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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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mäßigere Gruppirung des Materials, theils auf den Stil. In der neuen
Ausgabe erscheint der erste Band bedeutend vergrößert, der zweite ist dagegen
etwas kleiner geworden. Der Einfall der Scythen nämlich, der in der ersten
Ausgabe im zweiten Band stand, ist dies Mal in den ersten versetzt, wo er mit
dem was unmittelbar damit zusammenhängt, in der That eine-zweckmäßigere
Stellung findet. Zuweilen ist die Gruppirung auch nur durch bestimmter
gefaßte Ueberschriften verbessert. In Bezug aus den Stil hat sich der Verfasser
bemüht, theils durch Auflösung verwickelter Sätze in ihre Bestandtheile, theils
durch schärfere Präcisinmg des Ausdrucks die Popularität im bessern Sinn
des Worts zu erhöhen. Wo in der ersten Ausgabe die politische Ueberzeugung
sich in zu modernen Formen ausdrückte, ist dies sorgfältig weggewischt; nur
einzelne Spuren sind stehn geblieben, z. B. der Schluß des Rückblicks. Das
Buch verdient auch deshalb alle Beachtung, weil es zeigt, daß man eine sehr
entschiedene politische Gesinnung haben und sie auch ausdrücken kann, ohne
deshalb subjectiv zu werden. Der Verfasser hat das erste Gesetz des Geschicht¬
schreibers, paß man deutlich und vollständig erzählen soll, streng im Auge
gehalten, und wo einmal eine Reflexion eintritt, ergibt sie sich so natürlich
aus dem Zusammenhang des Ganzen, daß man an den Schriftsteller gar nicht
erinnert wird, und doch ist das ganze Buch von einer starken, unerschütterlichen
politischen Gesinnung erfüllt, und die älteste Zeit des Menschengeschlechts
erscheint nicht als bloße Vergangenheit, sondern als ein wesentliches Glied in
der Gesammtentwicklung der Menschheit, von denselben Ideen getragen, von
denselben Gesetzen bestimmt. Die Geschichte ist weder eine bloße Beispiel-
sammlung, um Regeln und Maximen daraus herzuleiten, noch ein buntes
Bilderbuch ohne höheren Zweck und Gehalt. Der Leser wird mit Freude an
den Stoffen erfüllt, und doch daran gewöhnt, sich über die Unmittelbarkeit des
Eindrucks zu erheben und den geistigen Gehalt aufzusuchen. An eine voll¬
ständige Wiedergabe des Gesammtmaterials war bei dem gegenwärtigen Stand
der Wissenschaft, wo die gelehrte, auf Monumente und Sprachstudien bastrte
Forschung eigentlich erst beginnt, nicht zu denken. Der Verfasser hat nur
diejenigen Momente hervorgehoben, die uns ein klares und anschauliches Bild
von dem Leben der Menschen geben. Mit großer Kunst hat er die Bilder¬
sprache der alten Religionsbücher, die Mythen und Sagen, die ersten poetischen
Laute der Völker so in seine Darstellung verwebt, daß sie die auf wirklicher
Anschauung beruhenden Beschreibungen der Gegenden, der Bauten u. f. w.,
sowie die Berichte der griechischen Chronisten ergänzen und zu einem belebten
Gemälde abrunden. -- Das Buch ist grade für Deutschland eine sehr will¬
kommene Erscheinung, wo man in Detailstudien sehr weit ist, aber lange und
gewissermaßen ängstlich zögert, ehe man an die wirkliche Darstellung geht.
Es gibt bei uns viele Freunde der Geschichte, die sich gern über die großen


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mäßigere Gruppirung des Materials, theils auf den Stil. In der neuen
Ausgabe erscheint der erste Band bedeutend vergrößert, der zweite ist dagegen
etwas kleiner geworden. Der Einfall der Scythen nämlich, der in der ersten
Ausgabe im zweiten Band stand, ist dies Mal in den ersten versetzt, wo er mit
dem was unmittelbar damit zusammenhängt, in der That eine-zweckmäßigere
Stellung findet. Zuweilen ist die Gruppirung auch nur durch bestimmter
gefaßte Ueberschriften verbessert. In Bezug aus den Stil hat sich der Verfasser
bemüht, theils durch Auflösung verwickelter Sätze in ihre Bestandtheile, theils
durch schärfere Präcisinmg des Ausdrucks die Popularität im bessern Sinn
des Worts zu erhöhen. Wo in der ersten Ausgabe die politische Ueberzeugung
sich in zu modernen Formen ausdrückte, ist dies sorgfältig weggewischt; nur
einzelne Spuren sind stehn geblieben, z. B. der Schluß des Rückblicks. Das
Buch verdient auch deshalb alle Beachtung, weil es zeigt, daß man eine sehr
entschiedene politische Gesinnung haben und sie auch ausdrücken kann, ohne
deshalb subjectiv zu werden. Der Verfasser hat das erste Gesetz des Geschicht¬
schreibers, paß man deutlich und vollständig erzählen soll, streng im Auge
gehalten, und wo einmal eine Reflexion eintritt, ergibt sie sich so natürlich
aus dem Zusammenhang des Ganzen, daß man an den Schriftsteller gar nicht
erinnert wird, und doch ist das ganze Buch von einer starken, unerschütterlichen
