
in 9 Stunden nicht ganz V» einbüßten. War die Blutarbeit vollendet, so
war der Kampf in der Regel durch die gänzliche Niederlage des Gegners, Aus¬
lösung des Zusammenhangs in seinem Heer und Flucht von dem Schlachtfelde
beendet. Ein Abbrechen des Gefechts für den Schwächer»^ wie es jetzt Regel
ist, war fast unmöglich, ein geordneter Rückzug sehr erschwert; denn die zer¬
rissenen langen Linien der Infanterie waren fast unmöglich in taktische Körper
zu vereinigen. So war der Sieg selbst häufig weit vollständiger, als er jetzt
sein kann, wenn der Commandirende des schwächern Theils nicht gegen die
Grundsätze moderner Kriegführung handelt und den Kampf länger fortsetzt, als
rathsam ist.

Wenn aber Sieg und Niederlage zur Zeit Friedrichs des Großen ein ent-
schiednereo Aussehen hatten, so waren die Früchte des Sieges oft geringer,
als jetzt, renn was die heutigen Schlachten erfolgreich machen kann, die Ver¬
folgung des geschlagenen Feindes, .welche tagelang anhält und die erschöpften
und entmuthigten Corps, auch wenn sie durch die Schlacht selbst wenig gelitten
haben, aufreibt, abschneidet, - den Feind so lange als möglich hindert, sich
zu sammeln und hinter ihm liegende Operationslinien zu benutzen, diese Art
von Verfolgung mit großen strategischen Combinationen war in jener Krieg¬
führung noch Ausnahme. Wo sie stattfand war sie grade ein Triumph, den
Friedrichs Genie über seine Gegner davontrug. Die Oestreicher und Russen
begnügten sich, auf dem Schlachtfeld stehen zu bleiben. Aber auch Friedrichs
Verfolgung konnte nicht so sein, daß sie den Feind aufrieb, denn die Organi¬
sation fehlte seinem Heer, welche ein Fortsetzen der Schlacht auf dem Marsche
durch gegliederte Divisionen möglich machte. In der Regel also begnügte sich
der Sieger, die Trophäen zu sammeln, welche er auf dem Schlachtfeld vor¬
fand, und die Gefangenen abzuführen, welche die leichte Reiterei einbrachte.

So war der Verlauf einer Schlacht in der Periode der Lineartaktik; und
die Meisterschaft, mit welcher der große Friedrich die Regeln, welche dies
System möglich machte, zu benutzen wußte, haben nächst seinem strategischen
Talent seinen großen Feldherrnruhm und den Ruf seiner preußischen Armee
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/518>, abgerufen am 03.07.2024.