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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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im adriatischen Meere (sein Vorgänger besaß eine solche nur auf dem Papier,
wenn man von einigen untauglichen und einer Anzahl unbedeutender Fahr¬
zeuge absieht) scheint allerdings im raschen Vorschreiben und infolge dessen
schon bei einem Punkte angelangt zu sein, der sie unter denen des Mittel-
meers mitzählen lästig aber es ist Thatsache, daß sie nur ihren unwesentlichen
Elementen nach deutsch, im Uebrigen dagegen italienisch ist.'

Es ist eine ausnehmend einfache Sache, die Jdeenverbindung aufzufinden,
welche in den heutigen preußischen Negierungskreisen, wie in den vormärz¬
lichen, die Abneigung gegen eine Machtentfaltung zur See, nicht im Gegen¬
satz, aber neben der zu Land, hervorgerufen hat. Zunächst meinte man, daß
durch solche Doppelanstrengung die Kräfte, welche Preußen sich für sein Heer
reservirt halten muß, wenn dasselbe in Kriegszeiten zu t>er vollen Wirksamkeit
kommen sollte, geschmälert werden könnten. Man sah, und das waren die un¬
interessierten, durch keine kleinlichen Parteizielpunkte beirrten Staatsmänner,
den norddeutschen Hauptstaat, der sozusagen in die Reihe der europäischen
Großmächte eingetreten war, noch ehe er das Maß dazu besessen, als
noch zu jung, zu schwach und unreif für das große Werk der Neugründung
einer Marine an; man urtheilte und in diesem speciell en Punkte hatte man
Recht, daß eine solche nur dann von einem wesentlichen Nutzen sei und im Sinne
einer ideellen Rente sich vcrinteresstren werde, wenn ihre Größe den äußeren
Verhältnissen, die dem Staat, seiner politischen Lage und derjenigen der ihm
angrenzenden Meere angepaßt sei, daß in jedem andern Falle aber das Ganze
nur als ein kostspieliges Spielzeug anzusehen und beinahe für durchaus nutz¬
los zu erachten wäre. Ich sagte, daß dies die Sprache der unintercssirten
Staatsmänner gewesen sei. ES läßt sich viel und Wesentliches gegen sie ein¬
wenden; aber sie muß hingenommen werden, wie jede unbefangene Ansicht
für die nur das Wohl des Ganzen, nicht particuläre Zwecke bestimmend
gewesen sind. Eben hierdurch unterscheidet sie sich von den Anschauungen, die
andre Männer im Bereich der Negierungösphäre zu ihrer Verwerfung aller
größern maritimen Projecte für Preußen bestimmten; diese Männer sind, in
Hinsicht aus den ihnen gemeinsamen Parteiboden, nach der heutigen Termi¬
nologie mit dem Namen der Leiter der Kreuzzeitungspartei zu umfassen.

Es ist eine ziemlich alltäglich und vulgär gewordene Begriffscombination,
daß eine starke Marine für den Krieg nicht ohne eine verhältnißmäßig ebenso
starke für den Handel zu denken ist, mit andern Worten, daß die Handelsflotte
jedweden Staates die natürliche Grundlage seiner Kriegsflotte ausmacht. Nu߬
land, welches gewohnt ist, den Verhältnissen Zwang anzuthun, hat seither allein
versucht, diese Grundregel zu umgehen, mit welchem Erfolge weisen jetzt seine
Flotten nach, die nicht gewagt haben, aus ihren Häfen hervorzukommen, was
ihnen, dem Gros der westmächtlichen Escadren gegenüber nicht eben verdacht


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im adriatischen Meere (sein Vorgänger besaß eine solche nur auf dem Papier,
wenn man von einigen untauglichen und einer Anzahl unbedeutender Fahr¬
zeuge absieht) scheint allerdings im raschen Vorschreiben und infolge dessen
schon bei einem Punkte angelangt zu sein, der sie unter denen des Mittel-
meers mitzählen lästig aber es ist Thatsache, daß sie nur ihren unwesentlichen
Elementen nach deutsch, im Uebrigen dagegen italienisch ist.'

Es ist eine ausnehmend einfache Sache, die Jdeenverbindung aufzufinden,
welche in den heutigen preußischen Negierungskreisen, wie in den vormärz¬
lichen, die Abneigung gegen eine Machtentfaltung zur See, nicht im Gegen¬
satz, aber neben der zu Land, hervorgerufen hat. Zunächst meinte man, daß
durch solche Doppelanstrengung die Kräfte, welche Preußen sich für sein Heer
reservirt halten muß, wenn dasselbe in Kriegszeiten zu t>er vollen Wirksamkeit
kommen sollte, geschmälert werden könnten. Man sah, und das waren die un¬
interessierten, durch keine kleinlichen Parteizielpunkte beirrten Staatsmänner,
den norddeutschen Hauptstaat, der sozusagen in die Reihe der europäischen
Großmächte eingetreten war, noch ehe er das Maß dazu besessen, als
noch zu jung, zu schwach und unreif für das große Werk der Neugründung
einer Marine an; man urtheilte und in diesem speciell en Punkte hatte man
Recht, daß eine solche nur dann von einem wesentlichen Nutzen sei und im Sinne
einer ideellen Rente sich vcrinteresstren werde, wenn ihre Größe den äußeren
Verhältnissen, die dem Staat, seiner politischen Lage und derjenigen der ihm
angrenzenden Meere angepaßt sei, daß in jedem andern Falle aber das Ganze
nur als ein kostspieliges Spielzeug anzusehen und beinahe für durchaus nutz¬
los zu erachten wäre. Ich sagte, daß dies die Sprache der unintercssirten
Staatsmänner gewesen sei. ES läßt sich viel und Wesentliches gegen sie ein¬
wenden; aber sie muß hingenommen werden, wie jede unbefangene Ansicht
für die nur das Wohl des Ganzen, nicht particuläre Zwecke bestimmend
gewesen sind. Eben hierdurch unterscheidet sie sich von den Anschauungen, die
andre Männer im Bereich der Negierungösphäre zu ihrer Verwerfung aller
größern maritimen Projecte für Preußen bestimmten; diese Männer sind, in
Hinsicht aus den ihnen gemeinsamen Parteiboden, nach der heutigen Termi¬
nologie mit dem Namen der Leiter der Kreuzzeitungspartei zu umfassen.

