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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Vorwurf, sich geirrt zu haben, wiegt aber -- und das sollt? der Kaiser der
Franzosen in der heutigen Stunde wohl beachten -- nicht 'o schwer, wie der:
den bewußten Irrthum nicht verbessert zu haben.

In Hinsicht auf das numerische Verhältniß der verschiedenen Waffengat¬
tungen untereinander ist es mir auffällig erschienen, daß die Artillerie über¬
raschend schwach sich vertreten findet. Man hat im Durchschnitt feder Division
nur zwei Batterien -i, 6 Geschütze beigegeben, was, da für die Gesammtarmee
seine besondere Reserveartillerie formirt ist, auffallend wenig, ist. Die Division'
hat nach den Listen einen Effeetivbestand von 11,000 Mann. Bei dem starken
Abgang im Felde kann man indeß kaum mehr als 8000 Combattanten rechnen.
Mithin kommen ans je 2000 Mann drei Geschütze, oder auf 1000 Mann
deren 1'/^, was weit unter den Annahmen zurückbleibt, die man am Schluß
der großen napoleonischen Kriege für giltig angenommen hatte. Damals,
d. h. etwa im Jahre 1813, wa-r eS allgemein anerkannte Reges, daß man auf
1000 Mann Infanterie 2^/2 Geschütze und auf 1000 Mann Cavalcri'e Z--4
zu rechnen habe. Napoleon 1. selbst hatte darüber in seinen späteren Jahren
Grundsätze angenommen, die bedeutend von den durch das heutige Frankreich
zur Anwendung gebrachten abweichen. Er wollte im Durchschnitt für je
1000 Mann drei Geschütze. Ein Armeecorps sollte seiner Ansicht nach die
Starke von 40,000 Mann erreichen und eine Feldartillerie von 120 Stuck mit
sich führen, die er sich in fünfzehn Batterien zu acht Geschützen eingetheilt
dachte. Von diesen gab er feder der vier Infanteriedivisionen des Armeecorps
zwei Batterien, d. h. 16 Stück, den drei Cavaleriedivisionen zusammen vier
reitende, und behielt die letzten drei schweren Batterien in Reserve. Mir
scheint, daß man in Preußen bei Organisation der neun Artillericrcgi'acuter,
welche den nenn Armeecorps entsprechen, hauptsächlich diesen Ideen gefolgt ist;
auch die Eintheilung und das Stärkenmaß der russischen Artillerie läßt die
Einwirkung der napoleonischen Ansichten nicht verkennen.

Die auffallende Erscheinung, welche die nur 12 Geschütze auf eine Divi¬
sion d. h. auf 8000 Mann Combattanten in der Krimarmee Frankreichs dar¬
bieten, suchte ich mir durch die Schwierigkeiten, welche die Artillerie beim See¬
transport darbietet, zu erklären. Auch.Napoleon l. hat unter solchen Umständen
das Maß seiner Lieblingswaffe beschränkt. Für die 40/000 Mann, mit denen
er im Mai 1798 nach Aegypten segelte, nahm er nur 60 Kanonen ohne Be¬
spannung mit; und beim kühnen Zuge über den Se. Bernhard ließ er s1800)
seine 30,000 Mann starke Armee ebenfalls nur von 60 Geschützen begleiten.
Allein die neuerdings ins Werk gesetzte Organisation der aus fünf Infanterie-
und drei Eavaleriedivisionen bestehenden Ostarmce beweist, daß Kaiser Napo¬
leon lit. die Minderzahl der Artillerie, im Gegensatz zum seitherigen Gebrauch,
als Grundsatz angenommen hat. Es ist dies eine Neuerung in der Zusammen-


Vorwurf, sich geirrt zu haben, wiegt aber — und das sollt? der Kaiser der
Franzosen in der heutigen Stunde wohl beachten — nicht 'o schwer, wie der:
den bewußten Irrthum nicht verbessert zu haben.

In Hinsicht auf das numerische Verhältniß der verschiedenen Waffengat¬
tungen untereinander ist es mir auffällig erschienen, daß die Artillerie über¬
raschend schwach sich vertreten findet. Man hat im Durchschnitt feder Division
nur zwei Batterien -i, 6 Geschütze beigegeben, was, da für die Gesammtarmee
seine besondere Reserveartillerie formirt ist, auffallend wenig, ist. Die Division'
hat nach den Listen einen Effeetivbestand von 11,000 Mann. Bei dem starken
Abgang im Felde kann man indeß kaum mehr als 8000 Combattanten rechnen.
Mithin kommen ans je 2000 Mann drei Geschütze, oder auf 1000 Mann
deren 1'/^, was weit unter den Annahmen zurückbleibt, die man am Schluß
der großen napoleonischen Kriege für giltig angenommen hatte. Damals,
d. h. etwa im Jahre 1813, wa-r eS allgemein anerkannte Reges, daß man auf
1000 Mann Infanterie 2^/2 Geschütze und auf 1000 Mann Cavalcri'e Z—4
zu rechnen habe. Napoleon 1. selbst hatte darüber in seinen späteren Jahren
Grundsätze angenommen, die bedeutend von den durch das heutige Frankreich
zur Anwendung gebrachten abweichen. Er wollte im Durchschnitt für je
1000 Mann drei Geschütze. Ein Armeecorps sollte seiner Ansicht nach die
Starke von 40,000 Mann erreichen und eine Feldartillerie von 120 Stuck mit
sich führen, die er sich in fünfzehn Batterien zu acht Geschützen eingetheilt
dachte. Von diesen gab er feder der vier Infanteriedivisionen des Armeecorps
zwei Batterien, d. h. 16 Stück, den drei Cavaleriedivisionen zusammen vier
reitende, und behielt die letzten drei schweren Batterien in Reserve. Mir
scheint, daß man in Preußen bei Organisation der neun Artillericrcgi'acuter,
welche den nenn Armeecorps entsprechen, hauptsächlich diesen Ideen gefolgt ist;
auch die Eintheilung und das Stärkenmaß der russischen Artillerie läßt die
Einwirkung der napoleonischen Ansichten nicht verkennen.

