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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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möglich, daß man der Offensive innerhalb desselben entgegentreten wollte. Was
zunächst die Stellung vorwärts angeht, so ist es wol ein erwägungswerther Vor¬
theil, daß man mit derselben die Möglichkeit, die beiden anderen nachträglich
einzunehmen, nicht aus der Hand gibt. Die Gegner dieser Methode machen
aber, und zwar nicht ohne Grund, geltend, daß man mit derselben dem Feinde
die größere Aufstellungsbreite, mithin die umfassende Fronte überlasse, und da¬
mit ihn in die Lage setze, gegen uns überlegene Streitkräfte, namentlich an
Artillerie, in Wirksamkeit zu setzen. Dieser Einwand ist begründet. Der
Schluß, der sich in Bezug auf die berührte Frage daraus ziehen läßt, ist aber
der, daß die, Defensive vor dem Defilee sich in den meisten Fällen nach einer
Stärkung umzusehen haben wird, die sie nur ausnahmsweise in von der Natur
sehr stark gemachten Positionen, wenn aber hierin nicht, dann jedenfalls in den
Mitteln der Befestigungskunst finden wird.

Die Verhältnisse auf dem Rückzüge werden in der Regel darnach an¬
gethan sein, daß man sich in der Nothwendigkeit befindet, die Stellung vor
dem Defilee, zumal wenn dasselbe eng ist, von bedeutenden Streitkräften ein¬
nehmen zu lassen, weil bei der dichten Fühlung, die heutzutage die im Felde
gegeneinander agirenden Heere zu halten pflegen, es als unwahrscheinlich er¬
scheint, daß die nachdringenden Angriffsmassen uns ausreichende Zeit lassen
werden, den Engweg mit dem Gros zu passiren. Die Befestigungskunst hat
diesen Umstand gebührend zu berücksichtigen, und ihre Anstalten dem ent¬
sprechend so zu treffen: daß dieser erste Moment, in welchem der Rückzug vor
dem Feinde stockt und dessen Anprall erfolgt, nicht zum Augenblick der Schwäche
für die diesseitige Armee werde. Man wolle hier nicht einwenden, der Feind
könne in dieser ersten Stunde eben nur erst eine Spitze an uns herangebracht
haben, und werde uns aller Wahrscheinlichkeit noch während dieser Zeit mit
nichts Anderem als mit den wenigen Bataillonen, Schwadronen und Batta-
rien, aus denen sich seine Avantgarde formirt, bedrohen. Wie groß diese
Wahrscheinlichkeit auch immerhin sein mag, läßt sie dennoch dem Einwände
Raum, daß unsre eignen Truppen von dem Schlage, der sie kurz zuvor zum
Rückzug bestimmt haben mag, dermaßen erschüttert sind, daß eine so viel Be¬
sonnenheit und Ruhe erfordernde Operation, .wie der Durchzug durch ein
Defilee, im Angesicht eines auch nur schwachen Feindes ihnen schwer fallen
und sie durch dessen Angriffe in Verwirrung gebracht werden könnten. Von
diesem Gesichtspunkte aus geschieht es, wenn die Fortification zunächst weit
ins Vorterrain eingreifende Werke anlegt, nicht um hier eine umfangreiche und
starke Vertheidigungslinie, im dichten Aneinander von Flanke an Face zu
schassen, sondern um einen genügenden Raum zur Aufnahme von mindestens
einer ganzen Hälfte der Armee hinter sich zu lassen, und ihrer rückgewendeten
Fronte einige Stützpunkte zu gewähren. Hiermit fertig, ist eS die zunächst


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möglich, daß man der Offensive innerhalb desselben entgegentreten wollte. Was
zunächst die Stellung vorwärts angeht, so ist es wol ein erwägungswerther Vor¬
theil, daß man mit derselben die Möglichkeit, die beiden anderen nachträglich
einzunehmen, nicht aus der Hand gibt. Die Gegner dieser Methode machen
aber, und zwar nicht ohne Grund, geltend, daß man mit derselben dem Feinde
die größere Aufstellungsbreite, mithin die umfassende Fronte überlasse, und da¬
mit ihn in die Lage setze, gegen uns überlegene Streitkräfte, namentlich an
Artillerie, in Wirksamkeit zu setzen. Dieser Einwand ist begründet. Der
Schluß, der sich in Bezug auf die berührte Frage daraus ziehen läßt, ist aber
der, daß die, Defensive vor dem Defilee sich in den meisten Fällen nach einer
Stärkung umzusehen haben wird, die sie nur ausnahmsweise in von der Natur
sehr stark gemachten Positionen, wenn aber hierin nicht, dann jedenfalls in den
Mitteln der Befestigungskunst finden wird.

Die Verhältnisse auf dem Rückzüge werden in der Regel darnach an¬
gethan sein, daß man sich in der Nothwendigkeit befindet, die Stellung vor
dem Defilee, zumal wenn dasselbe eng ist, von bedeutenden Streitkräften ein¬
nehmen zu lassen, weil bei der dichten Fühlung, die heutzutage die im Felde
gegeneinander agirenden Heere zu halten pflegen, es als unwahrscheinlich er¬
scheint, daß die nachdringenden Angriffsmassen uns ausreichende Zeit lassen
werden, den Engweg mit dem Gros zu passiren. Die Befestigungskunst hat
diesen Umstand gebührend zu berücksichtigen, und ihre Anstalten dem ent¬
sprechend so zu treffen: daß dieser erste Moment, in welchem der Rückzug vor
dem Feinde stockt und dessen Anprall erfolgt, nicht zum Augenblick der Schwäche
für die diesseitige Armee werde. Man wolle hier nicht einwenden, der Feind
könne in dieser ersten Stunde eben nur erst eine Spitze an uns herangebracht
haben, und werde uns aller Wahrscheinlichkeit noch während dieser Zeit mit
nichts Anderem als mit den wenigen Bataillonen, Schwadronen und Batta-
rien, aus denen sich seine Avantgarde formirt, bedrohen. Wie groß diese
Wahrscheinlichkeit auch immerhin sein mag, läßt sie dennoch dem Einwände
Raum, daß unsre eignen Truppen von dem Schlage, der sie kurz zuvor zum
Rückzug bestimmt haben mag, dermaßen erschüttert sind, daß eine so viel Be¬
sonnenheit und Ruhe erfordernde Operation, .wie der Durchzug durch ein
Defilee, im Angesicht eines auch nur schwachen Feindes ihnen schwer fallen
und sie durch dessen Angriffe in Verwirrung gebracht werden könnten. Von
diesem Gesichtspunkte aus geschieht es, wenn die Fortification zunächst weit
ins Vorterrain eingreifende Werke anlegt, nicht um hier eine umfangreiche und
starke Vertheidigungslinie, im dichten Aneinander von Flanke an Face zu
schassen, sondern um einen genügenden Raum zur Aufnahme von mindestens
einer ganzen Hälfte der Armee hinter sich zu lassen, und ihrer rückgewendeten
Fronte einige Stützpunkte zu gewähren. Hiermit fertig, ist eS die zunächst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/475>, abgerufen am 15.01.2025.