Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band."konservativen" Gewalten über die vorwärtsstrebender Elemente praktisch zur Das nach schweren Kämpfen erstrittene Associationsrecht, welches man Die Erfahrungen der neuesten Zeit haben hinlängliche Aufklärung dar¬ 38*
„konservativen" Gewalten über die vorwärtsstrebender Elemente praktisch zur Das nach schweren Kämpfen erstrittene Associationsrecht, welches man Die Erfahrungen der neuesten Zeit haben hinlängliche Aufklärung dar¬ 38*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99159"/> <p xml:id="ID_1071" prev="#ID_1070"> „konservativen" Gewalten über die vorwärtsstrebender Elemente praktisch zur<lb/> Geltung zu bringen wußten, ist unsre Jugend in Gefahr, nicht mehr zu der<lb/> Geistesentwicklung zu gelangen, welche befähigt, in den Mannesjahren den<lb/> eignen Erwerb sich zu sichern, eine tüchtige, selbstständige Kraft zu gewinnen,<lb/> um für das Gemeinwohl mit Umsicht wirksam zu werden. Die Behandlung<lb/> der religiösen Angelegenheiten unsrer Nation ist jetzt grade eine sowenig gleich-<lb/> giltige Sache, daß sie vielmehr die größte Beachtung aller verdient, denen<lb/> die Gelegenheit geboten wird, auf die Beschlüsse einzuwirken, welche das Maß<lb/> religiöser Freiheit für die Staatsangehörigen feststellen. Wie sehr es aber<lb/> jetzt an der Zeit sei, keine durch sittliche Motive geleiteten Anstrengungen zu<lb/> scheuen, der religiösen Reaction in Deutschland nach Möglichkeit Einhalt zu<lb/> thun, dafür beabsichtigen wir durch die in der nachstehenden Darstellung no-<lb/> tirten Thatsachen einige Belege zu liefern, die hoffentlich vielerlei Scrupel<lb/> der Zaghaften und Lauer im Lande beseitigen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1072"> Das nach schweren Kämpfen erstrittene Associationsrecht, welches man<lb/> erst zu beweisen, so klar es auch in die Augen springt, sich die Mühe geben<lb/> mußte, dieses Recht wußte vor allen der bei Eintritt der Reactionszeit<lb/> wieder schlagfertig gewordene Klerus der römischen Kirche mit aller ihm bei¬<lb/> wohnenden Gewandtheit zu benutzen. Beim Wechsel der Völkergeschicke wurde<lb/> auch dieses Recht, wie manches andere, für die Benutzung der Politiker<lb/> und für die Freidenker in Kirchensachen so schwindsüchtig, daß sich<lb/> Leute dieser Kategorie auf solches Recht nicht mehr zu stützen vermochten, ohne<lb/> in Gefahr zu gerathen, schlimm zu Falle zu kommen. Dagegen berieth man<lb/> in den von römischer Geistlichkeit unter dem Schutze des im Jahre 1818 er¬<lb/> rungenen Vereinsrechtes influirtcn Versammlungen um so eifriger die Anwen¬<lb/> dung derjenigen Mittel, welche die Hierarchie anempfiehlt als die Erfolg ver¬<lb/> sprechendsten, um das Volk in kirchlicher Abhängigkeit zu erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1073" next="#ID_1074"> Die Erfahrungen der neuesten Zeit haben hinlängliche Aufklärung dar¬<lb/> über verschafft, welche Hebel die römische Kirche in ihr geeignet scheinenden<lb/> Epochen für den angedeuteten Zweck in Bewegung zu setzen pflegt. Es wurde<lb/> denn auch in den letzten fünf Jahren eine solche der Kirche wünschenswerthe<lb/> Einwirkung geltcndgemacht: .durch die mannigfachsten Vereine confessioneller<lb/> Natur, durch Volksmissionen und geistliche Erercitien für Priester und Lehrer,<lb/> durch Begründung Von Klöstern und kirchlichen Instituten, durch bischöfliche<lb/> Synoden, durch lebhafte Betheiligung bei den legislatorischen Körperschaften,<lb/> durch ein schärferes Auftreten gegen Mischehen, durch Einmischung in das<lb/> Erziehungs- und Schulwesen seitens katholischer Ordensgeistlichen oder Ordens¬<lb/> schwestern, durch Angriffe auf die Freimaurerverbande, durch literarische Unter¬<lb/> nehmungen, wie — abgesehen von andern nicht minder erheblich scheinenden kirch¬<lb/> lichen Einwirkungen auf das Familienleben — durch eine höchst bewegliche, mit</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 38*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0307]
