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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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starbe, aber es ist nichtsdestoweniger gewiß, daß letztere unter sich keine stän¬
digen Racen zu erhalten vermögen. Da Vogts Darstellung hier eine Lücke
läßt, so wollen wir uns aus der kürzlich erschienenen Schrift eines Botanikers
weiter über die Schicksale der Bastarde unterrichten. (Jessen, Preisschrift über
die Lebensdauer der Gewächse. Breslau und Bonn 1833.)

Herbert, ein englischer Geistlicher, erzählt uns dieser, habe Scrupel dar¬
über empfunden, daß das Aussterben sovieler Pflanzenarten durch die Revo¬
lutionen der Erde und das Dasein sovieler jetzt lebender, welche in den
früheren Epochen der Erde nicht eristirt hätten, da sie nirgends in den fossilen
Ueberbleibseln ausgefunden würden -- daß dieses nicht mit den Worten der
mosaischen Schöpfungsgeschichte übereinstimme, nach denen die Gewächse alle
bei Erschaffung der Erde ungeschaffen seien, -- daß aber diese Uebereinstim¬
mung vorhanden sei, wenn man nachweisen könne, daß nicht die Art, sondern
eine höhere Abtheilung, die Classe oder Familie, die natürliche Begrenzung
unter den Pflanzen sei: in diesem Falle könnten nämlich aus einem damals
geschaffenen Repräsentanten alle einzelnen Arten entstanden sein. Seine Ver¬
suche aber, welche demnach, um den biblischen Mythus zu stützen (wie Wagner),
die historische Existenz der Arten umstoßen sollten (gegen Wagner), hatten das
gewünschte Resultat nicht, sondern ergaben, wie die früheren von Kölreuter
und die späteren von Gärtner die folgenden Gesetze der Bastardbildung:
1) Solche Bastarde, welche in ihrer Gestalt grade die Mitte zwischen den beiden
Arten halten, aus deren Kreuzung sie hervorgegangen sind, bilden selten oder
nie Samen; 2) wenn bei ihnen eine Befruchtung stattfinden soll, so muß dazu
der Blütenstaub einer der Stammpflanzen genommen werden; 3) andere Ba¬
starde, welche (meistens nicht durch eine, sondern durch wiederholte Kreuzung
entstanden) sich in ihrer Form einer der Stammpflanzen mehr nähern, können
theils durch ihren eignen Blütenstaub, besser aber noch durch eine der
Stammpflanzen befruchtet werden; immer aber ist die'Samenmenge eine viel
geringere, als die der Stammpflanzen; i) unter den Samen der Bastardpflan¬
zen sind eine auffallende Menge, und verhältnißmäßig viel mehr als bei reinen
Arten, unfähig zu keimen; 3) die aus solchen Samen hervorgehenden Säm¬
linge sind viel weniger kräftig, als die von reinen Arten herstammenden, ja
oft ganz lebensunfähig, wenn sie auch ein paar Blätter hervortreiben; 6) die
Sämlinge der Bastarde bringen sehr selten durch sich selbst Samen; wenn dies
der Fall ist, so können die hieraus hervorgehenden Sämlinge noch mehre
Generationen sich durch Samen fortpflanzen, aber in immer abnehmender
Menge, so daß sie nach einiger Zeit völlig aussterben; 7) die Sämlinge von
Bastarden sind nicht constant in ihrer Form, sondern von sehr verschiedener
Gestalt, indem die einzelnen in sehr verschiedenem Grade einer der Stamm¬
pflanzen sich zuneigen. Dies gilt sogar von den einzelnen Sämlingen, welche


starbe, aber es ist nichtsdestoweniger gewiß, daß letztere unter sich keine stän¬
digen Racen zu erhalten vermögen. Da Vogts Darstellung hier eine Lücke
läßt, so wollen wir uns aus der kürzlich erschienenen Schrift eines Botanikers
weiter über die Schicksale der Bastarde unterrichten. (Jessen, Preisschrift über
die Lebensdauer der Gewächse. Breslau und Bonn 1833.)

