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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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zu dem untern, dunkler gefärbten Laube stellen. Vor der Mündung der Ka¬
nonen, am Gestade, haben Fischer ihre Netze ausgebreitet; einige lauern auf
hohem Gerüst, mit dem Wurfspieß in der Hand, um den kostbaren Seefisch
zu durchbohren, wenn er im nahen Bereich des Jägers vorüberschwimmen
sollte. Ihr lustigen Delphine, die ihr weit außerhalb der Netze und Fischer
umhergaukelt, seid solchen Gefahren nicht ausgesetzt! -- Nun noch einen letzten
Blick auf die Bai von Bujukdere, die uns schon weit hinterwärts liegt, Rechts
und links vor uns tauche" inzwischen immer neue Schlösser oder Batterien
auf. Sie sind vom Baron Tode, der im vorigen Jahrhundert die militärischen
Reformen in der Türkei leitete, angelegt worden und waren in dem Zustande
bis zu der Zeit verblieben, wo der preußische Artillerieoberstlieutenant von
Kuczkvwski (Muchklis Pascha) die Leitung der osmanischen Artillerie als Mit¬
glied des Conseils von Toppana übernahm. Seitdem, namentlich im letzten
Jahre, wurden bedeutende Herstellungsbauten unternommen. Auch erhielten
die Batterien jüngst durch zahlreiche und sehr zweckmäßig planirte Blockhäuser
eine Rückendeckung, die vorher ihnen gemangelt hatte. Sehr anerkennens¬
wert!) ist es, daß von Seiten des preußischen StabSosfiziers der Grundsatz
consequent durchgeführt worden ist, die Vertheidigungsmittel an dieser engsten
Stelle des Kanals, soweit ils möglich war, zu concentriren. Wie ich bestimmt
weiß waren englische Rathgeber anderer Ansicht und wollten die Batterien auf
die ganze Ausdehnung der Meerenge bis Konstantinopel hin vertheilt wissen.
Dadurch hätte eine die Unterstützung der andern entbehren müssen, und es
wäre unter Umständen einer unter Begünstigung des Windes einfahrenden
Flotte möglich gewesen, ohne viel zu wagen eine nach verändern zum.Schwei¬
gen zu bringen und letztlich sich vor Stambul selbst zu legen.

Das stärker und stärker werdende Schwanken des Dampfers bekundet
nunmehr, auch für den, welcher es nicht längst schon gesehen hat, die Nähe
des offenen Meeres. Die Sonne ist untergegangen, frisch weht der Wind
aus Nord und die länger und länger sich streckenden Wellen tragen Schaum-
krönchen und stürzen dann und wann tosend nach vorn über. Jetzt sind wir
zwischen Bujuk Liman (Großhafen) und Fit Burnu (Elephantenvorgebirge),
beides Batterien aus Todes Zeiten, letzteres der Ort, wo Phineus wohnte,
wo er die Martern der Harpyen leiden mußte, bis die starke Hand der Argoö-
schiffer ihn freimachte.

Jetzt könne" wir schon links am Ausgange der Meerenge die dunkeln
Felsen erkennen, die den Seeleuten im Alterthume so große Furcht einflößten
und die Symplejaden heißen. Auf dem Deck flüstert man von einer unruhi¬
gen Fahrt. "Verd-- das schwarze Meer! es ist nie ruhig!" hört man hier
und dort einen Levantiner in den Bart brummen; der Capitän aber will den
eben nach West umgesprungenen Wind nützen und läßt am Vormast ein nach-


zu dem untern, dunkler gefärbten Laube stellen. Vor der Mündung der Ka¬
nonen, am Gestade, haben Fischer ihre Netze ausgebreitet; einige lauern auf
hohem Gerüst, mit dem Wurfspieß in der Hand, um den kostbaren Seefisch
zu durchbohren, wenn er im nahen Bereich des Jägers vorüberschwimmen
sollte. Ihr lustigen Delphine, die ihr weit außerhalb der Netze und Fischer
umhergaukelt, seid solchen Gefahren nicht ausgesetzt! — Nun noch einen letzten
Blick auf die Bai von Bujukdere, die uns schon weit hinterwärts liegt, Rechts
und links vor uns tauche» inzwischen immer neue Schlösser oder Batterien
auf. Sie sind vom Baron Tode, der im vorigen Jahrhundert die militärischen
Reformen in der Türkei leitete, angelegt worden und waren in dem Zustande
bis zu der Zeit verblieben, wo der preußische Artillerieoberstlieutenant von
Kuczkvwski (Muchklis Pascha) die Leitung der osmanischen Artillerie als Mit¬
glied des Conseils von Toppana übernahm. Seitdem, namentlich im letzten
Jahre, wurden bedeutende Herstellungsbauten unternommen. Auch erhielten
die Batterien jüngst durch zahlreiche und sehr zweckmäßig planirte Blockhäuser
eine Rückendeckung, die vorher ihnen gemangelt hatte. Sehr anerkennens¬
wert!) ist es, daß von Seiten des preußischen StabSosfiziers der Grundsatz
consequent durchgeführt worden ist, die Vertheidigungsmittel an dieser engsten
Stelle des Kanals, soweit ils möglich war, zu concentriren. Wie ich bestimmt
weiß waren englische Rathgeber anderer Ansicht und wollten die Batterien auf
die ganze Ausdehnung der Meerenge bis Konstantinopel hin vertheilt wissen.
Dadurch hätte eine die Unterstützung der andern entbehren müssen, und es
wäre unter Umständen einer unter Begünstigung des Windes einfahrenden
Flotte möglich gewesen, ohne viel zu wagen eine nach verändern zum.Schwei¬
gen zu bringen und letztlich sich vor Stambul selbst zu legen.

