Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.bei seiner Auffassung der allgemeinen Geschichte dasjenige maßgebend, was die Schon aus dieser Darstellung ergibt sich, daß Hegel, so eifrig er sich be¬ In der Religion wie in der Kunst sucht sich der Mensch das Absolute, bei seiner Auffassung der allgemeinen Geschichte dasjenige maßgebend, was die Schon aus dieser Darstellung ergibt sich, daß Hegel, so eifrig er sich be¬ In der Religion wie in der Kunst sucht sich der Mensch das Absolute, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0256" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99108"/> <p xml:id="ID_893" prev="#ID_892"> bei seiner Auffassung der allgemeinen Geschichte dasjenige maßgebend, was die<lb/> verschiedenen Völker in dieser Richtung geleistet haben. Die Römer hatten keine<lb/> Philosophie, und die Philosophie, die im römischen Reich herrschend wurde, war<lb/> lediglich eine Herabziehung des griechischen Denkens zum Dienst praktischer<lb/> Lebenszwecke. Auch das Mittelalter hatte keine eigne Philosophie, die größten<lb/> Denker desselben quälten sich damit ab, die speculativen Ueberlieferungen, welche<lb/> von Griechenland herstammten, mit den Vorstellungen des Christenthums, welche<lb/> aus einer ganz andern Quelle hergeleitet waren, in Einklang zu bringen. Sie<lb/> erhoben sich daher niemals zu der Form des reinen Begriffs, und erst nachdem<lb/> die Reformation mit den theologischen wie philosophischen Ueberlieferungen ge¬<lb/> brochen hatte, wurde der Geist wieder soweit frei, um sich zunächst unbefangen<lb/> die gegenständliche Welt zu betrachten (Bacon), in seiner eignen Thätigkeit die<lb/> Quelle des Begriffs zu finden (Cartestus) und so die Bildung endlich soweit<lb/> vorzubereiten, daß die deutsche speculative Philosophie das unterbrochene Werk<lb/> der Griechen wiederaufnahm da, wo diese es gelassen hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_894"> Schon aus dieser Darstellung ergibt sich, daß Hegel, so eifrig er sich be¬<lb/> mühte, jedem einzelnen Zeitalter gerecht zu werden, weil in jedem der mensch¬<lb/> liche Geist, wenn auch in einer neuen Metamorphose, zur wirklichen Erscheinung<lb/> kommt, dennoch mit unmittelbarem Interesse nur an zwei Perioden hingnn<lb/> der griechischen und an der modernen Geschichte. Was dazwischenliegt, würde<lb/> bei ihm noch dürftiger aussehen, als es in der That schon jetzt der Fall ist,<lb/> wenn hier nicht das Moment der Religion dem Moment der Philosophie zu<lb/> Hilfe gekommen wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_895" next="#ID_896"> In der Religion wie in der Kunst sucht sich der Mensch das Absolute,<lb/> das er in der Philosophie zu begreifen strebt, vorzustellen; in der Philosophie<lb/> bleibt er bei sich selbst, in der Religion geht er aus sich heraus. Die Kunst<lb/> unterscheidet sich von der Religion wieder dadurch, daß in der ersten der Mensch<lb/> durch bewußte Thätigkeit seine Ideale hervorbringt, während er sie sich in der<lb/> Religion durch Inspiration und Offenbarung erscheinen läßt. Durch diese Be¬<lb/> griffsbestimmung machte Hegel der Verwirrung der Romantiker ein Ende, welche<lb/> die Begriffe Religion, Kunst und Philosophie hatten identificiren wollen; aber<lb/> er ging damit keineswegs auf die Nüchternheit des alten Nationalismus zurück,<lb/> in welcher die höchsten Thätigkeiten der menschlichen Seele den gemeinen prak¬<lb/> tischen Zwecken dienstbar gemacht waren. Aus vielen einzelnen Punkten der<lb/> Hegelschen Religionsphilosophie weiß man nicht recht, was man machen soll,<lb/> weil er leicht in den Fehler verfiel, zu sehr ins Einzelne zu systematisiren, und<lb/> weil daher seine Uebersetzung namentlich der christlichen Dogmatik in Begriffs¬<lb/> bestimmungen von Willkürlichkeiten nicht freizusprechen ist. Außerdem veran¬<lb/> laßte ihn hier die Rücksicht auf die äußeren Umstände zuweilen, absichtlich dunkel</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0256]
