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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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unbedingten Anhänger der Regierung. Es ist das kein Wechsel in seinen Ge¬
sinnungen, denn das politische Princip, das er seit einer Reihe von Jahren
Oestreich empfohlen hat, der Gegensatz gegen Rußland, ist jetzt, wie es scheint,
auch das Princip der östreichischen Negierung geworden. Die gegenwärtige
Schrift wendet sich vorzugsweise an das wohlmeinende konservative Publicum,
welches durch diese neue Wendung der östreichischen Politik in Verwirrung
gesetzt ist Und die Furcht hegt, der Gegensatz gegen Rußland sei nur durch ein
Bündniß mit der Revolution ins Werk zu setzen. Daß diese Furcht ohne allen
Grund ist, weist der Verfasser sehr glücklich nach, wenn es ihm auch zuweilen
begegnet, daß er mehr beweisen will, als zu beweisen ist, und daß er daher in
historische Ungenauigkeiten verfällt. Für uns, das liberale Publicum, das an
dieser Wahrheit nie gezweifelt hat, wäre eine andere Seite der Schrift wichtiger,
wenn wir nur genau wüßten, inwieweit Schuselka wirklich die Willensmeinung'
der Negierung vertritt. Wenn in Deutschland Zweifel an der Aufrichtigkeit
derselben sich regen, so verwerfen wir dieselben soweit unbedingt, als ' es. sich
um deutsche Interessen handelt, die zugleich östreichische Interessen sind. In
dieser Beziehung hat die östreichische Negierung gezeigt, daß sie unbeirrt von
Gcfühlsströmungen und Sympathien diejenige Politik verfolgt, die ihrem
Vortheil entspricht, und daß sie in der Durchführung dessen, was sie als noth¬
wendig erkannt, auch energisch und consequent zu Werke geht. Was dagegen
diejenigen deutschen Interessen betrifft, die mit dem unmittelbaren Interesse
Oestreichs gar nicht oder nur sehr indirect zusammenhängen, so wäre es von einem
Staat zu viel verlangt, sich um das Wohl andrer Staaten eifriger als noth¬
wendig zu kümmern. Was Deutschland in der Ostsee und an der Weichsel
gegen Nußland gewinnen kann, hätte eigentlich von Preußen in die Hand ge¬
nommen werden sollen. Da dies nun nicht der Fall ist, so erscheint es wol
natürlich, daß sich im Publicum eine aus Hoffnung und Zweifel gemischte
Stimmung verbreitet, die leicht wie Mißtrauen aussieht. Es wäre sehr
wünschenswert!), wenn man annehmen könnte, daß die östreichische Regierung
beim Friedenscongreß, auf welchem möglicherweise Preußen gar nicht vertreten
sein wird, in der Weise, wie es hier Schuselka andeutet, sich auch dieser deutschen
Interessen annehmen wollte. "Die Europas Interessen beschädigende und fort¬
während bedrohende Stellung Rußlands an der Ostsee," sagt er S. 69, "muß
ebenso gebrochen werden, wie die am schwarzen Meer. Rußland verfolgt in
Schweden und Dänemark dieselbe Politik, wie in der Türkei.....Welch
einen mächtigen Fortschritt zu diesem Ziel Rußland namentlich in Betreff Schles¬
wig-Holsteins in jüngster Zeit gemacht hat, ist jetzt'wol allgemein anerkannt
- .... Es ist Thatsache, daß Dänemark dem vereinigten Europa gegenüber
den Sundzoll längst nicht mehr hätte halten köunen, wenn es sich nicht auf
Nußland stützte.....Ueber kurz oder lang muß die russische Politik auch


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unbedingten Anhänger der Regierung. Es ist das kein Wechsel in seinen Ge¬
sinnungen, denn das politische Princip, das er seit einer Reihe von Jahren
Oestreich empfohlen hat, der Gegensatz gegen Rußland, ist jetzt, wie es scheint,
auch das Princip der östreichischen Negierung geworden. Die gegenwärtige
Schrift wendet sich vorzugsweise an das wohlmeinende konservative Publicum,
welches durch diese neue Wendung der östreichischen Politik in Verwirrung
gesetzt ist Und die Furcht hegt, der Gegensatz gegen Rußland sei nur durch ein
Bündniß mit der Revolution ins Werk zu setzen. Daß diese Furcht ohne allen
Grund ist, weist der Verfasser sehr glücklich nach, wenn es ihm auch zuweilen
begegnet, daß er mehr beweisen will, als zu beweisen ist, und daß er daher in
historische Ungenauigkeiten verfällt. Für uns, das liberale Publicum, das an
dieser Wahrheit nie gezweifelt hat, wäre eine andere Seite der Schrift wichtiger,
wenn wir nur genau wüßten, inwieweit Schuselka wirklich die Willensmeinung'
der Negierung vertritt. Wenn in Deutschland Zweifel an der Aufrichtigkeit
derselben sich regen, so verwerfen wir dieselben soweit unbedingt, als ' es. sich
um deutsche Interessen handelt, die zugleich östreichische Interessen sind. In
dieser Beziehung hat die östreichische Negierung gezeigt, daß sie unbeirrt von
Gcfühlsströmungen und Sympathien diejenige Politik verfolgt, die ihrem
Vortheil entspricht, und daß sie in der Durchführung dessen, was sie als noth¬
