Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.Episode des Nal. Die ersten beiden Gesänge hat er in Prosa, die drei fol¬ Ein Seelengemälde. Von E. Mery. 3 Bde. Königsberg, Sander. -- Der Roman ist unstreitig von einer Dame; die Gedankenverbindung wie Blüthen aus dem Treibhause der Lyrik. Eine Märchcnsammlnng. Leipzig, Barth. -- Der Verfasser zeigt einen guten Geschmack in der Verspottung der ver¬ Episode des Nal. Die ersten beiden Gesänge hat er in Prosa, die drei fol¬ Ein Seelengemälde. Von E. Mery. 3 Bde. Königsberg, Sander. — Der Roman ist unstreitig von einer Dame; die Gedankenverbindung wie Blüthen aus dem Treibhause der Lyrik. Eine Märchcnsammlnng. Leipzig, Barth. — Der Verfasser zeigt einen guten Geschmack in der Verspottung der ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99200"/> <p xml:id="ID_1182" prev="#ID_1181"> Episode des Nal. Die ersten beiden Gesänge hat er in Prosa, die drei fol¬<lb/> genden in Terzinen übersetzt, und zur Vergleichung hat er an die Seite den<lb/> Sanskrittert hingestellt, mit lateinischen Lettern. Die Uebersetzung ist vor¬<lb/> trefflich und die zahlreichen hinzugefügten Anmerkungen grade für das Stu¬<lb/> dium eines Anfängers sehr zweckmäßig eingerichtet. Das Buch verdient also<lb/> auch in Deutschland verbreitet zu werden. —</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Ein Seelengemälde. Von E. Mery. 3 Bde. Königsberg, Sander. —</head><lb/> <p xml:id="ID_1183"> Der Roman ist unstreitig von einer Dame; die Gedankenverbindung wie<lb/> die Art und Weise des Empfindens ist durchaus weiblich. Der Verfasserin<lb/> hat das Problem der Lelia vorgeschwebt und sie hat das Bestreben der neuern<lb/> Zeit, die Quelle des Göttlichen im eignen Herzen zu suchen, und sich von<lb/> der Autorität und den Ueberlieferungen loszureißen, in der Seele eines reich¬<lb/> begabten Weibes durchzuführen gesucht. Es wäre ihr diese Aufgabe unzweifel¬<lb/> haft besser gelungen, wenn sie ihr eignes Gefühl mehr gezügelt hätte; aber<lb/> dieses ist so unruhig bewegt, so überströmend, daß nicht blos die psychologische<lb/> Entwicklung, sondern auch der Gang der Begebenheiten dadurch undeutlich<lb/> wird. Das Buch ist nicht arm an einzelnen interessanten Zügen; umsomehr<lb/> müssen wir bedauern, daß seine Wirkung durch die Unvollkommenheit und<lb/> Ueberschwenglichkeit der Form beeinträchtigt wird. —</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Blüthen aus dem Treibhause der Lyrik. Eine Märchcnsammlnng.<lb/> Leipzig, Barth. —</head><lb/> <p xml:id="ID_1184" next="#ID_1185"> Der Verfasser zeigt einen guten Geschmack in der Verspottung der ver¬<lb/> schiedenen Narrheiten, in welche die moderne Lyrik verfallen ist; indeß reicht<lb/> diese richtige Geschmacksbildung doch nicht aus, satirischen Gedichten, einer<lb/> Gattung, die überhaupt unerträglich ist, eine günstige Aufnahme zu bereiten.