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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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beladen, theils hier ihre Last ablegten, theils auf dem Wege nach Maslack weiter
getrieben wurden. Das Ganze machte kaum den Eindruck einer mäßig ausge--
dehnten Lazarethstation, geschweige denn eines Kriegslagers. Zumal ließ mich
nichts was ich hier sah vermuthen, daß ich die Winterquartiere einer großen Rcitcr-
masse vor mir habe. Mich bestimmte das, vor der Hand von der Aussicht, die
französische Cavalerie hier in ihrer Gesammtzahl versammelt zu sehen, ganz Ab¬
stand zu nehmen. Daß man sofort einige Regimenter hierherziehen wird, ist
allerdings nicht unwahrscheinlich; aber jedenfalls wird das Gros erst später nach¬
folgen.

Von der fraglichen Stelle des Reiterlagers aus gewinnt man die Straße oder
Chaussee von Maslack auf einem linkswärtigen Seitenwege. Beide Lager liegen
nicht eine volle Stunde auseinander, und ich glaube, daß ich den Weg zu Fuß
in wenig mehr wie einer halben gemacht habe. Er führt über ein weites und
kahles, von keinem Baum beschattetes Plateau hinweg, und zwar nimmt man von
dieser Seite her von dem maslacker Lager erst etwas wahr, wenn man ziemlich
dicht davor ist.

Ich beschrieb Ihnen die Oertlichkeit bereits vor einem halben Jahre, als ich
auf Veranlassung der dortigen Versammlung des französischen dritten Corps die
Gegend besuchte. Was man von dein Punkte, auf welchem ich meine Ausstellung
behufs der Umschau genommen hatte, übersieht, ist ein weites Thal, welches sich
fern im Hintergrunde der Landschaft verliert und von mehren Bächen bewässert
wird, die wiederum Zuflüsse des erwähnten größeren Baches oder Flüßchens Bar-
bijses sind. Es versteht sich von selbst, daß von einer Befestigung bei einer so
weit ausgedehnten Localität nicht füglich die Rede sein kann. Wieviel Truppen
in dem Thale Platz haben mögen, wage ich umsoweniger auch nur annähernd zu
bestimmen, als ich seinen Umfang nicht nach allen Seiten hin zu übersehen ver¬
mochte. Der Raum ist auch keineswegs^ganz von den französischen Lagervorkeh¬
rungen in Anspruch genommen worden, indeß sind dieselben weitläufig genug arran-
girt und zwar scheinen die, wie der erste Anblick glauben macht, ohne leitenden
Gedanken und mit breiten Intervallen aufgeführten Barackschuppen auf die Absicht
hinzudeuten, hier ganz wie im vergangenen Jahre eben nur ein Zeltlager zu er¬
richten. Wenn man, wie die Gerüchte vor acht Tagen und länger aussagten, in
Absicht hätte, die Truppen unter Dach und Fach unterzubringen, würde man min¬
destens massenhaftes Baumaterial schon an Ort und Stelle antreffen müssen, was
nicht der Fall ist.

Bis zum gegenwärtigen Augenblick befindet sich im Lager von Maslack nur
eine einzige Waffengattung: Infanterie. Ob man Cavalerie nach demselben hin¬
verlegen wird, erscheint noch zweifelhaft. Artillerie wird wol noch eintreffen und
zwar schon in den nächsten Tagen. Derzeit mögen die im Thal lagernden Bataillone
nicht mehr wie zehn sein. Ich bemerkte darunter mehre vom vierundachtzigsten
Linienregiment, welches in den Tagen vom Freitag zum Sonntag (7. zum 9. Sep¬
tember) hier ausgeschifft wurde.

Mit dem Gerücht von der Größe der in Maslack und auf dem anderen Punkte
getroffenen Vorkehrungen zerfallen zugleich alle anderen, die an dasselbe anknüpften.


beladen, theils hier ihre Last ablegten, theils auf dem Wege nach Maslack weiter
getrieben wurden. Das Ganze machte kaum den Eindruck einer mäßig ausge--
dehnten Lazarethstation, geschweige denn eines Kriegslagers. Zumal ließ mich
nichts was ich hier sah vermuthen, daß ich die Winterquartiere einer großen Rcitcr-
masse vor mir habe. Mich bestimmte das, vor der Hand von der Aussicht, die
französische Cavalerie hier in ihrer Gesammtzahl versammelt zu sehen, ganz Ab¬
stand zu nehmen. Daß man sofort einige Regimenter hierherziehen wird, ist
allerdings nicht unwahrscheinlich; aber jedenfalls wird das Gros erst später nach¬
folgen.

Von der fraglichen Stelle des Reiterlagers aus gewinnt man die Straße oder
Chaussee von Maslack auf einem linkswärtigen Seitenwege. Beide Lager liegen
nicht eine volle Stunde auseinander, und ich glaube, daß ich den Weg zu Fuß
in wenig mehr wie einer halben gemacht habe. Er führt über ein weites und
kahles, von keinem Baum beschattetes Plateau hinweg, und zwar nimmt man von
dieser Seite her von dem maslacker Lager erst etwas wahr, wenn man ziemlich
dicht davor ist.

Ich beschrieb Ihnen die Oertlichkeit bereits vor einem halben Jahre, als ich
auf Veranlassung der dortigen Versammlung des französischen dritten Corps die
Gegend besuchte. Was man von dein Punkte, auf welchem ich meine Ausstellung
behufs der Umschau genommen hatte, übersieht, ist ein weites Thal, welches sich
fern im Hintergrunde der Landschaft verliert und von mehren Bächen bewässert
wird, die wiederum Zuflüsse des erwähnten größeren Baches oder Flüßchens Bar-
bijses sind. Es versteht sich von selbst, daß von einer Befestigung bei einer so
weit ausgedehnten Localität nicht füglich die Rede sein kann. Wieviel Truppen
in dem Thale Platz haben mögen, wage ich umsoweniger auch nur annähernd zu
bestimmen, als ich seinen Umfang nicht nach allen Seiten hin zu übersehen ver¬
mochte. Der Raum ist auch keineswegs^ganz von den französischen Lagervorkeh¬
rungen in Anspruch genommen worden, indeß sind dieselben weitläufig genug arran-
girt und zwar scheinen die, wie der erste Anblick glauben macht, ohne leitenden
Gedanken und mit breiten Intervallen aufgeführten Barackschuppen auf die Absicht
hinzudeuten, hier ganz wie im vergangenen Jahre eben nur ein Zeltlager zu er¬
richten. Wenn man, wie die Gerüchte vor acht Tagen und länger aussagten, in
Absicht hätte, die Truppen unter Dach und Fach unterzubringen, würde man min¬
destens massenhaftes Baumaterial schon an Ort und Stelle antreffen müssen, was
nicht der Fall ist.

Bis zum gegenwärtigen Augenblick befindet sich im Lager von Maslack nur
eine einzige Waffengattung: Infanterie. Ob man Cavalerie nach demselben hin¬
verlegen wird, erscheint noch zweifelhaft. Artillerie wird wol noch eintreffen und
zwar schon in den nächsten Tagen. Derzeit mögen die im Thal lagernden Bataillone
nicht mehr wie zehn sein. Ich bemerkte darunter mehre vom vierundachtzigsten
Linienregiment, welches in den Tagen vom Freitag zum Sonntag (7. zum 9. Sep¬
tember) hier ausgeschifft wurde.

Mit dem Gerücht von der Größe der in Maslack und auf dem anderen Punkte
getroffenen Vorkehrungen zerfallen zugleich alle anderen, die an dasselbe anknüpften.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/44>, abgerufen am 15.01.2025.