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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Wenn wir nun auch überzeugt sind, daß diese Miliz vortrefflich kämpfen wird,
sobald ein Feind den englischen Boden selbst betreten sollte, so schlagen wir
ihre Hilfe für den auswärtigen Krieg selbst doch nicht hock an. Theils sind
viele ältere, verheirathete Leute in diesen Regimentern, die in ihrem Leben nie¬
mals daran gedacht haben, in einen auswärtigen Krieg ziehen zu müssen, -
theils ist die ganze Organisation des Corps gar nicht darauf berechnet, ohne
weiteres für einen Feldzug verwandt zu werden. Wenn die Regierung es
möglich machen wird, von dieser gesammten Miliz im Jahre 1833 an 20,000
Mann wirklich >zum auswärtigen Krieg verwenden zu können, so dürfte dies
selbst bei dem besten Willen daS Aeußerste sein. An die militärische Tüchtig¬
keit der Offiziere bei diesen 20,000 Miliztruppen dürfte mau aber nur ungemein
geringe Anforderungen stellen können, noch viel geringere, wie man jetzt schon
hinsichtlich ihrer militärischen Ausbildung bei den Offizieren der englischen
Linie zu stellen pflegt. Was ist aber eine Verstärkung von 20,000 Maun in
einem ganzen Jahre, bei einem Feldzug mit einer Landmacht wie Nußland?
Soviel wird wenigstens der Abgang des Heeres selbst betragen, und man
wird also durch diese Nachsendung aller nur irgendwie entbehrlichen oder taug¬
lichen Miliz die englische Landmacht nicht über 90,000 Mann hinaufbringen
können.

Ein zweites Mittel, das auch schon zur Vermehrung der englischen
Streitkräfte gegen Rußland vorgeschlagen wurde, ist die Verwendung eines
Theils der Armee der ostindischen Compagnie. Jetzt stehen noch 20 Jnfanterie-
und 3 Cavalerieregimenter königlicher Truppen in Ostindien, von denen dann
aber schon über die Hälfte aus diesem Lande gezogen werden muß. Die euro¬
päischen Truppen der Compagnie selbst bestehen aber nur aus 60 Compagnien
Infanterie ^ 62gg Mann und 61 Batterien Artillerie mit 7000 Mann, zu¬
sammen 13,200 Mann. Bei den jetzigen kritischen Verhältnissen kann man
Ostindien aber nicht von Truppen entblößen, und nimmt die Negierung die
Hälfte ihrer Regimenter fort, so wird die ostindische Compagnie schwerlich ihre
eignen europäischen Truppen nach der Krim senden wollen, ja selbst können.

Die eingebornen Truppen der Compagnie betragen 133 Regimenter In¬
fanterie 186,000 Mann, 21 Regimenter Reiterei 10,900 Mann und
6200 Ingenieure und Artilleristen, die theils von eingebornen, zum größern
Theil aber von europäischen Offizieren befehligt werden. Mit diesen Truppen
müssen aber ungeheure Länder bewacht, schwierige Grenzen beschützt und die
Unterwerfung vieler und widerwillig gehorchender Despoten gesichert werden.
Diese eingeborne Infanterie besteht fast durchgängig aus Hindus, die wegen
ihrer Kasteneintheilung und mancher andrer Verhältnisse einen solchen Troß
mit sich umherschleppen, daß eine Einschiffung derselben kaum möglich für
dürfte. Eher möchte dies noch mit einigen Cavalericregimentern angehen,


Wenn wir nun auch überzeugt sind, daß diese Miliz vortrefflich kämpfen wird,
sobald ein Feind den englischen Boden selbst betreten sollte, so schlagen wir
ihre Hilfe für den auswärtigen Krieg selbst doch nicht hock an. Theils sind
viele ältere, verheirathete Leute in diesen Regimentern, die in ihrem Leben nie¬
mals daran gedacht haben, in einen auswärtigen Krieg ziehen zu müssen, -
theils ist die ganze Organisation des Corps gar nicht darauf berechnet, ohne
weiteres für einen Feldzug verwandt zu werden. Wenn die Regierung es
möglich machen wird, von dieser gesammten Miliz im Jahre 1833 an 20,000
Mann wirklich >zum auswärtigen Krieg verwenden zu können, so dürfte dies
selbst bei dem besten Willen daS Aeußerste sein. An die militärische Tüchtig¬
keit der Offiziere bei diesen 20,000 Miliztruppen dürfte mau aber nur ungemein
geringe Anforderungen stellen können, noch viel geringere, wie man jetzt schon
hinsichtlich ihrer militärischen Ausbildung bei den Offizieren der englischen
Linie zu stellen pflegt. Was ist aber eine Verstärkung von 20,000 Maun in
einem ganzen Jahre, bei einem Feldzug mit einer Landmacht wie Nußland?
Soviel wird wenigstens der Abgang des Heeres selbst betragen, und man
wird also durch diese Nachsendung aller nur irgendwie entbehrlichen oder taug¬
lichen Miliz die englische Landmacht nicht über 90,000 Mann hinaufbringen
können.

