Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.waren Schraubenschiffe und schwer bewaffnet. Die Zahl der kleineren Dampfer war Der Punkt, den ich mir zur Ueberschau gewählt hatte, war früher unter dem In dieses Thal hinein wird sich dereinst die große Straße senken, von der ich -- In meinen Briefen an Sie habe ich schon öfter des bunten *) Zum Palais von Dolma Bagdsche.
waren Schraubenschiffe und schwer bewaffnet. Die Zahl der kleineren Dampfer war Der Punkt, den ich mir zur Ueberschau gewählt hatte, war früher unter dem In dieses Thal hinein wird sich dereinst die große Straße senken, von der ich -- In meinen Briefen an Sie habe ich schon öfter des bunten *) Zum Palais von Dolma Bagdsche.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99174"/> <p xml:id="ID_1120" prev="#ID_1119"> waren Schraubenschiffe und schwer bewaffnet. Die Zahl der kleineren Dampfer war<lb/> mindestens zehn. Man schiffte auf einer Anzahl kleiner Segelboote vom Bord des<lb/> englischen Schiffes soeben Verwundete und Halberfrorene «.wie ich vermuthete) nach<lb/> Skutari hinüber. Dann und wann klang der Ton des durchs Sprachrohr gegebenen<lb/> Kommandos der Schiffsofstzicrc zu mir herüber.</p><lb/> <p xml:id="ID_1121"> Der Punkt, den ich mir zur Ueberschau gewählt hatte, war früher unter dem<lb/> Namen des Bejildim Köschk (Kiosk) bekannt. Heute nennt man ihn: „hinter dem<lb/> neuen Palais" oder „oberhalb der Gewehrfabrik". Letztere ist ein Gebäude rechts<lb/> im Thale. Es ist groß, aber unschön und wird ganz durch den Hochbau der hinter¬<lb/> wärts auf der Höhe thronenden mächtigen medicinischen Schule, die nun ein fran¬<lb/> zösisches Lazarett) geworden ist, in Schatten gestellt. Bei dem allen ist das Thal<lb/> zwischen dem Bejildim Köschk und jenem Palais eines der reizendsten, die es hier<lb/> gibt. Man nennt es Dolma Bagdsche Dare (Thal des ausgefüllten Gartens). Es<lb/> ist direct nach Süden gewendet und der Frühling kehrt hier schon ein. wenn das<lb/> Plateau, welches sich vom Eingange der großen Perastraße bis Bujukdere erstreckt,<lb/> noch lauge von rauhen Nord- und Ostwinden gefegt wird. Heute sprießen schon<lb/> Schneeglöckchen dort, im hohen, üppigen Grase finden sich einzelne Veilchen verstreut,<lb/> und die aus den Rabatten sorgsam gepflegten Rosen haben vielfach ihre Knospen<lb/> entfaltet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1122"> In dieses Thal hinein wird sich dereinst die große Straße senken, von der ich<lb/> eben.schrieb. Sie wird mittelst desselben den bequemsten Niedergang zum stattlichen<lb/> Äaiscrpalaste *) finden. Alsdann dürfte auf der engen und wol ganz mit Häusern<lb/> besetzten Thalsohle kein Raum mehr für die erwähnten duftigen Gärten sein. Sie<lb/> werden alsdann muthmaßlich terrassenförmig die Thalwände hinangeiegt werden; wo<lb/> jetzt jener grüne Nasen seine frische und tiefe Smaragdfarbe leuchten läßt, werden<lb/> dann die dunklen Cypressen und der Lorbeer sich ausbreiten; unten der Lärm des<lb/> drängenden Verkehrs und oben das Rauschen des Südwindes in den Zweigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1123" next="#ID_1124"> -- In meinen Briefen an Sie habe ich schon öfter des bunten<lb/> Gemisches von Costümen Erwähnung gethan, welches dem Betreibe aus den hie¬<lb/> sigen Straßen einen ganz besonderen malerischen Reiz verleiht. Der Araber in<lb/> seinem dunklen oder lichten Burnus neben dem Tscherkessen; der Alttürke mit brei¬<lb/> tem Bund; der schmucke Grieche in der reich gestickten Jacke mit fliegenden Aermel»;<lb/> der hochgeschürzte Albanese, der Zigeuner, der Kurde; dazwischen fränkische Herren<lb/> im Paletot und im modernen Gummircgenmantel. Als die ersten französischen<lb/> und englischen Truppen anlangten, nahm die Buntheit des Gedränges noch zu.<lb/> Cavalerie, Infanterie, Artillerie .... von allen Regimentern, so schien es,<lb/> hatte England, von seinen meisten Frankreich Repräsentanten gesendet. Die meiste<lb/> Aufmerksamkeit zogen die schwer geharnischten Kürassiere Napoleons III. und ihrer<lb/> britischen Majestät Hochländer aus sich. Seit drei Tagen sind den Uniformen, die<lb/> sich bis dahin hier eingeführt hatten, neue gefolgt: die Kaisergarde ist angelangt;<lb/> selbstredend nicht die ganze; indeß immerhin eine bedeutende Abtheilung. Die<lb/> Rocke sind die nämlichen, in welche der große Napoleon seine Veteranen kleidete;</p><lb/> <note xml:id="FID_21" place="foot"> *) Zum Palais von Dolma Bagdsche.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0322]
waren Schraubenschiffe und schwer bewaffnet. Die Zahl der kleineren Dampfer war
mindestens zehn. Man schiffte auf einer Anzahl kleiner Segelboote vom Bord des
englischen Schiffes soeben Verwundete und Halberfrorene «.wie ich vermuthete) nach
Skutari hinüber. Dann und wann klang der Ton des durchs Sprachrohr gegebenen
Kommandos der Schiffsofstzicrc zu mir herüber.