politischen Gesinnung erfüllt, und die älteste Zeit des Menschengeschlechts
erscheint nicht als bloße Vergangenheit, sondern als ein wesentliches Glied in
der Gesammtentwicklung der Menschheit, von denselben Ideen getragen, von
denselben Gesetzen bestimmt. Die Geschichte ist weder eine bloße Beispiel-
sammlung, um Regeln und Maximen daraus herzuleiten, noch ein buntes
Bilderbuch ohne höheren Zweck und Gehalt. Der Leser wird mit Freude an
den Stoffen erfüllt, und doch daran gewöhnt, sich über die Unmittelbarkeit des
Eindrucks zu erheben und den geistigen Gehalt aufzusuchen. An eine voll¬
ständige Wiedergabe des Gesammtmaterials war bei dem gegenwärtigen Stand
der Wissenschaft, wo die gelehrte, auf Monumente und Sprachstudien bastrte
Forschung eigentlich erst beginnt, nicht zu denken. Der Verfasser hat nur
diejenigen Momente hervorgehoben, die uns ein klares und anschauliches Bild
von dem Leben der Menschen geben. Mit großer Kunst hat er die Bilder¬
sprache der alten Religionsbücher, die Mythen und Sagen, die ersten poetischen
Laute der Völker so in seine Darstellung verwebt, daß sie die auf wirklicher
Anschauung beruhenden Beschreibungen der Gegenden, der Bauten u. f. w.,
sowie die Berichte der griechischen Chronisten ergänzen und zu einem belebten
Gemälde abrunden. — Das Buch ist grade für Deutschland eine sehr will¬
kommene Erscheinung, wo man in Detailstudien sehr weit ist, aber lange und
gewissermaßen ängstlich zögert, ehe man an die wirkliche Darstellung geht.
Es gibt bei uns viele Freunde der Geschichte, die sich gern über die großen


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[0523] mäßigere Gruppirung des Materials, theils auf den Stil. In der neuen Ausgabe erscheint der erste Band bedeutend vergrößert, der zweite ist dagegen etwas kleiner geworden. Der Einfall der Scythen nämlich, der in der ersten Ausgabe im zweiten Band stand, ist dies Mal in den ersten versetzt, wo er mit dem was unmittelbar damit zusammenhängt, in der That eine-zweckmäßigere Stellung findet. Zuweilen ist die Gruppirung auch nur durch bestimmter gefaßte Ueberschriften verbessert. In Bezug aus den Stil hat sich der Verfasser bemüht, theils durch Auflösung verwickelter Sätze in ihre Bestandtheile, theils durch schärfere Präcisinmg des Ausdrucks die Popularität im bessern Sinn des Worts zu erhöhen. Wo in der ersten Ausgabe die politische Ueberzeugung sich in zu modernen Formen ausdrückte, ist dies sorgfältig weggewischt; nur einzelne Spuren sind stehn geblieben, z. B. der Schluß des Rückblicks. Das Buch verdient auch deshalb alle Beachtung, weil es zeigt, daß man eine sehr entschiedene politische Gesinnung haben und sie auch ausdrücken kann, ohne deshalb subjectiv zu werden. Der Verfasser hat das erste Gesetz des Geschicht¬ schreibers, paß man deutlich und vollständig erzählen soll, streng im Auge gehalten, und wo einmal eine Reflexion eintritt, ergibt sie sich so natürlich aus dem Zusammenhang des Ganzen, daß man an den Schriftsteller gar nicht erinnert wird, und doch ist das ganze Buch von einer starken, unerschütterlichen politischen Gesinnung erfüllt, und die älteste Zeit des Menschengeschlechts erscheint nicht als bloße Vergangenheit, sondern als ein wesentliches Glied in der Gesammtentwicklung der Menschheit, von denselben Ideen getragen, von denselben Gesetzen bestimmt. Die Geschichte ist weder eine bloße Beispiel- sammlung, um Regeln und Maximen daraus herzuleiten, noch ein buntes Bilderbuch ohne höheren Zweck und Gehalt. Der Leser wird mit Freude an den Stoffen erfüllt, und doch daran gewöhnt, sich über die Unmittelbarkeit des Eindrucks zu erheben und den geistigen Gehalt aufzusuchen. An eine voll¬ ständige Wiedergabe des Gesammtmaterials war bei dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft, wo die gelehrte, auf Monumente und Sprachstudien bastrte Forschung eigentlich erst beginnt, nicht zu denken. Der Verfasser hat nur diejenigen Momente hervorgehoben, die uns ein klares und anschauliches Bild von dem Leben der Menschen geben. Mit großer Kunst hat er die Bilder¬ sprache der alten Religionsbücher, die Mythen und Sagen, die ersten poetischen Laute der Völker so in seine Darstellung verwebt, daß sie die auf wirklicher Anschauung beruhenden Beschreibungen der Gegenden, der Bauten u. f. w., sowie die Berichte der griechischen Chronisten ergänzen und zu einem belebten Gemälde abrunden. — Das Buch ist grade für Deutschland eine sehr will¬ kommene Erscheinung, wo man in Detailstudien sehr weit ist, aber lange und gewissermaßen ängstlich zögert, ehe man an die wirkliche Darstellung geht. Es gibt bei uns viele Freunde der Geschichte, die sich gern über die großen 65*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/523>, abgerufen am 22.07.2024.