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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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mehr wie höchstens 9000 Mann Reiterei für einen Krieg mit Nußland ver¬
wenden.

Die englische Artillerie hat eine complicirte Zusammensetzung, da sie sehr
> verschiedenes Kaliber führt. Alles in allem sehr hoch gerechnet soll die eng¬
lische Artillerie jetzt -103 Batterien mit.6-18 Geschützen und -16,000 Mann mit
Offizieren, Kanonieren, Fahrern u. s. w. zählen. Hiervon gehen die schon
erlittenen Verluste, die Depots, die unumgänglichen Besatzungen in den Colo-
nien mit mindestens 6 -- 7000 Mann ab, so daß England im höchsten Fall
kaum -10,000 Artilleristen zur Verfügung gegen Rußland hat.

Die Sappeure, Ingenieure, Mineure, dann die Offiziere des General¬
stabes, kann man nach ihrer letzten Verstärkung auf circa 2800 rechnen.
Nehmen wir nur sehr mäßig angeschlagen hiervon für die Kolonien und die
Depots an 800 Mann ab, so bleiben im besten Fall an 2000 Mann zur
freien Verfügung übrig.

Zählen wir die Stärke aller dieser einzelnen Truppengattungen zusam¬
men, so wird sich ergeben, daß ein englischer Kriegsminister selbst nach den
neuesten Verstärkungen, die das Heer erhalten hat, und wenn er die Besatzun¬
gen der in allen Welttheilen zerstreuten Kolonien auf das äußerste schwächt,
im Königreich selbst nur die Depots zurückläßt, nicht mehr als 90,000 Mann
aller Waffengattungen für einen Krieg mit Rußland verwenden kann.
Um dies aber, möglich machen zu können müssen alle militärischen Kräfte, die
England jetzt besitzt, auf das alleräußerste angespannt werden. In der That
sind wir überzeugt, daß, abgesehen von den finanziellen Hilfsmitteln, das
Königreich Baiern nöthigenfalls ebensoviel Landtruppen für einen Krieg gegen
Rußland verwenden kann, wie das sonst so allmächtige England.

Haben wir bisher mit Zahlen bewiesen, daß das Landheer Englands selbst
nach den Verstärkungen, die es im Laufe des Jahres -185-i erhalten hat,
unverhältnißmäßig schwach für einen energischen Krieg gegen Nußland ist,
so wollen wir jetzt zeigen, daß solches selbst bei den eifrigsten Bestrebungen
nicht aus dem eignen Schoße des Volkes zu einer solchen Verstärkung, wie
es sie unumgänglich nothwendig bedarf, gebracht werden kann. Man spricht
zuerst von der englischen Miliz und schlägt vor, dieselbe für den auswärtigen
Krieg zu verwenden. Die ganze Stärke der englischen Miliz ist aber nur
80,000 Mann mit circa i000 Offizieren. Von diesen Offizieren hat ungefähr ein
Viertheil früher im stehenden Heere gedient und besitzt einige militärische Kennt¬
nisse, die übrigen haben durchschnittlich kaum eine solche Ausbildung für den
Kriegsdienst erhalten, wie bei uns in Deutschland die Offiziere der Bürger¬
wehr oder Communalgarde. Außer diesen 80,000 Fußmilizen eristirt auch ein
reitendes Corps, was größtenteils aus verheiratheten, wohlhabenden Pächtern
oder Gutsbesitzern besteht und eine Stärke von circa 1S,000 Mann hat.


mehr wie höchstens 9000 Mann Reiterei für einen Krieg mit Nußland ver¬
wenden.

Die englische Artillerie hat eine complicirte Zusammensetzung, da sie sehr
> verschiedenes Kaliber führt. Alles in allem sehr hoch gerechnet soll die eng¬
lische Artillerie jetzt -103 Batterien mit.6-18 Geschützen und -16,000 Mann mit
Offizieren, Kanonieren, Fahrern u. s. w. zählen. Hiervon gehen die schon
erlittenen Verluste, die Depots, die unumgänglichen Besatzungen in den Colo-
nien mit mindestens 6 — 7000 Mann ab, so daß England im höchsten Fall
kaum -10,000 Artilleristen zur Verfügung gegen Rußland hat.

Die Sappeure, Ingenieure, Mineure, dann die Offiziere des General¬
stabes, kann man nach ihrer letzten Verstärkung auf circa 2800 rechnen.
Nehmen wir nur sehr mäßig angeschlagen hiervon für die Kolonien und die
Depots an 800 Mann ab, so bleiben im besten Fall an 2000 Mann zur
freien Verfügung übrig.

Zählen wir die Stärke aller dieser einzelnen Truppengattungen zusam¬
men, so wird sich ergeben, daß ein englischer Kriegsminister selbst nach den
neuesten Verstärkungen, die das Heer erhalten hat, und wenn er die Besatzun¬
gen der in allen Welttheilen zerstreuten Kolonien auf das äußerste schwächt,
im Königreich selbst nur die Depots zurückläßt, nicht mehr als 90,000 Mann
aller Waffengattungen für einen Krieg mit Rußland verwenden kann.
Um dies aber, möglich machen zu können müssen alle militärischen Kräfte, die
England jetzt besitzt, auf das alleräußerste angespannt werden. In der That
sind wir überzeugt, daß, abgesehen von den finanziellen Hilfsmitteln, das
Königreich Baiern nöthigenfalls ebensoviel Landtruppen für einen Krieg gegen
Rußland verwenden kann, wie das sonst so allmächtige England.

Haben wir bisher mit Zahlen bewiesen, daß das Landheer Englands selbst
nach den Verstärkungen, die es im Laufe des Jahres -185-i erhalten hat,
unverhältnißmäßig schwach für einen energischen Krieg gegen Nußland ist,
so wollen wir jetzt zeigen, daß solches selbst bei den eifrigsten Bestrebungen
nicht aus dem eignen Schoße des Volkes zu einer solchen Verstärkung, wie
es sie unumgänglich nothwendig bedarf, gebracht werden kann. Man spricht
zuerst von der englischen Miliz und schlägt vor, dieselbe für den auswärtigen
Krieg zu verwenden. Die ganze Stärke der englischen Miliz ist aber nur
80,000 Mann mit circa i000 Offizieren. Von diesen Offizieren hat ungefähr ein
Viertheil früher im stehenden Heere gedient und besitzt einige militärische Kennt¬
nisse, die übrigen haben durchschnittlich kaum eine solche Ausbildung für den
Kriegsdienst erhalten, wie bei uns in Deutschland die Offiziere der Bürger¬
wehr oder Communalgarde. Außer diesen 80,000 Fußmilizen eristirt auch ein
reitendes Corps, was größtenteils aus verheiratheten, wohlhabenden Pächtern
oder Gutsbesitzern besteht und eine Stärke von circa 1S,000 Mann hat.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/182>, abgerufen am 23.07.2024.