Ein zweites Mittel, das auch schon zur Vermehrung der englischen
Streitkräfte gegen Rußland vorgeschlagen wurde, ist die Verwendung eines
Theils der Armee der ostindischen Compagnie. Jetzt stehen noch 20 Jnfanterie-
und 3 Cavalerieregimenter königlicher Truppen in Ostindien, von denen dann
aber schon über die Hälfte aus diesem Lande gezogen werden muß. Die euro¬
päischen Truppen der Compagnie selbst bestehen aber nur aus 60 Compagnien
Infanterie ^ 62gg Mann und 61 Batterien Artillerie mit 7000 Mann, zu¬
sammen 13,200 Mann. Bei den jetzigen kritischen Verhältnissen kann man
Ostindien aber nicht von Truppen entblößen, und nimmt die Negierung die
Hälfte ihrer Regimenter fort, so wird die ostindische Compagnie schwerlich ihre
eignen europäischen Truppen nach der Krim senden wollen, ja selbst können.

Die eingebornen Truppen der Compagnie betragen 133 Regimenter In¬
fanterie 186,000 Mann, 21 Regimenter Reiterei 10,900 Mann und
6200 Ingenieure und Artilleristen, die theils von eingebornen, zum größern
Theil aber von europäischen Offizieren befehligt werden. Mit diesen Truppen
müssen aber ungeheure Länder bewacht, schwierige Grenzen beschützt und die
Unterwerfung vieler und widerwillig gehorchender Despoten gesichert werden.
Diese eingeborne Infanterie besteht fast durchgängig aus Hindus, die wegen
ihrer Kasteneintheilung und mancher andrer Verhältnisse einen solchen Troß
mit sich umherschleppen, daß eine Einschiffung derselben kaum möglich für
dürfte. Eher möchte dies noch mit einigen Cavalericregimentern angehen,


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[0183] Wenn wir nun auch überzeugt sind, daß diese Miliz vortrefflich kämpfen wird, sobald ein Feind den englischen Boden selbst betreten sollte, so schlagen wir ihre Hilfe für den auswärtigen Krieg selbst doch nicht hock an. Theils sind viele ältere, verheirathete Leute in diesen Regimentern, die in ihrem Leben nie¬ mals daran gedacht haben, in einen auswärtigen Krieg ziehen zu müssen, - theils ist die ganze Organisation des Corps gar nicht darauf berechnet, ohne weiteres für einen Feldzug verwandt zu werden. Wenn die Regierung es möglich machen wird, von dieser gesammten Miliz im Jahre 1833 an 20,000 Mann wirklich >zum auswärtigen Krieg verwenden zu können, so dürfte dies selbst bei dem besten Willen daS Aeußerste sein. An die militärische Tüchtig¬ keit der Offiziere bei diesen 20,000 Miliztruppen dürfte mau aber nur ungemein geringe Anforderungen stellen können, noch viel geringere, wie man jetzt schon hinsichtlich ihrer militärischen Ausbildung bei den Offizieren der englischen Linie zu stellen pflegt. Was ist aber eine Verstärkung von 20,000 Maun in einem ganzen Jahre, bei einem Feldzug mit einer Landmacht wie Nußland? Soviel wird wenigstens der Abgang des Heeres selbst betragen, und man wird also durch diese Nachsendung aller nur irgendwie entbehrlichen oder taug¬ lichen Miliz die englische Landmacht nicht über 90,000 Mann hinaufbringen können. Ein zweites Mittel, das auch schon zur Vermehrung der englischen Streitkräfte gegen Rußland vorgeschlagen wurde, ist die Verwendung eines Theils der Armee der ostindischen Compagnie. Jetzt stehen noch 20 Jnfanterie- und 3 Cavalerieregimenter königlicher Truppen in Ostindien, von denen dann aber schon über die Hälfte aus diesem Lande gezogen werden muß. Die euro¬ päischen Truppen der Compagnie selbst bestehen aber nur aus 60 Compagnien Infanterie ^ 62gg Mann und 61 Batterien Artillerie mit 7000 Mann, zu¬ sammen 13,200 Mann. Bei den jetzigen kritischen Verhältnissen kann man Ostindien aber nicht von Truppen entblößen, und nimmt die Negierung die Hälfte ihrer Regimenter fort, so wird die ostindische Compagnie schwerlich ihre eignen europäischen Truppen nach der Krim senden wollen, ja selbst können. Die eingebornen Truppen der Compagnie betragen 133 Regimenter In¬ fanterie 186,000 Mann, 21 Regimenter Reiterei 10,900 Mann und 6200 Ingenieure und Artilleristen, die theils von eingebornen, zum größern Theil aber von europäischen Offizieren befehligt werden. Mit diesen Truppen müssen aber ungeheure Länder bewacht, schwierige Grenzen beschützt und die Unterwerfung vieler und widerwillig gehorchender Despoten gesichert werden. Diese eingeborne Infanterie besteht fast durchgängig aus Hindus, die wegen ihrer Kasteneintheilung und mancher andrer Verhältnisse einen solchen Troß mit sich umherschleppen, daß eine Einschiffung derselben kaum möglich für dürfte. Eher möchte dies noch mit einigen Cavalericregimentern angehen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/183>, abgerufen am 25.08.2024.