wendig erkannt, auch energisch und consequent zu Werke geht. Was dagegen
diejenigen deutschen Interessen betrifft, die mit dem unmittelbaren Interesse
Oestreichs gar nicht oder nur sehr indirect zusammenhängen, so wäre es von einem
Staat zu viel verlangt, sich um das Wohl andrer Staaten eifriger als noth¬
wendig zu kümmern. Was Deutschland in der Ostsee und an der Weichsel
gegen Nußland gewinnen kann, hätte eigentlich von Preußen in die Hand ge¬
nommen werden sollen. Da dies nun nicht der Fall ist, so erscheint es wol
natürlich, daß sich im Publicum eine aus Hoffnung und Zweifel gemischte
Stimmung verbreitet, die leicht wie Mißtrauen aussieht. Es wäre sehr
wünschenswert!), wenn man annehmen könnte, daß die östreichische Regierung
beim Friedenscongreß, auf welchem möglicherweise Preußen gar nicht vertreten
sein wird, in der Weise, wie es hier Schuselka andeutet, sich auch dieser deutschen
Interessen annehmen wollte. „Die Europas Interessen beschädigende und fort¬
während bedrohende Stellung Rußlands an der Ostsee," sagt er S. 69, „muß
ebenso gebrochen werden, wie die am schwarzen Meer. Rußland verfolgt in
Schweden und Dänemark dieselbe Politik, wie in der Türkei.....Welch
einen mächtigen Fortschritt zu diesem Ziel Rußland namentlich in Betreff Schles¬
wig-Holsteins in jüngster Zeit gemacht hat, ist jetzt'wol allgemein anerkannt
- .... Es ist Thatsache, daß Dänemark dem vereinigten Europa gegenüber
den Sundzoll längst nicht mehr hätte halten köunen, wenn es sich nicht auf
Nußland stützte.....Ueber kurz oder lang muß die russische Politik auch


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[0187] unbedingten Anhänger der Regierung. Es ist das kein Wechsel in seinen Ge¬ sinnungen, denn das politische Princip, das er seit einer Reihe von Jahren Oestreich empfohlen hat, der Gegensatz gegen Rußland, ist jetzt, wie es scheint, auch das Princip der östreichischen Negierung geworden. Die gegenwärtige Schrift wendet sich vorzugsweise an das wohlmeinende konservative Publicum, welches durch diese neue Wendung der östreichischen Politik in Verwirrung gesetzt ist Und die Furcht hegt, der Gegensatz gegen Rußland sei nur durch ein Bündniß mit der Revolution ins Werk zu setzen. Daß diese Furcht ohne allen Grund ist, weist der Verfasser sehr glücklich nach, wenn es ihm auch zuweilen begegnet, daß er mehr beweisen will, als zu beweisen ist, und daß er daher in historische Ungenauigkeiten verfällt. Für uns, das liberale Publicum, das an dieser Wahrheit nie gezweifelt hat, wäre eine andere Seite der Schrift wichtiger, wenn wir nur genau wüßten, inwieweit Schuselka wirklich die Willensmeinung' der Negierung vertritt. Wenn in Deutschland Zweifel an der Aufrichtigkeit derselben sich regen, so verwerfen wir dieselben soweit unbedingt, als ' es. sich um deutsche Interessen handelt, die zugleich östreichische Interessen sind. In dieser Beziehung hat die östreichische Negierung gezeigt, daß sie unbeirrt von Gcfühlsströmungen und Sympathien diejenige Politik verfolgt, die ihrem Vortheil entspricht, und daß sie in der Durchführung dessen, was sie als noth¬ wendig erkannt, auch energisch und consequent zu Werke geht. Was dagegen diejenigen deutschen Interessen betrifft, die mit dem unmittelbaren Interesse Oestreichs gar nicht oder nur sehr indirect zusammenhängen, so wäre es von einem Staat zu viel verlangt, sich um das Wohl andrer Staaten eifriger als noth¬ wendig zu kümmern. Was Deutschland in der Ostsee und an der Weichsel gegen Nußland gewinnen kann, hätte eigentlich von Preußen in die Hand ge¬ nommen werden sollen. Da dies nun nicht der Fall ist, so erscheint es wol natürlich, daß sich im Publicum eine aus Hoffnung und Zweifel gemischte Stimmung verbreitet, die leicht wie Mißtrauen aussieht. Es wäre sehr wünschenswert!), wenn man annehmen könnte, daß die östreichische Regierung beim Friedenscongreß, auf welchem möglicherweise Preußen gar nicht vertreten sein wird, in der Weise, wie es hier Schuselka andeutet, sich auch dieser deutschen Interessen annehmen wollte. „Die Europas Interessen beschädigende und fort¬ während bedrohende Stellung Rußlands an der Ostsee," sagt er S. 69, „muß ebenso gebrochen werden, wie die am schwarzen Meer. Rußland verfolgt in Schweden und Dänemark dieselbe Politik, wie in der Türkei.....Welch einen mächtigen Fortschritt zu diesem Ziel Rußland namentlich in Betreff Schles¬ wig-Holsteins in jüngster Zeit gemacht hat, ist jetzt'wol allgemein anerkannt - .... Es ist Thatsache, daß Dänemark dem vereinigten Europa gegenüber den Sundzoll längst nicht mehr hätte halten köunen, wenn es sich nicht auf Nußland stützte.....Ueber kurz oder lang muß die russische Politik auch 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/187>, abgerufen am 23.07.2024.