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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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aus der Anerkennung der ritterschaftlichen Ansprüche hervorgehen, soll hinge¬
deutet werden. Die Denkschrift sieht sie für die Ritterschaften selbst, welche
durch augenblickliche Herstellung unhaltbarer Vorrechte auf keine Versöhnung
mit dem Lande hingewiesen werden, vielmehr die Wiederholung des ganzen
Kampfes von 1837--1848 ohne Rückblick und Zukunftsahnung wiederholen.
Das Land würde auch jetzt zu keiner stetigen Entwicklung seiner Zustände ge¬
langen, die nur durch Dauer, Gewöhnung, nllmäligen Ausbau Solidität er¬
langen. Wieder werden Jahre lang die besten Kräfte auf den Streit ver¬
wendet werden, die den Verbesserungen in den Lanvesanstalten zugewendet
werden sollten. Und fände die bestehende Verfassung bei dem deutscheu Bunde
keinen Schutz, mahnt die Beleuchtung, so werde dadurch wieder in die Bahnen
gelenkt, wo die Kraft, das Ansehen und das Vertrauen zu dem Bunde kei¬
nem Zuwachs erfahren.

Ohne Beachtung dieser Gegenschrift wurden jedoch die Beschwerden der
hannoverschen Ritter und Landschaften von der Majorität der Bundesver¬
sammlung für begründet erachtet. Die Bunvesversammlung sah sich für com-
petent an, die hannoversche Negierung aufzufordern, die dortigen mir der
Buubesgesetzgebung im Widerspruch stehenden staatlichen Einrichtungen in den
nothwendigen Einklang mit jener zu setzen. Merkwürdige Parallelen würden
zu ziehen sein zwischen der jetzigen Competenz, welche auf ein in Wien und
Berlin festgesetztes Princip kosend, und der Jucompeteuzerklärung des Bundes
vom 26. April 1839 in derselben hannoverschen Verfaffungsangelegenheit auf
Beschwerde anderer hannoverscher Corporationen. Doch wir verzichten und
verweisen auf die Weserzeitung, welche in der Zeit vom l-l. bis 18. Mai
überraschende und lehrreiche Zusammenstellungen machte. Auch auf die Er¬
klärungen der einzelnen Bundestagsgesandter wollen wir nicht näher eingehen.
Die meisten Regierungen faßten die Angelegenheit als ihre eigne Parteisache
auf. Sie charatterismen damit ihr häusliches Verhältniß zum constitutionellen
Leben. Sehr bemerkenswerth ist es deshalb, daß Würtemberg geltenv machte,
die landstänbische Verfassung, von welcher die Bundesacte rede, >el keineswegs
ausschließlich von der altständischen zu verstehen, und baß Baden in dem
Votum vom 12. April erklärte, die hannoverschen Ritterschaften besitzen alt¬
hergebrachtes ständisches Recht, das nicht ohne ihre Zustimmung aufgehoben
werden dürfe; allein die Art der Ausübung dieses Rechts hänge von der all¬
gemeinen Gesetzgebung ab und die Ritterschaften könnten nicht verlangen, daß
bie ihnen einzuräumende Vertretung nothwendig in der ersten Kammer statt¬
finden müsse.

Genug, der Bundesbeschluß vom 12. und vom 19. April ist erfolgt. Ein
Buudeseommissar war, wie es heißt, in Hannover abgelehnt und so überläßt
jener Beschluß der hannoverschen Negierung die Verfassungsrevision. Die


aus der Anerkennung der ritterschaftlichen Ansprüche hervorgehen, soll hinge¬
deutet werden. Die Denkschrift sieht sie für die Ritterschaften selbst, welche
durch augenblickliche Herstellung unhaltbarer Vorrechte auf keine Versöhnung
mit dem Lande hingewiesen werden, vielmehr die Wiederholung des ganzen
Kampfes von 1837—1848 ohne Rückblick und Zukunftsahnung wiederholen.
Das Land würde auch jetzt zu keiner stetigen Entwicklung seiner Zustände ge¬
langen, die nur durch Dauer, Gewöhnung, nllmäligen Ausbau Solidität er¬
langen. Wieder werden Jahre lang die besten Kräfte auf den Streit ver¬
wendet werden, die den Verbesserungen in den Lanvesanstalten zugewendet
werden sollten. Und fände die bestehende Verfassung bei dem deutscheu Bunde
keinen Schutz, mahnt die Beleuchtung, so werde dadurch wieder in die Bahnen
gelenkt, wo die Kraft, das Ansehen und das Vertrauen zu dem Bunde kei¬
nem Zuwachs erfahren.

Ohne Beachtung dieser Gegenschrift wurden jedoch die Beschwerden der
hannoverschen Ritter und Landschaften von der Majorität der Bundesver¬
sammlung für begründet erachtet. Die Bunvesversammlung sah sich für com-
petent an, die hannoversche Negierung aufzufordern, die dortigen mir der
Buubesgesetzgebung im Widerspruch stehenden staatlichen Einrichtungen in den
nothwendigen Einklang mit jener zu setzen. Merkwürdige Parallelen würden
zu ziehen sein zwischen der jetzigen Competenz, welche auf ein in Wien und
Berlin festgesetztes Princip kosend, und der Jucompeteuzerklärung des Bundes
vom 26. April 1839 in derselben hannoverschen Verfaffungsangelegenheit auf
Beschwerde anderer hannoverscher Corporationen. Doch wir verzichten und
verweisen auf die Weserzeitung, welche in der Zeit vom l-l. bis 18. Mai
überraschende und lehrreiche Zusammenstellungen machte. Auch auf die Er¬
klärungen der einzelnen Bundestagsgesandter wollen wir nicht näher eingehen.
Die meisten Regierungen faßten die Angelegenheit als ihre eigne Parteisache
auf. Sie charatterismen damit ihr häusliches Verhältniß zum constitutionellen
Leben. Sehr bemerkenswerth ist es deshalb, daß Würtemberg geltenv machte,
die landstänbische Verfassung, von welcher die Bundesacte rede, >el keineswegs
ausschließlich von der altständischen zu verstehen, und baß Baden in dem
Votum vom 12. April erklärte, die hannoverschen Ritterschaften besitzen alt¬
hergebrachtes ständisches Recht, das nicht ohne ihre Zustimmung aufgehoben
werden dürfe; allein die Art der Ausübung dieses Rechts hänge von der all¬
gemeinen Gesetzgebung ab und die Ritterschaften könnten nicht verlangen, daß
bie ihnen einzuräumende Vertretung nothwendig in der ersten Kammer statt¬
finden müsse.

Genug, der Bundesbeschluß vom 12. und vom 19. April ist erfolgt. Ein
Buudeseommissar war, wie es heißt, in Hannover abgelehnt und so überläßt
jener Beschluß der hannoverschen Negierung die Verfassungsrevision. Die


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[0471] aus der Anerkennung der ritterschaftlichen Ansprüche hervorgehen, soll hinge¬ deutet werden. Die Denkschrift sieht sie für die Ritterschaften selbst, welche durch augenblickliche Herstellung unhaltbarer Vorrechte auf keine Versöhnung mit dem Lande hingewiesen werden, vielmehr die Wiederholung des ganzen Kampfes von 1837—1848 ohne Rückblick und Zukunftsahnung wiederholen. Das Land würde auch jetzt zu keiner stetigen Entwicklung seiner Zustände ge¬ langen, die nur durch Dauer, Gewöhnung, nllmäligen Ausbau Solidität er¬ langen. Wieder werden Jahre lang die besten Kräfte auf den Streit ver¬ wendet werden, die den Verbesserungen in den Lanvesanstalten zugewendet werden sollten. Und fände die bestehende Verfassung bei dem deutscheu Bunde keinen Schutz, mahnt die Beleuchtung, so werde dadurch wieder in die Bahnen gelenkt, wo die Kraft, das Ansehen und das Vertrauen zu dem Bunde kei¬ nem Zuwachs erfahren. Ohne Beachtung dieser Gegenschrift wurden jedoch die Beschwerden der hannoverschen Ritter und Landschaften von der Majorität der Bundesver¬ sammlung für begründet erachtet. Die Bunvesversammlung sah sich für com- petent an, die hannoversche Negierung aufzufordern, die dortigen mir der Buubesgesetzgebung im Widerspruch stehenden staatlichen Einrichtungen in den nothwendigen Einklang mit jener zu setzen. Merkwürdige Parallelen würden zu ziehen sein zwischen der jetzigen Competenz, welche auf ein in Wien und Berlin festgesetztes Princip kosend, und der Jucompeteuzerklärung des Bundes vom 26. April 1839 in derselben hannoverschen Verfaffungsangelegenheit auf Beschwerde anderer hannoverscher Corporationen. Doch wir verzichten und verweisen auf die Weserzeitung, welche in der Zeit vom l-l. bis 18. Mai überraschende und lehrreiche Zusammenstellungen machte. Auch auf die Er¬ klärungen der einzelnen Bundestagsgesandter wollen wir nicht näher eingehen. Die meisten Regierungen faßten die Angelegenheit als ihre eigne Parteisache auf. Sie charatterismen damit ihr häusliches Verhältniß zum constitutionellen Leben. Sehr bemerkenswerth ist es deshalb, daß Würtemberg geltenv machte, die landstänbische Verfassung, von welcher die Bundesacte rede, >el keineswegs ausschließlich von der altständischen zu verstehen, und baß Baden in dem Votum vom 12. April erklärte, die hannoverschen Ritterschaften besitzen alt¬ hergebrachtes ständisches Recht, das nicht ohne ihre Zustimmung aufgehoben werden dürfe; allein die Art der Ausübung dieses Rechts hänge von der all¬ gemeinen Gesetzgebung ab und die Ritterschaften könnten nicht verlangen, daß bie ihnen einzuräumende Vertretung nothwendig in der ersten Kammer statt¬ finden müsse. Genug, der Bundesbeschluß vom 12. und vom 19. April ist erfolgt. Ein Buudeseommissar war, wie es heißt, in Hannover abgelehnt und so überläßt jener Beschluß der hannoverschen Negierung die Verfassungsrevision. Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/471>, abgerufen am 25.08.2024.