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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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haben die meisten Häuser und Paläste von Therapia. Sie ist einzig in ihrer
Art, Zu beiden Seiten die schroffen, in felsigen Profilen vortretenden Ufer,
die, jenachdem das Licht von der einen oder andern Seite auf sie hinfällt,
dunkle Schlagschatten über die Meerenge werfen, und im fernsten Hinter¬
gründe, wie hinter unzähligen Coulissen die Hauptdecoration, welche die Scene
schließt, der im Sonnenlicht funkelnde, gestadelose Eurin.

Zwei Punkte sind es, die außer dem Meere selbst bei dieser Durchsicht
unsre Aufmerksamkeit am meisten fesseln: links die große Batterie von Numeli
Kawak, unmittelbar unter dem Steilhange der Ufer und ziemlich ir lleur 6'<zän,
rechts ein ähnliches Festungswerk, über welchem hoch oben die Ruine eines
alten, wie man in der Umgegend sagt genuesischen, richtiger aber byzantini¬
schen Schlosses ragt. Lassen Sie zunächst eine Weile ins Anschauen des letztern
mich versenken. Der Dampfer greift mächtig mit seinen Schaufelrädern in
die dunkelgrün schillernde politische Flut; bald wird man die Umrisse des einem
Jahrtausend trotzenden Gemäuers unterscheiden können. Die grüne Wand
vor den alternden Paremcnts ist von wildem Epheu gebildet; so, jetzt wendet
sich das Schiff und wir werden den riesigen Bau bald seiner ganzen Ausdeh¬
nung nach überschauen können. Oft habe ich oben gestanden, bin die Zimmer
entlang geklommen und habe den Versuch gemacht, auf der schwindelnden
Treppe in das Innere der drei Thürme zu steigen, welche landwärts und,
auf dem höchsten Punkte die Fronte abschließen. Der Epheu hat seine Wur¬
zeln hoch oben in die tiefsten Spalten gesenkt; daraus hervorwuchernd um¬
schlingt er mit seinen breitblättriger Zweigen die vorstehenden Kragsteine, die
Ueberreste alter Balkone, Trümmer, die fallen würden, wenn ein vegetabili¬
scher Arm sie nicht stützte, auch endlich das byzantinische Kreuz, welches, ein
Wahrzeichen für den Ursprung, allerwärts auf der verwitterten Mauerfläche
zu schauen ist.

Aber wenn wir Rumili Kawak schauen und die Kanonen der langgestreck¬
ten Batterie zählen wollen, müssen wir uns schnell nach links wenden. Der
Steamer, der rascher dahin zu brausen scheint, je näher er mit dampfenden
Nüstern den Pontus wittert, führt uns eben im Fluge daran vorüber. Da
wo jetzt das Dorf und die Geschützreihen ihre Stelle haben, stand in alter
Zeit Serapium. Man findet keine Spuren mehr davon vor. Aus den Quel¬
len freilich, die am Felsenhange niederstürzen, mögen altgriechische Kolonisten
schon getrunken haben, aber sonst ist rings nichts zu finden, was man zu
jener entlegenen Zeit in Beziehung zu setzen vermöchte. Die westwärts dem
Untergange nahe Sonne läßt den dunkeln Schlagschatten des Hochusers über
Dorf, Batterie und Strand fallen; nur die Gipfel der uralten majestätischen
Linden, die in der Kehle des Forts stehen, sind hoch oben noch von einigen
Lichtstrahlen gestreift, die das angeleuchtete helle Grün in schroffem Contrast


haben die meisten Häuser und Paläste von Therapia. Sie ist einzig in ihrer
Art, Zu beiden Seiten die schroffen, in felsigen Profilen vortretenden Ufer,
die, jenachdem das Licht von der einen oder andern Seite auf sie hinfällt,
dunkle Schlagschatten über die Meerenge werfen, und im fernsten Hinter¬
gründe, wie hinter unzähligen Coulissen die Hauptdecoration, welche die Scene
schließt, der im Sonnenlicht funkelnde, gestadelose Eurin.

Zwei Punkte sind es, die außer dem Meere selbst bei dieser Durchsicht
unsre Aufmerksamkeit am meisten fesseln: links die große Batterie von Numeli
Kawak, unmittelbar unter dem Steilhange der Ufer und ziemlich ir lleur 6'<zän,
rechts ein ähnliches Festungswerk, über welchem hoch oben die Ruine eines
alten, wie man in der Umgegend sagt genuesischen, richtiger aber byzantini¬
schen Schlosses ragt. Lassen Sie zunächst eine Weile ins Anschauen des letztern
mich versenken. Der Dampfer greift mächtig mit seinen Schaufelrädern in
die dunkelgrün schillernde politische Flut; bald wird man die Umrisse des einem
Jahrtausend trotzenden Gemäuers unterscheiden können. Die grüne Wand
vor den alternden Paremcnts ist von wildem Epheu gebildet; so, jetzt wendet
sich das Schiff und wir werden den riesigen Bau bald seiner ganzen Ausdeh¬
nung nach überschauen können. Oft habe ich oben gestanden, bin die Zimmer
entlang geklommen und habe den Versuch gemacht, auf der schwindelnden
Treppe in das Innere der drei Thürme zu steigen, welche landwärts und,
auf dem höchsten Punkte die Fronte abschließen. Der Epheu hat seine Wur¬
zeln hoch oben in die tiefsten Spalten gesenkt; daraus hervorwuchernd um¬
schlingt er mit seinen breitblättriger Zweigen die vorstehenden Kragsteine, die
Ueberreste alter Balkone, Trümmer, die fallen würden, wenn ein vegetabili¬
scher Arm sie nicht stützte, auch endlich das byzantinische Kreuz, welches, ein
Wahrzeichen für den Ursprung, allerwärts auf der verwitterten Mauerfläche
zu schauen ist.

Aber wenn wir Rumili Kawak schauen und die Kanonen der langgestreck¬
ten Batterie zählen wollen, müssen wir uns schnell nach links wenden. Der
Steamer, der rascher dahin zu brausen scheint, je näher er mit dampfenden
Nüstern den Pontus wittert, führt uns eben im Fluge daran vorüber. Da
wo jetzt das Dorf und die Geschützreihen ihre Stelle haben, stand in alter
Zeit Serapium. Man findet keine Spuren mehr davon vor. Aus den Quel¬
len freilich, die am Felsenhange niederstürzen, mögen altgriechische Kolonisten
schon getrunken haben, aber sonst ist rings nichts zu finden, was man zu
jener entlegenen Zeit in Beziehung zu setzen vermöchte. Die westwärts dem
Untergange nahe Sonne läßt den dunkeln Schlagschatten des Hochusers über
Dorf, Batterie und Strand fallen; nur die Gipfel der uralten majestätischen
Linden, die in der Kehle des Forts stehen, sind hoch oben noch von einigen
Lichtstrahlen gestreift, die das angeleuchtete helle Grün in schroffem Contrast


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/196>, abgerufen am 23.07.2024.