Der Punkt, den ich mir zur Ueberschau gewählt hatte, war früher unter dem
Namen des Bejildim Köschk (Kiosk) bekannt. Heute nennt man ihn: „hinter dem
neuen Palais" oder „oberhalb der Gewehrfabrik". Letztere ist ein Gebäude rechts
im Thale. Es ist groß, aber unschön und wird ganz durch den Hochbau der hinter¬
wärts auf der Höhe thronenden mächtigen medicinischen Schule, die nun ein fran¬
zösisches Lazarett) geworden ist, in Schatten gestellt. Bei dem allen ist das Thal
zwischen dem Bejildim Köschk und jenem Palais eines der reizendsten, die es hier
gibt. Man nennt es Dolma Bagdsche Dare (Thal des ausgefüllten Gartens). Es
ist direct nach Süden gewendet und der Frühling kehrt hier schon ein. wenn das
Plateau, welches sich vom Eingange der großen Perastraße bis Bujukdere erstreckt,
noch lauge von rauhen Nord- und Ostwinden gefegt wird. Heute sprießen schon
Schneeglöckchen dort, im hohen, üppigen Grase finden sich einzelne Veilchen verstreut,
und die aus den Rabatten sorgsam gepflegten Rosen haben vielfach ihre Knospen
entfaltet.
In dieses Thal hinein wird sich dereinst die große Straße senken, von der ich
eben.schrieb. Sie wird mittelst desselben den bequemsten Niedergang zum stattlichen
Äaiscrpalaste *) finden. Alsdann dürfte auf der engen und wol ganz mit Häusern
besetzten Thalsohle kein Raum mehr für die erwähnten duftigen Gärten sein. Sie
werden alsdann muthmaßlich terrassenförmig die Thalwände hinangeiegt werden; wo
jetzt jener grüne Nasen seine frische und tiefe Smaragdfarbe leuchten läßt, werden
dann die dunklen Cypressen und der Lorbeer sich ausbreiten; unten der Lärm des
drängenden Verkehrs und oben das Rauschen des Südwindes in den Zweigen.
-- In meinen Briefen an Sie habe ich schon öfter des bunten
Gemisches von Costümen Erwähnung gethan, welches dem Betreibe aus den hie¬
sigen Straßen einen ganz besonderen malerischen Reiz verleiht. Der Araber in
seinem dunklen oder lichten Burnus neben dem Tscherkessen; der Alttürke mit brei¬
tem Bund; der schmucke Grieche in der reich gestickten Jacke mit fliegenden Aermel»;
der hochgeschürzte Albanese, der Zigeuner, der Kurde; dazwischen fränkische Herren
im Paletot und im modernen Gummircgenmantel. Als die ersten französischen
und englischen Truppen anlangten, nahm die Buntheit des Gedränges noch zu.
Cavalerie, Infanterie, Artillerie .... von allen Regimentern, so schien es,
hatte England, von seinen meisten Frankreich Repräsentanten gesendet. Die meiste
Aufmerksamkeit zogen die schwer geharnischten Kürassiere Napoleons III. und ihrer
britischen Majestät Hochländer aus sich. Seit drei Tagen sind den Uniformen, die
sich bis dahin hier eingeführt hatten, neue gefolgt: die Kaisergarde ist angelangt;
selbstredend nicht die ganze; indeß immerhin eine bedeutende Abtheilung. Die
Rocke sind die nämlichen, in welche der große Napoleon seine Veteranen kleidete;
*) Zum Palais von Dolma Bagdsche.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |