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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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frohlockte der Adel, indem er hoffte, die längst unhaltbar gewordenen Eremtionen
nochmals zu stärken. Mit kurzsichtigen Eifer ergriff man die Gelegenheit, die
Jagdgesetze im adligen Sinne umzugestalten und den Bauer zu drücken, ohne
doch die Ablösung der Grundlasten hemmen zu können. Man war übermüthig
genug, durch das siegreiche Eindringen in die Staatsstellen den allen adligen
Herren an Bildung mindestens gleichstehenden. bürgerlichen Beamtenstand zu
beleidigen und es fehlte nicht an Leichtsinn, die königliche Kasse von der
Staatskasse zu trennen, um ohne ständische Controle über jene verfügen zu
können. Man hatte es aber 184-7 auch schon dahin gebracht, daß die könig¬
liche Kasse fast nicht mehr allein bestehen konnte! Für stark hielt sich der Adel,
weil er großen Einfluß bei Hofe besaß und politische Rechte bewahrte er sich,
um sie zu vernachlässigen.

So haben sich die Stärke und Schlauheit, als sie eine Probe bestehen
sollten, schlecht bewährt. Sobald die Statistik reden durfte, ergab sich der
wahre Grund, warum der Adel sich nie schmollend auf seine Stammgüter
zurückzog, sondern unter allen Umständen gern königlicher Diener war. Und
als der Edelmann aufgerüttelt vor der Nation reden sollte,, gab er statt der
Beweismittel schwungvolle Redensarten; wie alle andern Ungeübten.

Bon 8 Millionen Morgen Ackerland und Forsten sind 6 Millionen auf
Bürger und Bauern zu, rechnen, IV2 Million auf das Domänengut und kaum
l/2 Million auf Rittergüter. Es ist niederschlagend, zu sagen, wie die Ritter¬
güter heruntergekommen waren. Ein Fünftel derselben hatte nicht die Größe
eines ansehnlichen Bauerhofs; ein Sechstel erreichte nur diesen. Von 19 Gütern
wurde gar keine Grundsteuer gezahlt; 77 blieben dabei unter 10 Thalern; 79
zahlen 10--25 Thlr.; 137 23--30 Thlr.; 223 30--100 Thlr.; 197
100--200 Thlr.; 91 200--300 Thlr; 19 300--1000 Thlr.; und nur 3
über 1000 Thlr. Die Grundsteuer dieser Rittergüter beträgt, indem acht Ma¬
joratsherrn zusammen 11,271 Thlr. steuern, im Ganzen 90,637 Thlr.; während
außerdem noch 1,-l31,043 Thlr. an Grundsteuer im Lande aufgebracht werden.
Ucbermäßig grosz sind demnach die Mittel nicht, um dem hannoverschen Edel¬
mann ausgesuchte Erziehung, wissenschaftliche Bildung, unabhängige Stel¬
lung und weiten freien Gesichtskreis, welche für den Gesetzgeber gefordert
werden, zu verschaffen. Außerdem fehlt dem geringen Besitz -- mit Ausnahme
des Herzogthums Bremen -- selbst noch die aristokratische Organisation, welche
sich z. B. der Bauernstand der Nordseemarschen in hohem Grade bewahrt hat.
Bon feudalen Vorrechten, Patrimonialgerichten und dergleichen gibt es nur
noch schwache Fragmente. Während man in Preußen dem Bürgerstande vor
Zeiten den Ankauf von Rittergütern untersagen konnte, sind in den althanno,-
versehen Ritterschaften auch die bürgerlichen Gutsbesitzer stets stimmberechtigt
geblieben. Von jenem ursprünglich schönen Verhältniß, das sich die bäuerliche


Grenzboten. II. 1W. 38

frohlockte der Adel, indem er hoffte, die längst unhaltbar gewordenen Eremtionen
nochmals zu stärken. Mit kurzsichtigen Eifer ergriff man die Gelegenheit, die
Jagdgesetze im adligen Sinne umzugestalten und den Bauer zu drücken, ohne
doch die Ablösung der Grundlasten hemmen zu können. Man war übermüthig
genug, durch das siegreiche Eindringen in die Staatsstellen den allen adligen
Herren an Bildung mindestens gleichstehenden. bürgerlichen Beamtenstand zu
beleidigen und es fehlte nicht an Leichtsinn, die königliche Kasse von der
Staatskasse zu trennen, um ohne ständische Controle über jene verfügen zu
können. Man hatte es aber 184-7 auch schon dahin gebracht, daß die könig¬
liche Kasse fast nicht mehr allein bestehen konnte! Für stark hielt sich der Adel,
weil er großen Einfluß bei Hofe besaß und politische Rechte bewahrte er sich,
um sie zu vernachlässigen.

So haben sich die Stärke und Schlauheit, als sie eine Probe bestehen
sollten, schlecht bewährt. Sobald die Statistik reden durfte, ergab sich der
wahre Grund, warum der Adel sich nie schmollend auf seine Stammgüter
zurückzog, sondern unter allen Umständen gern königlicher Diener war. Und
als der Edelmann aufgerüttelt vor der Nation reden sollte,, gab er statt der
Beweismittel schwungvolle Redensarten; wie alle andern Ungeübten.

Bon 8 Millionen Morgen Ackerland und Forsten sind 6 Millionen auf
Bürger und Bauern zu, rechnen, IV2 Million auf das Domänengut und kaum
l/2 Million auf Rittergüter. Es ist niederschlagend, zu sagen, wie die Ritter¬
güter heruntergekommen waren. Ein Fünftel derselben hatte nicht die Größe
eines ansehnlichen Bauerhofs; ein Sechstel erreichte nur diesen. Von 19 Gütern
wurde gar keine Grundsteuer gezahlt; 77 blieben dabei unter 10 Thalern; 79
zahlen 10—25 Thlr.; 137 23—30 Thlr.; 223 30—100 Thlr.; 197
100—200 Thlr.; 91 200—300 Thlr; 19 300—1000 Thlr.; und nur 3
über 1000 Thlr. Die Grundsteuer dieser Rittergüter beträgt, indem acht Ma¬
joratsherrn zusammen 11,271 Thlr. steuern, im Ganzen 90,637 Thlr.; während
außerdem noch 1,-l31,043 Thlr. an Grundsteuer im Lande aufgebracht werden.
Ucbermäßig grosz sind demnach die Mittel nicht, um dem hannoverschen Edel¬
mann ausgesuchte Erziehung, wissenschaftliche Bildung, unabhängige Stel¬
lung und weiten freien Gesichtskreis, welche für den Gesetzgeber gefordert
werden, zu verschaffen. Außerdem fehlt dem geringen Besitz — mit Ausnahme
des Herzogthums Bremen — selbst noch die aristokratische Organisation, welche
sich z. B. der Bauernstand der Nordseemarschen in hohem Grade bewahrt hat.
Bon feudalen Vorrechten, Patrimonialgerichten und dergleichen gibt es nur
noch schwache Fragmente. Während man in Preußen dem Bürgerstande vor
Zeiten den Ankauf von Rittergütern untersagen konnte, sind in den althanno,-
versehen Ritterschaften auch die bürgerlichen Gutsbesitzer stets stimmberechtigt
geblieben. Von jenem ursprünglich schönen Verhältniß, das sich die bäuerliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/465>, abgerufen am 26.08.2024.