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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Ich kann Sie versichern, daß ich ans meinem Ausfluge nichts wahrgenommen habe,
was im entferntesten der Annahme Grund zu geben vermöchte, daß die Franzosen es
auf eine permanente Terrainbesitznahme abgesehen hätten; und nochmals wiederhole
ich es: von einer Befestigung befindet sich bis jetzt ebensowenig eine Spur, als die
Lage der Punkte durchaus nicht zu solcher auffordert.

-- Die Nachrichten aus der Krim haben hier, wie
Sie vermuthen werden, eine außerordentliche Sensation hervorgerufen. Ich werde
am Schluß dieser Zeilen des Nähern noch auf die seither bekannt gewordenen That¬
sachen zurückkommen, indem ich mir vorbehalte, die militärische Seite des gro߬
artigen Actes in einem besondern Artikel einer genauern Erörterung zu unter-
ziehen.

Die allgemein herrschende Aufregung macht es allein erklärlich, wenn zwei
unter andern Umständen wichtige Neuigkeiten ein vergleichsweise nur geringes ^meer.
esse in Anspruch genommen haben. Ich meine den unter dem 9. September ge¬
gebenen Erlaß der hohen Pforte in Betreff der dereinstigen Eisenbahn von Kon¬
stantinopel über Sofia nach Belgrad und die Concessionirung des Ausbaues eines
Kanals zwischen Rassowa und Kustendsche durch eine östreichisch-französische Com¬
pagnie.

Die Schwierigkeiten, an welche beide Unternehmen, über deren Bestehen im
Entwürfe ich zu mehren Malen Gelegenheit gehabt hatte, in meinen Schreiben zu
sprechen, stießen, bestanden seither wesentlich darin, daß die türkische Regierung,
welche im Allgemeinen Grundherr des Landes ist, es nicht für angemessen erachtete, aus
ihren Besitz des Terrains, welches beide Linien, die der Eisenbahn und die des Kanals,
beanspruchen, zu verzichten -- andrerseits aber keine Compagnie unter andern Be¬
dingungen, als eine Ueberlassung von Grund rind Boden, sich mit der Sache be¬
fassen wollte. Wenn England und Frankreich nicht durch ihre Gesandten hätten
lebhaft drängen lassen, würde muthmaßlich die eine wie die andre Angelegenheit in
dieser Schwebe verblieben sein. Durch diesen Doppeleinfluß, welchen außerdem
Oestreich unterstützt zu haben scheint, kam sie endlich vor dem Tansimatconseil zur
letztlichen Entscheidung. Einmal eingebracht, konnte über den Ausfall derselben kein
Zweifel mehr obwalten. Den beiden Compagnien, von denen erst die des Kanals
lie l'feto besteht, ist vorbehaltlich des Souveränetätsrechts der Pforte die Ueberlassung
des fraglichen Bauterrains als Eigenthum zuerkannt worden.

Wie erwähnt, nimmt der Erlaß der Pforte vom 9. d. Mes. nur auf das
Eiscnbahnbauproject Bezug. In demselben ist darauf hingewiesen worden, daß die
Bedingungen, unter denen die Concession ertheilt werden wird, von den verschiede¬
nen osmanischen Gesandtschaften an den europäischen Höfen veröffentlicht werden
sollen. Bis dahin ist also jedenfalls ein letztlichcs Urtheil über die getroffenen Ar¬
rangements zu verschieben. Außerdem ist ein halbjähriger Zwischentermin, vom
1. October datirend. anberaumt worden, innerhalb welcher Zeit die auf die Unter¬
nehmung reflectirenden Compagnien ihre Vorschläge behufs der Prüfung einzureichen
haben werden.

Ueber den Kanal hat bis zu dem Augenblick, wo ich Ihnen schreibe, officiell


Ich kann Sie versichern, daß ich ans meinem Ausfluge nichts wahrgenommen habe,
was im entferntesten der Annahme Grund zu geben vermöchte, daß die Franzosen es
auf eine permanente Terrainbesitznahme abgesehen hätten; und nochmals wiederhole
ich es: von einer Befestigung befindet sich bis jetzt ebensowenig eine Spur, als die
Lage der Punkte durchaus nicht zu solcher auffordert.

— Die Nachrichten aus der Krim haben hier, wie
Sie vermuthen werden, eine außerordentliche Sensation hervorgerufen. Ich werde
am Schluß dieser Zeilen des Nähern noch auf die seither bekannt gewordenen That¬
sachen zurückkommen, indem ich mir vorbehalte, die militärische Seite des gro߬
artigen Actes in einem besondern Artikel einer genauern Erörterung zu unter-
ziehen.

Die allgemein herrschende Aufregung macht es allein erklärlich, wenn zwei
unter andern Umständen wichtige Neuigkeiten ein vergleichsweise nur geringes ^meer.
esse in Anspruch genommen haben. Ich meine den unter dem 9. September ge¬
gebenen Erlaß der hohen Pforte in Betreff der dereinstigen Eisenbahn von Kon¬
stantinopel über Sofia nach Belgrad und die Concessionirung des Ausbaues eines
Kanals zwischen Rassowa und Kustendsche durch eine östreichisch-französische Com¬
pagnie.

Die Schwierigkeiten, an welche beide Unternehmen, über deren Bestehen im
Entwürfe ich zu mehren Malen Gelegenheit gehabt hatte, in meinen Schreiben zu
sprechen, stießen, bestanden seither wesentlich darin, daß die türkische Regierung,
welche im Allgemeinen Grundherr des Landes ist, es nicht für angemessen erachtete, aus
ihren Besitz des Terrains, welches beide Linien, die der Eisenbahn und die des Kanals,
beanspruchen, zu verzichten — andrerseits aber keine Compagnie unter andern Be¬
dingungen, als eine Ueberlassung von Grund rind Boden, sich mit der Sache be¬
fassen wollte. Wenn England und Frankreich nicht durch ihre Gesandten hätten
lebhaft drängen lassen, würde muthmaßlich die eine wie die andre Angelegenheit in
dieser Schwebe verblieben sein. Durch diesen Doppeleinfluß, welchen außerdem
Oestreich unterstützt zu haben scheint, kam sie endlich vor dem Tansimatconseil zur
letztlichen Entscheidung. Einmal eingebracht, konnte über den Ausfall derselben kein
Zweifel mehr obwalten. Den beiden Compagnien, von denen erst die des Kanals
lie l'feto besteht, ist vorbehaltlich des Souveränetätsrechts der Pforte die Ueberlassung
des fraglichen Bauterrains als Eigenthum zuerkannt worden.

Wie erwähnt, nimmt der Erlaß der Pforte vom 9. d. Mes. nur auf das
Eiscnbahnbauproject Bezug. In demselben ist darauf hingewiesen worden, daß die
Bedingungen, unter denen die Concession ertheilt werden wird, von den verschiede¬
nen osmanischen Gesandtschaften an den europäischen Höfen veröffentlicht werden
sollen. Bis dahin ist also jedenfalls ein letztlichcs Urtheil über die getroffenen Ar¬
rangements zu verschieben. Außerdem ist ein halbjähriger Zwischentermin, vom
1. October datirend. anberaumt worden, innerhalb welcher Zeit die auf die Unter¬
nehmung reflectirenden Compagnien ihre Vorschläge behufs der Prüfung einzureichen
haben werden.

Ueber den Kanal hat bis zu dem Augenblick, wo ich Ihnen schreibe, officiell


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/45>, abgerufen am 15.01.2025.