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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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mauzen zu Pferde, im raschen Hin- und Zurückreiten, lange Züge von Packpferden,
die theils leer, nur mit ihren hölzernen Packsätteln auf dem Rücken aus dem
Lager nach der Stadt zurückkehrten, theils bepackt sich dorthin bewegten; die
Treiber waren türkische Zech oder Pferdeknechte. Nebenher gingen französische
Soldaten im vollständigen Marschanzuge und aus ihrer Unterhaltung konnte
man schließen, daß sie vor kurzem erst aus Frankreich hier angekommen
waren. An ihren Mützen bemerkte ich die Nummern 32 und 47. Auch Marine¬
offiziere zu Pferde kamen und gingen, wiewol in geringer Zahl. Dann und
wann stieß ich auf einen Ochsenwagen, der hoch mit militärischen Effecten, zumeist
mit schwarz angestrichenen und eisenbeschlagenen Koffern und Kisten beladen
war. Andre Wagen führten Möbeln einer rohen Gattung, die man hier
unter dem -Namen der griechischen Arbeit kennt; es waren Stühle und Bänke
oder Mattensophas, alle mit steilen Lehnen und bunt, blau oder grün mit.
roth angestrichen. Ich bemerkte nur wenig Marketender- und Verkäuferfuhr¬
werke und schloß daraus im voraus, daß die Zahl der im Lager stehenden
Truppen leider noch nicht sehr bedeutend sein möge.

Eine halbe Stunde von den Äußern Stadttheilen Peras entfernt,
kommt man auf der großen Straße an einem Wachtposten, dem Wachthause
von Sindschirli Kuju, vorüber. Es ist dies eine bedeutungsvolle Position,
auf deren Wichtigkeit, wenn ich nicht irre, zuerst der preußische General¬
stabsoberst von Moltke, der während fünf Jahren im Dienste der Pforte stand,
aufmerksam gemacht hat. Hier nähern sich nämlich zwei weite und tiefe Thal¬
schluchten, von denen die eine ein Querthal der süßen Gewässer, die andere ein
Querthal des Bosporus ist, ziemlich nahe einander lind machen es möglich,
das rückgelegene Plateau, auf dessen Hängen zum Goldhorn hin Per", Ga-
lata u. s. w. liegen, durch eine Frontlinie von der Spannweite einer Division
zu vertheidigen, indem dieselbe ihren linken Flügel an die Schlucht der süßen
Gewässer, den andern an die des Bosporus anlehnen könnte. Es ist klar,
daß eine solche Position sich einer Befestigung von Konstantinopel zugleich als
Knotenpunkt empfehlen würde und daß, wer hier sich festsetzen will, selbstredend
ein großes Gewicht auf sie zu legen hat. Von diesem Gesichtspunkte aus
hatte ich dem Gerücht, daß die Franzosen außer dem massiven Kasernenbau
bei Daub Pascha, über den vor einem halben Monat die Sage ging, einen
andern ähnlichen in der Nähe jenes Wachthauses beabsichtigten und daß bereits
Anstalten behuf eines solchen getroffen würden, eine leicht zu erklärende Auf¬
merksamkeit geschenkt. Bei meiner Annäherung an den fraglichen Punkt glaubte
ich schon Erdarbeiten zu diesem Behufe zu erkennen, später indeß fand ich, daß
dieselben nur zur Herstellung von Brunnen, wie solche bei einem Stationö-
punkte aus einer längeren Straße unentbehrlich sind, unternommen worden
waren.


mauzen zu Pferde, im raschen Hin- und Zurückreiten, lange Züge von Packpferden,
die theils leer, nur mit ihren hölzernen Packsätteln auf dem Rücken aus dem
Lager nach der Stadt zurückkehrten, theils bepackt sich dorthin bewegten; die
Treiber waren türkische Zech oder Pferdeknechte. Nebenher gingen französische
Soldaten im vollständigen Marschanzuge und aus ihrer Unterhaltung konnte
man schließen, daß sie vor kurzem erst aus Frankreich hier angekommen
waren. An ihren Mützen bemerkte ich die Nummern 32 und 47. Auch Marine¬
offiziere zu Pferde kamen und gingen, wiewol in geringer Zahl. Dann und
wann stieß ich auf einen Ochsenwagen, der hoch mit militärischen Effecten, zumeist
mit schwarz angestrichenen und eisenbeschlagenen Koffern und Kisten beladen
war. Andre Wagen führten Möbeln einer rohen Gattung, die man hier
unter dem -Namen der griechischen Arbeit kennt; es waren Stühle und Bänke
oder Mattensophas, alle mit steilen Lehnen und bunt, blau oder grün mit.
roth angestrichen. Ich bemerkte nur wenig Marketender- und Verkäuferfuhr¬
werke und schloß daraus im voraus, daß die Zahl der im Lager stehenden
Truppen leider noch nicht sehr bedeutend sein möge.

Eine halbe Stunde von den Äußern Stadttheilen Peras entfernt,
kommt man auf der großen Straße an einem Wachtposten, dem Wachthause
von Sindschirli Kuju, vorüber. Es ist dies eine bedeutungsvolle Position,
auf deren Wichtigkeit, wenn ich nicht irre, zuerst der preußische General¬
stabsoberst von Moltke, der während fünf Jahren im Dienste der Pforte stand,
aufmerksam gemacht hat. Hier nähern sich nämlich zwei weite und tiefe Thal¬
schluchten, von denen die eine ein Querthal der süßen Gewässer, die andere ein
Querthal des Bosporus ist, ziemlich nahe einander lind machen es möglich,
das rückgelegene Plateau, auf dessen Hängen zum Goldhorn hin Per«, Ga-
lata u. s. w. liegen, durch eine Frontlinie von der Spannweite einer Division
zu vertheidigen, indem dieselbe ihren linken Flügel an die Schlucht der süßen
Gewässer, den andern an die des Bosporus anlehnen könnte. Es ist klar,
daß eine solche Position sich einer Befestigung von Konstantinopel zugleich als
Knotenpunkt empfehlen würde und daß, wer hier sich festsetzen will, selbstredend
ein großes Gewicht auf sie zu legen hat. Von diesem Gesichtspunkte aus
hatte ich dem Gerücht, daß die Franzosen außer dem massiven Kasernenbau
bei Daub Pascha, über den vor einem halben Monat die Sage ging, einen
andern ähnlichen in der Nähe jenes Wachthauses beabsichtigten und daß bereits
Anstalten behuf eines solchen getroffen würden, eine leicht zu erklärende Auf¬
merksamkeit geschenkt. Bei meiner Annäherung an den fraglichen Punkt glaubte
ich schon Erdarbeiten zu diesem Behufe zu erkennen, später indeß fand ich, daß
dieselben nur zur Herstellung von Brunnen, wie solche bei einem Stationö-
punkte aus einer längeren Straße unentbehrlich sind, unternommen worden
waren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/182>, abgerufen am 01.10.2024.