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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Praga und Motum, andererseits zwischen Warschau und dieser Festung einzu¬
schieben, so wird damit das Geschick der Russen in Warschau besiegelt sein,
und es erscheint wenig wahrscheinlich^ daß sie es bis dahin kommen lassen
werden. Im Gegentheil glaube ich annehmen zu dürfen, daß, falls sie sich
auf ein Standhalten an der Weichsel einließen, sie doch den weiteren Kreis
schon nicht zum Schluß kommen lassen, und auf einer der beiden Straßen,
welche dem Bug und Narew entlang führen, herauszubrechen versuchen werden,
um ihre Reserven in> Lithauen zu gewinnen. Wahrscheinlich wird ein Aus¬
harren mit der Feldarmee unter den Werken von Warschau und Motum nur
dann, wenn es, wie leicht möglich, dem Angriff an Kräften mangeln sollte,
um den Kreis zu schließen. Dieses ist aber unter allen Umständen der Fall,
wenn Oestreich ohne Beihilfe des deutschen Bundes zu agiren hat, oder im
Süden, an der unteren Donau, nicht ein Arrangement zu Stande kommt,
vermöge dessen Frankreich und die Türkei hier die Hauptausgabe übernehmen
und das wiener Cabinet von dort her zwei Armeecorps abberufen kann, um
sie mit den in Polen vperirenden vier zu vereinigen, mithin den Krieg an der
Weichsel mit sechs Armeecorps zu führen. In diesem letzteren Fall könnte man
den Feldzug mit drei Massen, in der oben auseinandergelegten Art und Weise,
und von denen eine jede zwei Armeecorps umfassen würde, eröffnen. Die Ob-
servationSarmee hätte sich zwar bei Siedlce zu theilen, indem dort eines ihrer
beiden Corps verbleiben müßte, aber im engen Anschluß an die rechtöwärtige
Operationsarmee, welche ihre zwei-Corps ungecheilt zusammenhielte, hätte sie
nicht viel zu fürchten. In der letzten Periode würde diese rechiswärtige Ope-
ratiousmasse die Hauptarmeegruppe ausmachen, und insofern die Hauptaufgabe
lösen, als sie dem Feind den Rückmarsch auf seiner kürzesten Verbindungslinie
(über Siedlce nach Brescz Litewski) abschnitt. Das am weitesten vorgeschobene
Corps der Observationsarmee hielte sich dicht vor Sierock und während die
linkswärtige Opercuionsmasse eines ihrer Armeecorps vor Warschau beließ,
würde sie das andere nach Wvszvgrod legen.

Wie man sieht ist die Stärke der russischen Stellung in Polen haupt¬
sachlich ein Resultat/der Abschnittsuatur des Landes, welche wieder aus den
breiten Stromläufen der Weichsel, des Bug und Narew, und der in Weich¬
land laufenden Bzura sich ergibt. Rußland würde diese großen Vortheile
ungenützt lassen, wenn es bei Eröffnung der Campagne mit seiner Feldarmee
bis BreScz Litewski zurückwiche. Andererseits läuft es Gefahr, dieselbe bis
auf den letzten Mann gefangen zu sehen, wenn in der Art, wie es oben ent¬
wickelt wurde, der Kreis um Warschau und Motum sich jemals schließen und
ein Durchbrechen, um die Vertheidiguugöbasis in Lithauen zu gewinnen, nicht
gelingen sollte.

Für daS letztgedachte Arrangement, wonach Oestreich die Kriegführung in


Praga und Motum, andererseits zwischen Warschau und dieser Festung einzu¬
schieben, so wird damit das Geschick der Russen in Warschau besiegelt sein,
und es erscheint wenig wahrscheinlich^ daß sie es bis dahin kommen lassen
werden. Im Gegentheil glaube ich annehmen zu dürfen, daß, falls sie sich
auf ein Standhalten an der Weichsel einließen, sie doch den weiteren Kreis
schon nicht zum Schluß kommen lassen, und auf einer der beiden Straßen,
welche dem Bug und Narew entlang führen, herauszubrechen versuchen werden,
um ihre Reserven in> Lithauen zu gewinnen. Wahrscheinlich wird ein Aus¬
harren mit der Feldarmee unter den Werken von Warschau und Motum nur
dann, wenn es, wie leicht möglich, dem Angriff an Kräften mangeln sollte,
um den Kreis zu schließen. Dieses ist aber unter allen Umständen der Fall,
wenn Oestreich ohne Beihilfe des deutschen Bundes zu agiren hat, oder im
Süden, an der unteren Donau, nicht ein Arrangement zu Stande kommt,
vermöge dessen Frankreich und die Türkei hier die Hauptausgabe übernehmen
und das wiener Cabinet von dort her zwei Armeecorps abberufen kann, um
sie mit den in Polen vperirenden vier zu vereinigen, mithin den Krieg an der
Weichsel mit sechs Armeecorps zu führen. In diesem letzteren Fall könnte man
den Feldzug mit drei Massen, in der oben auseinandergelegten Art und Weise,
und von denen eine jede zwei Armeecorps umfassen würde, eröffnen. Die Ob-
servationSarmee hätte sich zwar bei Siedlce zu theilen, indem dort eines ihrer
beiden Corps verbleiben müßte, aber im engen Anschluß an die rechtöwärtige
Operationsarmee, welche ihre zwei-Corps ungecheilt zusammenhielte, hätte sie
nicht viel zu fürchten. In der letzten Periode würde diese rechiswärtige Ope-
ratiousmasse die Hauptarmeegruppe ausmachen, und insofern die Hauptaufgabe
lösen, als sie dem Feind den Rückmarsch auf seiner kürzesten Verbindungslinie
(über Siedlce nach Brescz Litewski) abschnitt. Das am weitesten vorgeschobene
Corps der Observationsarmee hielte sich dicht vor Sierock und während die
linkswärtige Opercuionsmasse eines ihrer Armeecorps vor Warschau beließ,
würde sie das andere nach Wvszvgrod legen.

