Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.alle die Phrasen von seinen völkerbeglückenden Plänen, die neuerdings wie¬ Wie bekannt, hatte Napoleon zuerst bei der Belagerung von Toulon durch Mitten in seinen vielen Arbeiten findet Napoleon Zeit genug, sich mit alle die Phrasen von seinen völkerbeglückenden Plänen, die neuerdings wie¬ Wie bekannt, hatte Napoleon zuerst bei der Belagerung von Toulon durch Mitten in seinen vielen Arbeiten findet Napoleon Zeit genug, sich mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98902"/> <p xml:id="ID_178" prev="#ID_177"> alle die Phrasen von seinen völkerbeglückenden Plänen, die neuerdings wie¬<lb/> der über den Rhein herüberschallen, lächerlich werden. Der schrankenlose<lb/> Egoismus, der in seiner vollständigen Gefühllosigkeit etwas Uebcrmenschlichcs<lb/> hat, erregt in uns fast ein Grauen, der gewaltige Geist, der mit einem Blick<lb/> die verwickeltsten politischen Verhältnisse überschaut, aber auch ein Auge für das<lb/> kleinste Detail hat, der die großartigsten militärischen Operationen anordnet,<lb/> aber auch dabei nicht den Etat einer Compagnie vergißt, erfüllt uns mit der<lb/> höchsten Bewunderung. Daß jedoch diese Allgegenwart des Genies nothwendig<lb/> ist, um das bis zur Unnatur überspannte System im Gange zu erhalten' läßt<lb/> schon seinen Untergang voraussehen, sobald Ereignisse eintreten, welche das<lb/> Auge und die Kräfte des > Meisters an eine Stelle sesseln.</p><lb/> <p xml:id="ID_179"> Wie bekannt, hatte Napoleon zuerst bei der Belagerung von Toulon durch<lb/> seine umsichtige Thätigkeit als zweiter Befehlshaber der Artillerie die Aufmerk¬<lb/> samkeit der damaligen Gewalthaber auf sich gezogen, und wurde ein Jahr dar¬<lb/> auf zum Chef derselben Waffe bei der Armee von Italien ernannt. Dort<lb/> knüpfte er enge Verbindungen mit dem jüngeren Robespierre an, ein Verhält¬<lb/> niß, das ihn anfangs mit in die Thermidorkrisis zu verwickeln drohte. Seine<lb/> Haft war jedoch kurz, und man bot ihm ein Commando unter Hoche in der<lb/> Vend«ze an; da er aber von der Artillerie zur Infanterie übergehen sollte, nahm<lb/> er unter dem Norwand schlechter Gesundheit Urlaub und blieb in Paris. Daß<lb/> er nun seiner Stelle entsetzt und in großer Dürftigkeit gelebt, wie Bvurienne<lb/> erzählt hat, geht aus diesen Briefen nicht hervor, im Gegentheil finden wir<lb/> ihn in der besten Gesellschaft, im Umgang mit Männern der verschiedensten<lb/> politischen Parteien, die beiden Extreme jedoch ausgeschlossen, von der Regie¬<lb/> rung vielfach zu Rathe gezogen, und zuletzt als Mitglied des topographischen<lb/> Bureaus an Camoes Stelle, beschäftigt mit der Direction der Armeen und der<lb/> Entwerfung der Feldzugspläne. Hier taucht auch der Plan nach der Türkei<lb/> zu gehen auf, aber nicht, wie Bourienne berichtet, als ein Verzweiflungsschritt<lb/> des aller andern Hoffnungen beraubten Napoleon, sondern in Form einer<lb/> ehrenvollen Sendung, im Auftrag der französischen Regierung, um die türkische<lb/> Artillerie zu organisiren. Der Plan zerschlägt sich jedoch, da der Wohlfahrts¬<lb/> ausschuß der Meinung ist, „Bonaparte sei, solange der Krieg fortdauere, im<lb/> Occident nicht zu entbehren."</p><lb/> <p xml:id="ID_180" next="#ID_181"> Mitten in seinen vielen Arbeiten findet Napoleon Zeit genug, sich mit<lb/> seiner Familie zu beschäftigen. Er bringt seinen Bruder Ludwig in einer Mili¬<lb/> tärschule unter, will Lucian nach Paris geschickt haben, um ihn erziehen zu<lb/> lassen, versucht Joseph eine Stelle als Konsul in Neapel zu verschaffen, und<lb/> macht Anstalten, für ihn ein großes Gut in Frankreich zu kaufen. Von weit¬<lb/> greifenden politischen Plänen ist hier nirgends die Rede; nur ein einziges Mal<lb/> finden wir eine Aeußerung, die seinen schlummernden Ehrgeiz verräth, indem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