bei seiner Auffassung der allgemeinen Geschichte dasjenige maßgebend, was die
verschiedenen Völker in dieser Richtung geleistet haben. Die Römer hatten keine
Philosophie, und die Philosophie, die im römischen Reich herrschend wurde, war
lediglich eine Herabziehung des griechischen Denkens zum Dienst praktischer
Lebenszwecke. Auch das Mittelalter hatte keine eigne Philosophie, die größten
Denker desselben quälten sich damit ab, die speculativen Ueberlieferungen, welche
von Griechenland herstammten, mit den Vorstellungen des Christenthums, welche
aus einer ganz andern Quelle hergeleitet waren, in Einklang zu bringen. Sie
erhoben sich daher niemals zu der Form des reinen Begriffs, und erst nachdem
die Reformation mit den theologischen wie philosophischen Ueberlieferungen ge¬
brochen hatte, wurde der Geist wieder soweit frei, um sich zunächst unbefangen
die gegenständliche Welt zu betrachten (Bacon), in seiner eignen Thätigkeit die
Quelle des Begriffs zu finden (Cartestus) und so die Bildung endlich soweit
vorzubereiten, daß die deutsche speculative Philosophie das unterbrochene Werk
der Griechen wiederaufnahm da, wo diese es gelassen hatten.
Schon aus dieser Darstellung ergibt sich, daß Hegel, so eifrig er sich be¬
mühte, jedem einzelnen Zeitalter gerecht zu werden, weil in jedem der mensch¬
liche Geist, wenn auch in einer neuen Metamorphose, zur wirklichen Erscheinung
kommt, dennoch mit unmittelbarem Interesse nur an zwei Perioden hingnn
der griechischen und an der modernen Geschichte. Was dazwischenliegt, würde
bei ihm noch dürftiger aussehen, als es in der That schon jetzt der Fall ist,
wenn hier nicht das Moment der Religion dem Moment der Philosophie zu
Hilfe gekommen wäre.
In der Religion wie in der Kunst sucht sich der Mensch das Absolute,
das er in der Philosophie zu begreifen strebt, vorzustellen; in der Philosophie
bleibt er bei sich selbst, in der Religion geht er aus sich heraus. Die Kunst
unterscheidet sich von der Religion wieder dadurch, daß in der ersten der Mensch
durch bewußte Thätigkeit seine Ideale hervorbringt, während er sie sich in der
Religion durch Inspiration und Offenbarung erscheinen läßt. Durch diese Be¬
griffsbestimmung machte Hegel der Verwirrung der Romantiker ein Ende, welche
die Begriffe Religion, Kunst und Philosophie hatten identificiren wollen; aber
er ging damit keineswegs auf die Nüchternheit des alten Nationalismus zurück,
in welcher die höchsten Thätigkeiten der menschlichen Seele den gemeinen prak¬
tischen Zwecken dienstbar gemacht waren. Aus vielen einzelnen Punkten der
Hegelschen Religionsphilosophie weiß man nicht recht, was man machen soll,
weil er leicht in den Fehler verfiel, zu sehr ins Einzelne zu systematisiren, und
weil daher seine Uebersetzung namentlich der christlichen Dogmatik in Begriffs¬
bestimmungen von Willkürlichkeiten nicht freizusprechen ist. Außerdem veran¬
laßte ihn hier die Rücksicht auf die äußeren Umstände zuweilen, absichtlich dunkel
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