Wie man sieht ist die Stärke der russischen Stellung in Polen haupt¬
sachlich ein Resultat/der Abschnittsuatur des Landes, welche wieder aus den
breiten Stromläufen der Weichsel, des Bug und Narew, und der in Weich¬
land laufenden Bzura sich ergibt. Rußland würde diese großen Vortheile
ungenützt lassen, wenn es bei Eröffnung der Campagne mit seiner Feldarmee
bis BreScz Litewski zurückwiche. Andererseits läuft es Gefahr, dieselbe bis
auf den letzten Mann gefangen zu sehen, wenn in der Art, wie es oben ent¬
wickelt wurde, der Kreis um Warschau und Motum sich jemals schließen und
ein Durchbrechen, um die Vertheidiguugöbasis in Lithauen zu gewinnen, nicht
gelingen sollte.

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[0319] Praga und Motum, andererseits zwischen Warschau und dieser Festung einzu¬ schieben, so wird damit das Geschick der Russen in Warschau besiegelt sein, und es erscheint wenig wahrscheinlich^ daß sie es bis dahin kommen lassen werden. Im Gegentheil glaube ich annehmen zu dürfen, daß, falls sie sich auf ein Standhalten an der Weichsel einließen, sie doch den weiteren Kreis schon nicht zum Schluß kommen lassen, und auf einer der beiden Straßen, welche dem Bug und Narew entlang führen, herauszubrechen versuchen werden, um ihre Reserven in> Lithauen zu gewinnen. Wahrscheinlich wird ein Aus¬ harren mit der Feldarmee unter den Werken von Warschau und Motum nur dann, wenn es, wie leicht möglich, dem Angriff an Kräften mangeln sollte, um den Kreis zu schließen. Dieses ist aber unter allen Umständen der Fall, wenn Oestreich ohne Beihilfe des deutschen Bundes zu agiren hat, oder im Süden, an der unteren Donau, nicht ein Arrangement zu Stande kommt, vermöge dessen Frankreich und die Türkei hier die Hauptausgabe übernehmen und das wiener Cabinet von dort her zwei Armeecorps abberufen kann, um sie mit den in Polen vperirenden vier zu vereinigen, mithin den Krieg an der Weichsel mit sechs Armeecorps zu führen. In diesem letzteren Fall könnte man den Feldzug mit drei Massen, in der oben auseinandergelegten Art und Weise, und von denen eine jede zwei Armeecorps umfassen würde, eröffnen. Die Ob- servationSarmee hätte sich zwar bei Siedlce zu theilen, indem dort eines ihrer beiden Corps verbleiben müßte, aber im engen Anschluß an die rechtöwärtige Operationsarmee, welche ihre zwei-Corps ungecheilt zusammenhielte, hätte sie nicht viel zu fürchten. In der letzten Periode würde diese rechiswärtige Ope- ratiousmasse die Hauptarmeegruppe ausmachen, und insofern die Hauptaufgabe lösen, als sie dem Feind den Rückmarsch auf seiner kürzesten Verbindungslinie (über Siedlce nach Brescz Litewski) abschnitt. Das am weitesten vorgeschobene Corps der Observationsarmee hielte sich dicht vor Sierock und während die linkswärtige Opercuionsmasse eines ihrer Armeecorps vor Warschau beließ, würde sie das andere nach Wvszvgrod legen. Wie man sieht ist die Stärke der russischen Stellung in Polen haupt¬ sachlich ein Resultat/der Abschnittsuatur des Landes, welche wieder aus den breiten Stromläufen der Weichsel, des Bug und Narew, und der in Weich¬ land laufenden Bzura sich ergibt. Rußland würde diese großen Vortheile ungenützt lassen, wenn es bei Eröffnung der Campagne mit seiner Feldarmee bis BreScz Litewski zurückwiche. Andererseits läuft es Gefahr, dieselbe bis auf den letzten Mann gefangen zu sehen, wenn in der Art, wie es oben ent¬ wickelt wurde, der Kreis um Warschau und Motum sich jemals schließen und ein Durchbrechen, um die Vertheidiguugöbasis in Lithauen zu gewinnen, nicht gelingen sollte. Für daS letztgedachte Arrangement, wonach Oestreich die Kriegführung in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/319>, abgerufen am 22.07.2024.