„konservativen" Gewalten über die vorwärtsstrebender Elemente praktisch zur
Geltung zu bringen wußten, ist unsre Jugend in Gefahr, nicht mehr zu der
Geistesentwicklung zu gelangen, welche befähigt, in den Mannesjahren den
eignen Erwerb sich zu sichern, eine tüchtige, selbstständige Kraft zu gewinnen,
um für das Gemeinwohl mit Umsicht wirksam zu werden. Die Behandlung
der religiösen Angelegenheiten unsrer Nation ist jetzt grade eine sowenig gleich-
giltige Sache, daß sie vielmehr die größte Beachtung aller verdient, denen
die Gelegenheit geboten wird, auf die Beschlüsse einzuwirken, welche das Maß
religiöser Freiheit für die Staatsangehörigen feststellen. Wie sehr es aber
jetzt an der Zeit sei, keine durch sittliche Motive geleiteten Anstrengungen zu
scheuen, der religiösen Reaction in Deutschland nach Möglichkeit Einhalt zu
thun, dafür beabsichtigen wir durch die in der nachstehenden Darstellung no-
tirten Thatsachen einige Belege zu liefern, die hoffentlich vielerlei Scrupel
der Zaghaften und Lauer im Lande beseitigen werden.
Das nach schweren Kämpfen erstrittene Associationsrecht, welches man
erst zu beweisen, so klar es auch in die Augen springt, sich die Mühe geben
mußte, dieses Recht wußte vor allen der bei Eintritt der Reactionszeit
wieder schlagfertig gewordene Klerus der römischen Kirche mit aller ihm bei¬
wohnenden Gewandtheit zu benutzen. Beim Wechsel der Völkergeschicke wurde
auch dieses Recht, wie manches andere, für die Benutzung der Politiker
und für die Freidenker in Kirchensachen so schwindsüchtig, daß sich
Leute dieser Kategorie auf solches Recht nicht mehr zu stützen vermochten, ohne
in Gefahr zu gerathen, schlimm zu Falle zu kommen. Dagegen berieth man
in den von römischer Geistlichkeit unter dem Schutze des im Jahre 1818 er¬
rungenen Vereinsrechtes influirtcn Versammlungen um so eifriger die Anwen¬
dung derjenigen Mittel, welche die Hierarchie anempfiehlt als die Erfolg ver¬
sprechendsten, um das Volk in kirchlicher Abhängigkeit zu erhalten.
Die Erfahrungen der neuesten Zeit haben hinlängliche Aufklärung dar¬
über verschafft, welche Hebel die römische Kirche in ihr geeignet scheinenden
Epochen für den angedeuteten Zweck in Bewegung zu setzen pflegt. Es wurde
denn auch in den letzten fünf Jahren eine solche der Kirche wünschenswerthe
Einwirkung geltcndgemacht: .durch die mannigfachsten Vereine confessioneller
Natur, durch Volksmissionen und geistliche Erercitien für Priester und Lehrer,
durch Begründung Von Klöstern und kirchlichen Instituten, durch bischöfliche
Synoden, durch lebhafte Betheiligung bei den legislatorischen Körperschaften,
durch ein schärferes Auftreten gegen Mischehen, durch Einmischung in das
Erziehungs- und Schulwesen seitens katholischer Ordensgeistlichen oder Ordens¬
schwestern, durch Angriffe auf die Freimaurerverbande, durch literarische Unter¬
nehmungen, wie — abgesehen von andern nicht minder erheblich scheinenden kirch¬
lichen Einwirkungen auf das Familienleben — durch eine höchst bewegliche, mit
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