Die auffallende Erscheinung, welche die nur 12 Geschütze auf eine Divi¬
sion d. h. auf 8000 Mann Combattanten in der Krimarmee Frankreichs dar¬
bieten, suchte ich mir durch die Schwierigkeiten, welche die Artillerie beim See¬
transport darbietet, zu erklären. Auch.Napoleon l. hat unter solchen Umständen
das Maß seiner Lieblingswaffe beschränkt. Für die 40/000 Mann, mit denen
er im Mai 1798 nach Aegypten segelte, nahm er nur 60 Kanonen ohne Be¬
spannung mit; und beim kühnen Zuge über den Se. Bernhard ließ er s1800)
seine 30,000 Mann starke Armee ebenfalls nur von 60 Geschützen begleiten.
Allein die neuerdings ins Werk gesetzte Organisation der aus fünf Infanterie-
und drei Eavaleriedivisionen bestehenden Ostarmce beweist, daß Kaiser Napo¬
leon lit. die Minderzahl der Artillerie, im Gegensatz zum seitherigen Gebrauch,
als Grundsatz angenommen hat. Es ist dies eine Neuerung in der Zusammen-


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[0157] Vorwurf, sich geirrt zu haben, wiegt aber — und das sollt? der Kaiser der Franzosen in der heutigen Stunde wohl beachten — nicht 'o schwer, wie der: den bewußten Irrthum nicht verbessert zu haben. In Hinsicht auf das numerische Verhältniß der verschiedenen Waffengat¬ tungen untereinander ist es mir auffällig erschienen, daß die Artillerie über¬ raschend schwach sich vertreten findet. Man hat im Durchschnitt feder Division nur zwei Batterien -i, 6 Geschütze beigegeben, was, da für die Gesammtarmee seine besondere Reserveartillerie formirt ist, auffallend wenig, ist. Die Division' hat nach den Listen einen Effeetivbestand von 11,000 Mann. Bei dem starken Abgang im Felde kann man indeß kaum mehr als 8000 Combattanten rechnen. Mithin kommen ans je 2000 Mann drei Geschütze, oder auf 1000 Mann deren 1'/^, was weit unter den Annahmen zurückbleibt, die man am Schluß der großen napoleonischen Kriege für giltig angenommen hatte. Damals, d. h. etwa im Jahre 1813, wa-r eS allgemein anerkannte Reges, daß man auf 1000 Mann Infanterie 2^/2 Geschütze und auf 1000 Mann Cavalcri'e Z—4 zu rechnen habe. Napoleon 1. selbst hatte darüber in seinen späteren Jahren Grundsätze angenommen, die bedeutend von den durch das heutige Frankreich zur Anwendung gebrachten abweichen. Er wollte im Durchschnitt für je 1000 Mann drei Geschütze. Ein Armeecorps sollte seiner Ansicht nach die Starke von 40,000 Mann erreichen und eine Feldartillerie von 120 Stuck mit sich führen, die er sich in fünfzehn Batterien zu acht Geschützen eingetheilt dachte. Von diesen gab er feder der vier Infanteriedivisionen des Armeecorps zwei Batterien, d. h. 16 Stück, den drei Cavaleriedivisionen zusammen vier reitende, und behielt die letzten drei schweren Batterien in Reserve. Mir scheint, daß man in Preußen bei Organisation der neun Artillericrcgi'acuter, welche den nenn Armeecorps entsprechen, hauptsächlich diesen Ideen gefolgt ist; auch die Eintheilung und das Stärkenmaß der russischen Artillerie läßt die Einwirkung der napoleonischen Ansichten nicht verkennen. Die auffallende Erscheinung, welche die nur 12 Geschütze auf eine Divi¬ sion d. h. auf 8000 Mann Combattanten in der Krimarmee Frankreichs dar¬ bieten, suchte ich mir durch die Schwierigkeiten, welche die Artillerie beim See¬ transport darbietet, zu erklären. Auch.Napoleon l. hat unter solchen Umständen das Maß seiner Lieblingswaffe beschränkt. Für die 40/000 Mann, mit denen er im Mai 1798 nach Aegypten segelte, nahm er nur 60 Kanonen ohne Be¬ spannung mit; und beim kühnen Zuge über den Se. Bernhard ließ er s1800) seine 30,000 Mann starke Armee ebenfalls nur von 60 Geschützen begleiten. Allein die neuerdings ins Werk gesetzte Organisation der aus fünf Infanterie- und drei Eavaleriedivisionen bestehenden Ostarmce beweist, daß Kaiser Napo¬ leon lit. die Minderzahl der Artillerie, im Gegensatz zum seitherigen Gebrauch, als Grundsatz angenommen hat. Es ist dies eine Neuerung in der Zusammen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/157>, abgerufen am 01.10.2024.