Herbert, ein englischer Geistlicher, erzählt uns dieser, habe Scrupel dar¬
über empfunden, daß das Aussterben sovieler Pflanzenarten durch die Revo¬
lutionen der Erde und das Dasein sovieler jetzt lebender, welche in den
früheren Epochen der Erde nicht eristirt hätten, da sie nirgends in den fossilen
Ueberbleibseln ausgefunden würden — daß dieses nicht mit den Worten der
mosaischen Schöpfungsgeschichte übereinstimme, nach denen die Gewächse alle
bei Erschaffung der Erde ungeschaffen seien, — daß aber diese Uebereinstim¬
mung vorhanden sei, wenn man nachweisen könne, daß nicht die Art, sondern
eine höhere Abtheilung, die Classe oder Familie, die natürliche Begrenzung
unter den Pflanzen sei: in diesem Falle könnten nämlich aus einem damals
geschaffenen Repräsentanten alle einzelnen Arten entstanden sein. Seine Ver¬
suche aber, welche demnach, um den biblischen Mythus zu stützen (wie Wagner),
die historische Existenz der Arten umstoßen sollten (gegen Wagner), hatten das
gewünschte Resultat nicht, sondern ergaben, wie die früheren von Kölreuter
und die späteren von Gärtner die folgenden Gesetze der Bastardbildung:
1) Solche Bastarde, welche in ihrer Gestalt grade die Mitte zwischen den beiden
Arten halten, aus deren Kreuzung sie hervorgegangen sind, bilden selten oder
nie Samen; 2) wenn bei ihnen eine Befruchtung stattfinden soll, so muß dazu
der Blütenstaub einer der Stammpflanzen genommen werden; 3) andere Ba¬
starde, welche (meistens nicht durch eine, sondern durch wiederholte Kreuzung
entstanden) sich in ihrer Form einer der Stammpflanzen mehr nähern, können
theils durch ihren eignen Blütenstaub, besser aber noch durch eine der
Stammpflanzen befruchtet werden; immer aber ist die'Samenmenge eine viel
geringere, als die der Stammpflanzen; i) unter den Samen der Bastardpflan¬
zen sind eine auffallende Menge, und verhältnißmäßig viel mehr als bei reinen
Arten, unfähig zu keimen; 3) die aus solchen Samen hervorgehenden Säm¬
linge sind viel weniger kräftig, als die von reinen Arten herstammenden, ja
oft ganz lebensunfähig, wenn sie auch ein paar Blätter hervortreiben; 6) die
Sämlinge der Bastarde bringen sehr selten durch sich selbst Samen; wenn dies
der Fall ist, so können die hieraus hervorgehenden Sämlinge noch mehre
Generationen sich durch Samen fortpflanzen, aber in immer abnehmender
Menge, so daß sie nach einiger Zeit völlig aussterben; 7) die Sämlinge von
Bastarden sind nicht constant in ihrer Form, sondern von sehr verschiedener
Gestalt, indem die einzelnen in sehr verschiedenem Grade einer der Stamm¬
pflanzen sich zuneigen. Dies gilt sogar von den einzelnen Sämlingen, welche


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[0106] starbe, aber es ist nichtsdestoweniger gewiß, daß letztere unter sich keine stän¬ digen Racen zu erhalten vermögen. Da Vogts Darstellung hier eine Lücke läßt, so wollen wir uns aus der kürzlich erschienenen Schrift eines Botanikers weiter über die Schicksale der Bastarde unterrichten. (Jessen, Preisschrift über die Lebensdauer der Gewächse. Breslau und Bonn 1833.) Herbert, ein englischer Geistlicher, erzählt uns dieser, habe Scrupel dar¬ über empfunden, daß das Aussterben sovieler Pflanzenarten durch die Revo¬ lutionen der Erde und das Dasein sovieler jetzt lebender, welche in den früheren Epochen der Erde nicht eristirt hätten, da sie nirgends in den fossilen Ueberbleibseln ausgefunden würden — daß dieses nicht mit den Worten der mosaischen Schöpfungsgeschichte übereinstimme, nach denen die Gewächse alle bei Erschaffung der Erde ungeschaffen seien, — daß aber diese Uebereinstim¬ mung vorhanden sei, wenn man nachweisen könne, daß nicht die Art, sondern eine höhere Abtheilung, die Classe oder Familie, die natürliche Begrenzung unter den Pflanzen sei: in diesem Falle könnten nämlich aus einem damals geschaffenen Repräsentanten alle einzelnen Arten entstanden sein. Seine Ver¬ suche aber, welche demnach, um den biblischen Mythus zu stützen (wie Wagner), die historische Existenz der Arten umstoßen sollten (gegen Wagner), hatten das gewünschte Resultat nicht, sondern ergaben, wie die früheren von Kölreuter und die späteren von Gärtner die folgenden Gesetze der Bastardbildung: 1) Solche Bastarde, welche in ihrer Gestalt grade die Mitte zwischen den beiden Arten halten, aus deren Kreuzung sie hervorgegangen sind, bilden selten oder nie Samen; 2) wenn bei ihnen eine Befruchtung stattfinden soll, so muß dazu der Blütenstaub einer der Stammpflanzen genommen werden; 3) andere Ba¬ starde, welche (meistens nicht durch eine, sondern durch wiederholte Kreuzung entstanden) sich in ihrer Form einer der Stammpflanzen mehr nähern, können theils durch ihren eignen Blütenstaub, besser aber noch durch eine der Stammpflanzen befruchtet werden; immer aber ist die'Samenmenge eine viel geringere, als die der Stammpflanzen; i) unter den Samen der Bastardpflan¬ zen sind eine auffallende Menge, und verhältnißmäßig viel mehr als bei reinen Arten, unfähig zu keimen; 3) die aus solchen Samen hervorgehenden Säm¬ linge sind viel weniger kräftig, als die von reinen Arten herstammenden, ja oft ganz lebensunfähig, wenn sie auch ein paar Blätter hervortreiben; 6) die Sämlinge der Bastarde bringen sehr selten durch sich selbst Samen; wenn dies der Fall ist, so können die hieraus hervorgehenden Sämlinge noch mehre Generationen sich durch Samen fortpflanzen, aber in immer abnehmender Menge, so daß sie nach einiger Zeit völlig aussterben; 7) die Sämlinge von Bastarden sind nicht constant in ihrer Form, sondern von sehr verschiedener Gestalt, indem die einzelnen in sehr verschiedenem Grade einer der Stamm¬ pflanzen sich zuneigen. Dies gilt sogar von den einzelnen Sämlingen, welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/106>, abgerufen am 03.07.2024.