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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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gen Wasserstande Ziegelsteine auf dem Grunde liegen und sogar Pfähle em¬
porstehen sieht und wo nur zehn Jahre nach jenem furchtbaren Unglück König
Christian IV. den ruhmvollen Seesteg über die Schweden gewann, den das
dänische Nationallied "Kong Christian flott vet holen Mast" feiert. In
der Schiffersprache heißt übrigens der ganze Meeresstrich vom äußern Ende
des eckernförder Meerbusens bis nach der Insel Fehmarn "die Haide".

Man staunt, wenn man hört, daß aus der reichgcsegneten Propstei häu¬
figer als aus andern Gegenden der Herzogtümer Auswanderungen nach
Amerika stattfinden. Man wundert sich aber nicht mehr, wenn man erfährt,
daß hier auf anderthalb Quadratmeilen gegen achttausend Menschen wohnen.
So ist man zunächst zu fortwährenden Auswanderungen aus Zeit genöthigt
d- h. die Jnseen und Käthner ziehen im Frühling weg, nach Westen,
Osten und Norden, nach Eiderstedt, nach den dänischen Inseln und selbst nach
Schweden, um den Sommer über für einen Lohn, der beträchtlich höher ist,
als der daheim gewährte, als Beyarbeiter fleißig zusein und mit Einbruch deS
Winters, einen vollen Beutel in der Tasche, zu den Ihrigen wiederzukehren.
Ganze Scharen verleben auf diese Weise den größten Theil ihres Lebens in
der Fremde. Aber auch wohlhabende Grundbesitzer verlassen und zwar auf immer
die Heimath, um, wie sie sagen, ihren Kindern eine Zukunft zu sichern. Schon
hat sich in Iowas Wäldern eine ganze Colonie von Propsteiern gebildet und
dieses Neuschönberg soll sich eines guten Gedeihens erfreuen. Ich wußte da¬
gegen denen, die Gelüste zur Nachfolge äußerten, nur meinen alten Sang
vorzusingen und der lautet: Wer viel Geld mit übers große Wasser nimmt,
dem wird es möglicherweise gut gehen, dem der viel Geld und viel Verstand
bei sich hat, wahrscheinlich besser, nur dem aber ganz wohl, der viel Geld,
viel Verstand und viel Glück mitbringt und wer möchte ein solcher Thor sein,
wenn dieses dreiblättrige Kleeblatt ihm beschieden ist, sich im Yankeelande nach
einem vierblättrigen umzusehen!

Die Propsteier haben bei der Erhebung ihre Pflichten redlich erfüllt. Die
Steuerpflichtigen entrichteten ohne Murren ihren Beitrag zu den Lasten, die
Mütter gaben willig ihre Söhne her, von denen mancher nicht wiederkam.
Viel politische Bildung indeß und ein besonders reges Interesse an vaterlän¬
dischen Angelegenheiten fand ich bei denen, mit welchen ich in Berührung kam,
eben nicht. Das Gespräch drehte sich fast nur um Ackerkrume, milchreiche
Kühe, Guano, Drams, den "Feldprediger" Stöckhardt und die Tags zuvor
abgehaltene Thierschau. Unangenehm berührten (freilich nicht böse gemeinte)
Ausdrücke wie: "Er ist aus Deutschland. -- Wie halten sich damit in Deutsch¬
land?" und ich konnte nicht umhin, zu bemerken, daß ich mich hier noch in
Deutschland zu befinden glaube. Es wäre schlimm, daß es sich so gemacht,
hieß es, als die Rede auf die Vergangenheit hingelenkt wurde, allein es


Grenzboten. IV. ->8os. 7

gen Wasserstande Ziegelsteine auf dem Grunde liegen und sogar Pfähle em¬
porstehen sieht und wo nur zehn Jahre nach jenem furchtbaren Unglück König
Christian IV. den ruhmvollen Seesteg über die Schweden gewann, den das
dänische Nationallied „Kong Christian flott vet holen Mast" feiert. In
der Schiffersprache heißt übrigens der ganze Meeresstrich vom äußern Ende
des eckernförder Meerbusens bis nach der Insel Fehmarn „die Haide".

Man staunt, wenn man hört, daß aus der reichgcsegneten Propstei häu¬
figer als aus andern Gegenden der Herzogtümer Auswanderungen nach
Amerika stattfinden. Man wundert sich aber nicht mehr, wenn man erfährt,
daß hier auf anderthalb Quadratmeilen gegen achttausend Menschen wohnen.
So ist man zunächst zu fortwährenden Auswanderungen aus Zeit genöthigt
d- h. die Jnseen und Käthner ziehen im Frühling weg, nach Westen,
Osten und Norden, nach Eiderstedt, nach den dänischen Inseln und selbst nach
Schweden, um den Sommer über für einen Lohn, der beträchtlich höher ist,
als der daheim gewährte, als Beyarbeiter fleißig zusein und mit Einbruch deS
Winters, einen vollen Beutel in der Tasche, zu den Ihrigen wiederzukehren.
Ganze Scharen verleben auf diese Weise den größten Theil ihres Lebens in
der Fremde. Aber auch wohlhabende Grundbesitzer verlassen und zwar auf immer
die Heimath, um, wie sie sagen, ihren Kindern eine Zukunft zu sichern. Schon
hat sich in Iowas Wäldern eine ganze Colonie von Propsteiern gebildet und
dieses Neuschönberg soll sich eines guten Gedeihens erfreuen. Ich wußte da¬
gegen denen, die Gelüste zur Nachfolge äußerten, nur meinen alten Sang
vorzusingen und der lautet: Wer viel Geld mit übers große Wasser nimmt,
dem wird es möglicherweise gut gehen, dem der viel Geld und viel Verstand
bei sich hat, wahrscheinlich besser, nur dem aber ganz wohl, der viel Geld,
viel Verstand und viel Glück mitbringt und wer möchte ein solcher Thor sein,
wenn dieses dreiblättrige Kleeblatt ihm beschieden ist, sich im Yankeelande nach
einem vierblättrigen umzusehen!

Die Propsteier haben bei der Erhebung ihre Pflichten redlich erfüllt. Die
Steuerpflichtigen entrichteten ohne Murren ihren Beitrag zu den Lasten, die
Mütter gaben willig ihre Söhne her, von denen mancher nicht wiederkam.
Viel politische Bildung indeß und ein besonders reges Interesse an vaterlän¬
dischen Angelegenheiten fand ich bei denen, mit welchen ich in Berührung kam,
eben nicht. Das Gespräch drehte sich fast nur um Ackerkrume, milchreiche
Kühe, Guano, Drams, den „Feldprediger" Stöckhardt und die Tags zuvor
abgehaltene Thierschau. Unangenehm berührten (freilich nicht böse gemeinte)
Ausdrücke wie: „Er ist aus Deutschland. — Wie halten sich damit in Deutsch¬
land?" und ich konnte nicht umhin, zu bemerken, daß ich mich hier noch in
Deutschland zu befinden glaube. Es wäre schlimm, daß es sich so gemacht,
hieß es, als die Rede auf die Vergangenheit hingelenkt wurde, allein es


Grenzboten. IV. ->8os. 7
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/57>, abgerufen am 25.08.2024.