alle die Phrasen von seinen völkerbeglückenden Plänen, die neuerdings wie¬
der über den Rhein herüberschallen, lächerlich werden. Der schrankenlose
Egoismus, der in seiner vollständigen Gefühllosigkeit etwas Uebcrmenschlichcs
hat, erregt in uns fast ein Grauen, der gewaltige Geist, der mit einem Blick
die verwickeltsten politischen Verhältnisse überschaut, aber auch ein Auge für das
kleinste Detail hat, der die großartigsten militärischen Operationen anordnet,
aber auch dabei nicht den Etat einer Compagnie vergißt, erfüllt uns mit der
höchsten Bewunderung. Daß jedoch diese Allgegenwart des Genies nothwendig
ist, um das bis zur Unnatur überspannte System im Gange zu erhalten' läßt
schon seinen Untergang voraussehen, sobald Ereignisse eintreten, welche das
Auge und die Kräfte des > Meisters an eine Stelle sesseln.
Wie bekannt, hatte Napoleon zuerst bei der Belagerung von Toulon durch
seine umsichtige Thätigkeit als zweiter Befehlshaber der Artillerie die Aufmerk¬
samkeit der damaligen Gewalthaber auf sich gezogen, und wurde ein Jahr dar¬
auf zum Chef derselben Waffe bei der Armee von Italien ernannt. Dort
knüpfte er enge Verbindungen mit dem jüngeren Robespierre an, ein Verhält¬
niß, das ihn anfangs mit in die Thermidorkrisis zu verwickeln drohte. Seine
Haft war jedoch kurz, und man bot ihm ein Commando unter Hoche in der
Vend«ze an; da er aber von der Artillerie zur Infanterie übergehen sollte, nahm
er unter dem Norwand schlechter Gesundheit Urlaub und blieb in Paris. Daß
er nun seiner Stelle entsetzt und in großer Dürftigkeit gelebt, wie Bvurienne
erzählt hat, geht aus diesen Briefen nicht hervor, im Gegentheil finden wir
ihn in der besten Gesellschaft, im Umgang mit Männern der verschiedensten
politischen Parteien, die beiden Extreme jedoch ausgeschlossen, von der Regie¬
rung vielfach zu Rathe gezogen, und zuletzt als Mitglied des topographischen
Bureaus an Camoes Stelle, beschäftigt mit der Direction der Armeen und der
Entwerfung der Feldzugspläne. Hier taucht auch der Plan nach der Türkei
zu gehen auf, aber nicht, wie Bourienne berichtet, als ein Verzweiflungsschritt
des aller andern Hoffnungen beraubten Napoleon, sondern in Form einer
ehrenvollen Sendung, im Auftrag der französischen Regierung, um die türkische
Artillerie zu organisiren. Der Plan zerschlägt sich jedoch, da der Wohlfahrts¬
ausschuß der Meinung ist, „Bonaparte sei, solange der Krieg fortdauere, im
Occident nicht zu entbehren."
Mitten in seinen vielen Arbeiten findet Napoleon Zeit genug, sich mit
seiner Familie zu beschäftigen. Er bringt seinen Bruder Ludwig in einer Mili¬
tärschule unter, will Lucian nach Paris geschickt haben, um ihn erziehen zu
lassen, versucht Joseph eine Stelle als Konsul in Neapel zu verschaffen, und
macht Anstalten, für ihn ein großes Gut in Frankreich zu kaufen. Von weit¬
greifenden politischen Plänen ist hier nirgends die Rede; nur ein einziges Mal
finden wir eine Aeußerung, die seinen schlummernden Ehrgeiz verräth, indem
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