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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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die größtentheils aus muhamedanischen Eingebornen bestehe", obgleich auch
hier schwer zu überwindende Hindernisse in den Weg treten würden. Die Hilfe,
welche England aus Ostindien in diesem jetzigen Kriege ziehen kann, wird
also, die schon oben eingerechneten königlichen Truppen abgerechnet, auf gar
nichts oder höchstens auf einige tausend Mann leichte muhamedanische Cava-
lerie zu veranschlagen sein.

Man hat drittens vorgeschlagen, in England selbst noch die Werbungen
zu verstärken und neue Regimenter zu errichten. Gewiß wird man im eignen
Lande immer auf das äußerste fortwerben müssen, aber ob man mit aller
Anstrengung zu Stande bringen wird, viele neue Regimenter zu errichten, moch¬
ten wir sehr bezweifeln. Selbst wenn man Leute genug dazu bekäme, so fehlt
es an geeigneten Offizieren und Unteroffizieren für dieselben, und auch beim
besten Willen vermag England solche jetzt nicht aus seinen eignen Söhnen
in genügender Menge für neue Regimenter zu stellen. Die große Tapferkeit
der englischen Soldaten ist' bekannt genug und hat sich in den letzten blutigen
Gefechten wieder so glänzend bewiesen, daß es überflüssig wäre, ein Wort des
Lobes darüber zu sagen. Aber ebenso anerkannt ist auch, daß die englischen
Truppen in ihrer ganzen militärischen Ausbildung und besonders in ihrer
Manövrirfähigkeit hinter den preußischen, östreichischen und besonders hinter
den französischen weit zurückbleiben müssen und namentlich viele ihrer Offiziere
hinsichtlich ihrer Kenntnisse lange nicht den Anforderungen entsprechen, welche
man in jetziger Zeit mit Recht stellen kaun. Es liegen uns Briefe von
competenten französischen Offizieren aus der Krim vor, welche sich in hohem
Grade anerkennend, über die Tapferkeit und das verständige und kameradschaft¬
liche Betragen der englischen Offiziere aussprechen, zugleich aber auch Ver¬
wunderung und Spott über die geringen militärischen Kenntnisse hinsichtlich
des Vorpostendienstes, der Terrainkunbe, Waffenlehre u. s. w. ihrer neuen
Kameraden nicht zurückhalten. Grade dieser Unwissenheit der Offiziere schrei¬
ben die Franzosen die verhältnißmäßig so sehr bedeutenden Verluste der Eng¬
länder in letzter Zeit zu. Wenn aber ein Land eine so geringe militärische
Ausbildung unter seinen Söhnen besitzt, daß es,seine jetzige nicht starke Armee
kaum mit nur einigermaßen brauchbaren Offizieren und Unteroffizieren ver¬
sehen kann, so verbietet sich die bedeutende Verstärkung derselben binnen kurzer
Zeit schon von selbst. Frankreich wird nöthigenfalls seine Infanterie und
Artillerie noch um 200,000 Mann vermehren können, ohne um Offiziere und
Unteroffiziere für dieselbe verlegen zu sein; England kann solche Verstärkung
nicht um 1ü,000 Mann eintreten lassen, schon aus Mangel an tüchtigen
Offizieren. In Frankreich leben tausende von ehemaligen Offizieren und
Unteroffizieren, die nöthigenfalls wieder eintreten können, und tausende von jungen
Leuten haben von Kindheit an eine militärische Erziehung erhalten, und mit der


die größtentheils aus muhamedanischen Eingebornen bestehe», obgleich auch
hier schwer zu überwindende Hindernisse in den Weg treten würden. Die Hilfe,
welche England aus Ostindien in diesem jetzigen Kriege ziehen kann, wird
also, die schon oben eingerechneten königlichen Truppen abgerechnet, auf gar
nichts oder höchstens auf einige tausend Mann leichte muhamedanische Cava-
lerie zu veranschlagen sein.