Es ist eine ziemlich alltäglich und vulgär gewordene Begriffscombination,
daß eine starke Marine für den Krieg nicht ohne eine verhältnißmäßig ebenso
starke für den Handel zu denken ist, mit andern Worten, daß die Handelsflotte
jedweden Staates die natürliche Grundlage seiner Kriegsflotte ausmacht. Nu߬
land, welches gewohnt ist, den Verhältnissen Zwang anzuthun, hat seither allein
versucht, diese Grundregel zu umgehen, mit welchem Erfolge weisen jetzt seine
Flotten nach, die nicht gewagt haben, aus ihren Häfen hervorzukommen, was
ihnen, dem Gros der westmächtlichen Escadren gegenüber nicht eben verdacht


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[0467] im adriatischen Meere (sein Vorgänger besaß eine solche nur auf dem Papier, wenn man von einigen untauglichen und einer Anzahl unbedeutender Fahr¬ zeuge absieht) scheint allerdings im raschen Vorschreiben und infolge dessen schon bei einem Punkte angelangt zu sein, der sie unter denen des Mittel- meers mitzählen lästig aber es ist Thatsache, daß sie nur ihren unwesentlichen Elementen nach deutsch, im Uebrigen dagegen italienisch ist.' Es ist eine ausnehmend einfache Sache, die Jdeenverbindung aufzufinden, welche in den heutigen preußischen Negierungskreisen, wie in den vormärz¬ lichen, die Abneigung gegen eine Machtentfaltung zur See, nicht im Gegen¬ satz, aber neben der zu Land, hervorgerufen hat. Zunächst meinte man, daß durch solche Doppelanstrengung die Kräfte, welche Preußen sich für sein Heer reservirt halten muß, wenn dasselbe in Kriegszeiten zu t>er vollen Wirksamkeit kommen sollte, geschmälert werden könnten. Man sah, und das waren die un¬ interessierten, durch keine kleinlichen Parteizielpunkte beirrten Staatsmänner, den norddeutschen Hauptstaat, der sozusagen in die Reihe der europäischen Großmächte eingetreten war, noch ehe er das Maß dazu besessen, als noch zu jung, zu schwach und unreif für das große Werk der Neugründung einer Marine an; man urtheilte und in diesem speciell en Punkte hatte man Recht, daß eine solche nur dann von einem wesentlichen Nutzen sei und im Sinne einer ideellen Rente sich vcrinteresstren werde, wenn ihre Größe den äußeren Verhältnissen, die dem Staat, seiner politischen Lage und derjenigen der ihm angrenzenden Meere angepaßt sei, daß in jedem andern Falle aber das Ganze nur als ein kostspieliges Spielzeug anzusehen und beinahe für durchaus nutz¬ los zu erachten wäre. Ich sagte, daß dies die Sprache der unintercssirten Staatsmänner gewesen sei. ES läßt sich viel und Wesentliches gegen sie ein¬ wenden; aber sie muß hingenommen werden, wie jede unbefangene Ansicht für die nur das Wohl des Ganzen, nicht particuläre Zwecke bestimmend gewesen sind. Eben hierdurch unterscheidet sie sich von den Anschauungen, die andre Männer im Bereich der Negierungösphäre zu ihrer Verwerfung aller größern maritimen Projecte für Preußen bestimmten; diese Männer sind, in Hinsicht aus den ihnen gemeinsamen Parteiboden, nach der heutigen Termi¬ nologie mit dem Namen der Leiter der Kreuzzeitungspartei zu umfassen. Es ist eine ziemlich alltäglich und vulgär gewordene Begriffscombination, daß eine starke Marine für den Krieg nicht ohne eine verhältnißmäßig ebenso starke für den Handel zu denken ist, mit andern Worten, daß die Handelsflotte jedweden Staates die natürliche Grundlage seiner Kriegsflotte ausmacht. Nu߬ land, welches gewohnt ist, den Verhältnissen Zwang anzuthun, hat seither allein versucht, diese Grundregel zu umgehen, mit welchem Erfolge weisen jetzt seine Flotten nach, die nicht gewagt haben, aus ihren Häfen hervorzukommen, was ihnen, dem Gros der westmächtlichen Escadren gegenüber nicht eben verdacht ö8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/467>, abgerufen am 25.08.2024.