Das stärker und stärker werdende Schwanken des Dampfers bekundet
nunmehr, auch für den, welcher es nicht längst schon gesehen hat, die Nähe
des offenen Meeres. Die Sonne ist untergegangen, frisch weht der Wind
aus Nord und die länger und länger sich streckenden Wellen tragen Schaum-
krönchen und stürzen dann und wann tosend nach vorn über. Jetzt sind wir
zwischen Bujuk Liman (Großhafen) und Fit Burnu (Elephantenvorgebirge),
beides Batterien aus Todes Zeiten, letzteres der Ort, wo Phineus wohnte,
wo er die Martern der Harpyen leiden mußte, bis die starke Hand der Argoö-
schiffer ihn freimachte.

Jetzt könne» wir schon links am Ausgange der Meerenge die dunkeln
Felsen erkennen, die den Seeleuten im Alterthume so große Furcht einflößten
und die Symplejaden heißen. Auf dem Deck flüstert man von einer unruhi¬
gen Fahrt. „Verd— das schwarze Meer! es ist nie ruhig!" hört man hier
und dort einen Levantiner in den Bart brummen; der Capitän aber will den
eben nach West umgesprungenen Wind nützen und läßt am Vormast ein nach-


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[0197] zu dem untern, dunkler gefärbten Laube stellen. Vor der Mündung der Ka¬ nonen, am Gestade, haben Fischer ihre Netze ausgebreitet; einige lauern auf hohem Gerüst, mit dem Wurfspieß in der Hand, um den kostbaren Seefisch zu durchbohren, wenn er im nahen Bereich des Jägers vorüberschwimmen sollte. Ihr lustigen Delphine, die ihr weit außerhalb der Netze und Fischer umhergaukelt, seid solchen Gefahren nicht ausgesetzt! — Nun noch einen letzten Blick auf die Bai von Bujukdere, die uns schon weit hinterwärts liegt, Rechts und links vor uns tauche» inzwischen immer neue Schlösser oder Batterien auf. Sie sind vom Baron Tode, der im vorigen Jahrhundert die militärischen Reformen in der Türkei leitete, angelegt worden und waren in dem Zustande bis zu der Zeit verblieben, wo der preußische Artillerieoberstlieutenant von Kuczkvwski (Muchklis Pascha) die Leitung der osmanischen Artillerie als Mit¬ glied des Conseils von Toppana übernahm. Seitdem, namentlich im letzten Jahre, wurden bedeutende Herstellungsbauten unternommen. Auch erhielten die Batterien jüngst durch zahlreiche und sehr zweckmäßig planirte Blockhäuser eine Rückendeckung, die vorher ihnen gemangelt hatte. Sehr anerkennens¬ wert!) ist es, daß von Seiten des preußischen StabSosfiziers der Grundsatz consequent durchgeführt worden ist, die Vertheidigungsmittel an dieser engsten Stelle des Kanals, soweit ils möglich war, zu concentriren. Wie ich bestimmt weiß waren englische Rathgeber anderer Ansicht und wollten die Batterien auf die ganze Ausdehnung der Meerenge bis Konstantinopel hin vertheilt wissen. Dadurch hätte eine die Unterstützung der andern entbehren müssen, und es wäre unter Umständen einer unter Begünstigung des Windes einfahrenden Flotte möglich gewesen, ohne viel zu wagen eine nach verändern zum.Schwei¬ gen zu bringen und letztlich sich vor Stambul selbst zu legen. Das stärker und stärker werdende Schwanken des Dampfers bekundet nunmehr, auch für den, welcher es nicht längst schon gesehen hat, die Nähe des offenen Meeres. Die Sonne ist untergegangen, frisch weht der Wind aus Nord und die länger und länger sich streckenden Wellen tragen Schaum- krönchen und stürzen dann und wann tosend nach vorn über. Jetzt sind wir zwischen Bujuk Liman (Großhafen) und Fit Burnu (Elephantenvorgebirge), beides Batterien aus Todes Zeiten, letzteres der Ort, wo Phineus wohnte, wo er die Martern der Harpyen leiden mußte, bis die starke Hand der Argoö- schiffer ihn freimachte. Jetzt könne» wir schon links am Ausgange der Meerenge die dunkeln Felsen erkennen, die den Seeleuten im Alterthume so große Furcht einflößten und die Symplejaden heißen. Auf dem Deck flüstert man von einer unruhi¬ gen Fahrt. „Verd— das schwarze Meer! es ist nie ruhig!" hört man hier und dort einen Levantiner in den Bart brummen; der Capitän aber will den eben nach West umgesprungenen Wind nützen und läßt am Vormast ein nach-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/197>, abgerufen am 23.07.2024.