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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Leistungen, die türkische Armee schlugfertig zu machen, das Prädicat eines
genialen Feldherrn Vorzuenthalten, oder im Nestor der jetzt lebenden militärischen
Größen, im Heldengreis Radetzky nicht den Meister anerkennen zu wollen, der
es versteht, wie man in allen Zeiten, unter allen Umständen Krieg, führen soll.

Um des Erfolgs bei großen militärischen Operationen gewiß zu sein,
soll der Anführer nicht sowol der zur Ausführung erforderlichen physischen
und numerischen, sondern auch der seinen Truppen innewohnenden mora¬
lischen Kräfte sich völlig bewußt sein! Man wird nicht in Abrede stellen
können, daß sowenig als dem Feldmarschall Radetzky, so den vormaligen
napoleonischen Generalen,, besonders den selbständigen Divisionscommandan¬
ten diese Kenntniß abging. Alle jene aus der Schule des gewaltigen Kriegs¬
fürsten hervorgegangene Männer trugen einen Namen in der Armee, den
sie sich zunächst dadurch erworben, daß sie die ihnen zu Gebote stehenden'
Mittel bis zum Aeußersten in Anwendung zu bringen verstanden, ohne sie zu
erschöpfen, wie eS sehr oft durch ein übelängebrachteö Zaudern geschieht.
Freilich war die Ausführung der scheinbar verwegensten Unternehmungen durch
die allergenaueste Terrainkunde unterstützt, deren Mangel man vielseitig jetzt
denen zur Last legt, welche zu den Krimoperationen den Plan entworfen haben;
auch wurden Konferenzen und diplomatische Verhandlung nur selten für sie zu
Hemmnissen, sobald sie einmal zu einem großen Schlage die Befehle ertheilt
hatten. Die Bewegungen der großen französischen Armee waren so genau be¬
rechnet, daß ihrem siegreichen Vordringen gewöhnlich nur durch ein zu ihre"
Gunsten in Aussicht stehendes Ereigniß Halt geboten werden konnte. Wo
aber der Kaiser sich zu Unterhandlungen herbeiließ, da bezeichnete deren Auo-
gang gewöhnlich ein neuer Abschnitt in der Weltgeschichte.

Imposant und lehrreich für alle, welche dem Kriege ihre Dienste ge¬
widmet haben, bleibt die von Napoleon I. befolgte Kriegführung, deren Haupt-
stärke darin bestand, Keil auf Keil zu treiben, bis die gänzliche Spaltung
eines ihm im Wege stehenden Hindernisses .erfolgt war. Wir haben gesehen,
welche Wirkung 80 Geschütze in Batterie auf einen Punkt gerichtet, welchen
Erfolg der Sturmritt von zwölf schweren Reiterregimentern auf eine Batterie
von ebensoviel Kanonen in einer Feldschlacht hervorbrachte! Und dieses Glück
blieb dem Kaiser treu in zwanzig für ihn glorreichen Kriegsjahren, bis nach'
der Eroberung von Moskau die Schwäche über ihn kam, den ferneren Erfolg
seiner Unternehmungen von diplomatischen Verhandlungen abhängig zu machen.
Es entstand dadurch in den Bewegungen der französischen Heeresabtheilungen
jene allgemeine Stockung, wodurch dem Feinde neue Kräfte erwuchsen Und
Rußlands stillschweigende Verbündete allmälig in die Stellungen einrückten,


OperativnövasiL verdrängt sah, sondern anch dessen langes Beanstanden, die unter leinen Be¬
fehlen stehende Armee an bei> Versuchen in ver ^rim iheilnehmen zu lasse". >

Leistungen, die türkische Armee schlugfertig zu machen, das Prädicat eines
genialen Feldherrn Vorzuenthalten, oder im Nestor der jetzt lebenden militärischen
Größen, im Heldengreis Radetzky nicht den Meister anerkennen zu wollen, der
es versteht, wie man in allen Zeiten, unter allen Umständen Krieg, führen soll.

Um des Erfolgs bei großen militärischen Operationen gewiß zu sein,
soll der Anführer nicht sowol der zur Ausführung erforderlichen physischen
und numerischen, sondern auch der seinen Truppen innewohnenden mora¬
lischen Kräfte sich völlig bewußt sein! Man wird nicht in Abrede stellen
können, daß sowenig als dem Feldmarschall Radetzky, so den vormaligen
napoleonischen Generalen,, besonders den selbständigen Divisionscommandan¬
ten diese Kenntniß abging. Alle jene aus der Schule des gewaltigen Kriegs¬
fürsten hervorgegangene Männer trugen einen Namen in der Armee, den
sie sich zunächst dadurch erworben, daß sie die ihnen zu Gebote stehenden'
Mittel bis zum Aeußersten in Anwendung zu bringen verstanden, ohne sie zu
erschöpfen, wie eS sehr oft durch ein übelängebrachteö Zaudern geschieht.
Freilich war die Ausführung der scheinbar verwegensten Unternehmungen durch
die allergenaueste Terrainkunde unterstützt, deren Mangel man vielseitig jetzt
denen zur Last legt, welche zu den Krimoperationen den Plan entworfen haben;
auch wurden Konferenzen und diplomatische Verhandlung nur selten für sie zu
Hemmnissen, sobald sie einmal zu einem großen Schlage die Befehle ertheilt
hatten. Die Bewegungen der großen französischen Armee waren so genau be¬
rechnet, daß ihrem siegreichen Vordringen gewöhnlich nur durch ein zu ihre»
Gunsten in Aussicht stehendes Ereigniß Halt geboten werden konnte. Wo
aber der Kaiser sich zu Unterhandlungen herbeiließ, da bezeichnete deren Auo-
gang gewöhnlich ein neuer Abschnitt in der Weltgeschichte.

Imposant und lehrreich für alle, welche dem Kriege ihre Dienste ge¬
widmet haben, bleibt die von Napoleon I. befolgte Kriegführung, deren Haupt-
stärke darin bestand, Keil auf Keil zu treiben, bis die gänzliche Spaltung
eines ihm im Wege stehenden Hindernisses .erfolgt war. Wir haben gesehen,
welche Wirkung 80 Geschütze in Batterie auf einen Punkt gerichtet, welchen
Erfolg der Sturmritt von zwölf schweren Reiterregimentern auf eine Batterie
von ebensoviel Kanonen in einer Feldschlacht hervorbrachte! Und dieses Glück
blieb dem Kaiser treu in zwanzig für ihn glorreichen Kriegsjahren, bis nach'
der Eroberung von Moskau die Schwäche über ihn kam, den ferneren Erfolg
seiner Unternehmungen von diplomatischen Verhandlungen abhängig zu machen.
Es entstand dadurch in den Bewegungen der französischen Heeresabtheilungen
jene allgemeine Stockung, wodurch dem Feinde neue Kräfte erwuchsen Und
Rußlands stillschweigende Verbündete allmälig in die Stellungen einrückten,


OperativnövasiL verdrängt sah, sondern anch dessen langes Beanstanden, die unter leinen Be¬
fehlen stehende Armee an bei> Versuchen in ver ^rim iheilnehmen zu lasse». >
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/416>, abgerufen am 01.10.2024.