<lb/> Einzelne sehr glückliche Einfälle rufen zwar hin und wieder in diesem Büchlein<lb/> ein Lächeln hervor, aber das Ganze wirkt doch im Grunde verstimmend. Wir<lb/> möchten hier auf die goldenen Worte hinweisen, welche Goethe im 32. Band<lb/> S. iss in. den jungen Lyrikern zuruft: „Der junge Dichter spreche nur aus,<lb/> was lebt und fortwirkt, unter welcherlei Gestalt es auch sein möge; er beseitige<lb/> streng allen Widergeist, alles Mißwollen, Mißreden und waS nur verneinen<lb/> kann: denn dabei kommt nichts heraus .... Poetischer Gehalt ist Gehalt des<lb/> eignen Lebens, den kann uns niemand geben, vielleicht verdüstern, aber nicht<lb/> verkümmern.... Man halte sich ans fortschreitende Leben und prüfe sich bei<lb/> Gelegenheiten; denn da beweist sichs im Augenblick, ob wir lebendig sind,<lb/> und bei späterer Betrachtung, ob wir lebendig waren."— Die Poesie, welche<lb/> der Kritik ins Handwerk greift, ist ebenso unerfreulich, als die Kritik, welche</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
Episode des Nal. Die ersten beiden Gesänge hat er in Prosa, die drei fol¬
genden in Terzinen übersetzt, und zur Vergleichung hat er an die Seite den
Sanskrittert hingestellt, mit lateinischen Lettern. Die Uebersetzung ist vor¬
trefflich und die zahlreichen hinzugefügten Anmerkungen grade für das Stu¬
dium eines Anfängers sehr zweckmäßig eingerichtet. Das Buch verdient also
auch in Deutschland verbreitet zu werden. —
Ein Seelengemälde. Von E. Mery. 3 Bde. Königsberg, Sander. —
Der Roman ist unstreitig von einer Dame; die Gedankenverbindung wie
die Art und Weise des Empfindens ist durchaus weiblich. Der Verfasserin
hat das Problem der Lelia vorgeschwebt und sie hat das Bestreben der neuern
Zeit, die Quelle des Göttlichen im eignen Herzen zu suchen, und sich von
der Autorität und den Ueberlieferungen loszureißen, in der Seele eines reich¬
begabten Weibes durchzuführen gesucht. Es wäre ihr diese Aufgabe unzweifel¬
haft besser gelungen, wenn sie ihr eignes Gefühl mehr gezügelt hätte; aber
dieses ist so unruhig bewegt, so überströmend, daß nicht blos die psychologische
Entwicklung, sondern auch der Gang der Begebenheiten dadurch undeutlich
wird. Das Buch ist nicht arm an einzelnen interessanten Zügen; umsomehr
müssen wir bedauern, daß seine Wirkung durch die Unvollkommenheit und
Ueberschwenglichkeit der Form beeinträchtigt wird. —
Blüthen aus dem Treibhause der Lyrik. Eine Märchcnsammlnng.
Leipzig, Barth. —
Der Verfasser zeigt einen guten Geschmack in der Verspottung der ver¬
schiedenen Narrheiten, in welche die moderne Lyrik verfallen ist; indeß reicht
diese richtige Geschmacksbildung doch nicht aus, satirischen Gedichten, einer
Gattung, die überhaupt unerträglich ist, eine günstige Aufnahme zu bereiten.
Einzelne sehr glückliche Einfälle rufen zwar hin und wieder in diesem Büchlein
ein Lächeln hervor, aber das Ganze wirkt doch im Grunde verstimmend. Wir
möchten hier auf die goldenen Worte hinweisen, welche Goethe im 32. Band
S. iss in. den jungen Lyrikern zuruft: „Der junge Dichter spreche nur aus,
was lebt und fortwirkt, unter welcherlei Gestalt es auch sein möge; er beseitige
streng allen Widergeist, alles Mißwollen, Mißreden und waS nur verneinen
kann: denn dabei kommt nichts heraus .... Poetischer Gehalt ist Gehalt des
eignen Lebens, den kann uns niemand geben, vielleicht verdüstern, aber nicht
verkümmern.... Man halte sich ans fortschreitende Leben und prüfe sich bei
Gelegenheiten; denn da beweist sichs im Augenblick, ob wir lebendig sind,
und bei späterer Betrachtung, ob wir lebendig waren."— Die Poesie, welche
der Kritik ins Handwerk greift, ist ebenso unerfreulich, als die Kritik, welche
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