Man hat drittens vorgeschlagen, in England selbst noch die Werbungen
zu verstärken und neue Regimenter zu errichten. Gewiß wird man im eignen
Lande immer auf das äußerste fortwerben müssen, aber ob man mit aller
Anstrengung zu Stande bringen wird, viele neue Regimenter zu errichten, moch¬
ten wir sehr bezweifeln. Selbst wenn man Leute genug dazu bekäme, so fehlt
es an geeigneten Offizieren und Unteroffizieren für dieselben, und auch beim
besten Willen vermag England solche jetzt nicht aus seinen eignen Söhnen
in genügender Menge für neue Regimenter zu stellen. Die große Tapferkeit
der englischen Soldaten ist' bekannt genug und hat sich in den letzten blutigen
Gefechten wieder so glänzend bewiesen, daß es überflüssig wäre, ein Wort des
Lobes darüber zu sagen. Aber ebenso anerkannt ist auch, daß die englischen
Truppen in ihrer ganzen militärischen Ausbildung und besonders in ihrer
Manövrirfähigkeit hinter den preußischen, östreichischen und besonders hinter
den französischen weit zurückbleiben müssen und namentlich viele ihrer Offiziere
hinsichtlich ihrer Kenntnisse lange nicht den Anforderungen entsprechen, welche
man in jetziger Zeit mit Recht stellen kaun. Es liegen uns Briefe von
competenten französischen Offizieren aus der Krim vor, welche sich in hohem
Grade anerkennend, über die Tapferkeit und das verständige und kameradschaft¬
liche Betragen der englischen Offiziere aussprechen, zugleich aber auch Ver¬
wunderung und Spott über die geringen militärischen Kenntnisse hinsichtlich
des Vorpostendienstes, der Terrainkunbe, Waffenlehre u. s. w. ihrer neuen
Kameraden nicht zurückhalten. Grade dieser Unwissenheit der Offiziere schrei¬
ben die Franzosen die verhältnißmäßig so sehr bedeutenden Verluste der Eng¬
länder in letzter Zeit zu. Wenn aber ein Land eine so geringe militärische
Ausbildung unter seinen Söhnen besitzt, daß es,seine jetzige nicht starke Armee
kaum mit nur einigermaßen brauchbaren Offizieren und Unteroffizieren ver¬
sehen kann, so verbietet sich die bedeutende Verstärkung derselben binnen kurzer
Zeit schon von selbst. Frankreich wird nöthigenfalls seine Infanterie und
Artillerie noch um 200,000 Mann vermehren können, ohne um Offiziere und
Unteroffiziere für dieselbe verlegen zu sein; England kann solche Verstärkung
nicht um 1ü,000 Mann eintreten lassen, schon aus Mangel an tüchtigen
Offizieren. In Frankreich leben tausende von ehemaligen Offizieren und
Unteroffizieren, die nöthigenfalls wieder eintreten können, und tausende von jungen
Leuten haben von Kindheit an eine militärische Erziehung erhalten, und mit der


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[0184] die größtentheils aus muhamedanischen Eingebornen bestehe», obgleich auch hier schwer zu überwindende Hindernisse in den Weg treten würden. Die Hilfe, welche England aus Ostindien in diesem jetzigen Kriege ziehen kann, wird also, die schon oben eingerechneten königlichen Truppen abgerechnet, auf gar nichts oder höchstens auf einige tausend Mann leichte muhamedanische Cava- lerie zu veranschlagen sein. Man hat drittens vorgeschlagen, in England selbst noch die Werbungen zu verstärken und neue Regimenter zu errichten. Gewiß wird man im eignen Lande immer auf das äußerste fortwerben müssen, aber ob man mit aller Anstrengung zu Stande bringen wird, viele neue Regimenter zu errichten, moch¬ ten wir sehr bezweifeln. Selbst wenn man Leute genug dazu bekäme, so fehlt es an geeigneten Offizieren und Unteroffizieren für dieselben, und auch beim besten Willen vermag England solche jetzt nicht aus seinen eignen Söhnen in genügender Menge für neue Regimenter zu stellen. Die große Tapferkeit der englischen Soldaten ist' bekannt genug und hat sich in den letzten blutigen Gefechten wieder so glänzend bewiesen, daß es überflüssig wäre, ein Wort des Lobes darüber zu sagen. Aber ebenso anerkannt ist auch, daß die englischen Truppen in ihrer ganzen militärischen Ausbildung und besonders in ihrer Manövrirfähigkeit hinter den preußischen, östreichischen und besonders hinter den französischen weit zurückbleiben müssen und namentlich viele ihrer Offiziere hinsichtlich ihrer Kenntnisse lange nicht den Anforderungen entsprechen, welche man in jetziger Zeit mit Recht stellen kaun. Es liegen uns Briefe von competenten französischen Offizieren aus der Krim vor, welche sich in hohem Grade anerkennend, über die Tapferkeit und das verständige und kameradschaft¬ liche Betragen der englischen Offiziere aussprechen, zugleich aber auch Ver¬ wunderung und Spott über die geringen militärischen Kenntnisse hinsichtlich des Vorpostendienstes, der Terrainkunbe, Waffenlehre u. s. w. ihrer neuen Kameraden nicht zurückhalten. Grade dieser Unwissenheit der Offiziere schrei¬ ben die Franzosen die verhältnißmäßig so sehr bedeutenden Verluste der Eng¬ länder in letzter Zeit zu. Wenn aber ein Land eine so geringe militärische Ausbildung unter seinen Söhnen besitzt, daß es,seine jetzige nicht starke Armee kaum mit nur einigermaßen brauchbaren Offizieren und Unteroffizieren ver¬ sehen kann, so verbietet sich die bedeutende Verstärkung derselben binnen kurzer Zeit schon von selbst. Frankreich wird nöthigenfalls seine Infanterie und Artillerie noch um 200,000 Mann vermehren können, ohne um Offiziere und Unteroffiziere für dieselbe verlegen zu sein; England kann solche Verstärkung nicht um 1ü,000 Mann eintreten lassen, schon aus Mangel an tüchtigen Offizieren. In Frankreich leben tausende von ehemaligen Offizieren und Unteroffizieren, die nöthigenfalls wieder eintreten können, und tausende von jungen Leuten haben von Kindheit an eine militärische Erziehung erhalten, und mit der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/184>, abgerufen am 23.07.2024.