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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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braune. Trotz dieser Geständnisse ließ ihn Leiöner wieder in Arrest abführen,
wiewol die Verbreitung der in Rede stehenden Schrift nur mit einer Strafe
von 2 bis 8 Thalern Neichsmünze (1^2 bis 6 Thalern preußisch) bedroht
worden.

Der Amtmann Davids erlaubte der Frau des Arrestanten, ihren Mann
im Gefängnisse zu sprechen, was von Leisner als ungehörige Milde laut ge¬
tadelt wurde, dem Gefangenen aber Gelegenheit gab, sich von Flensburg einen
Advocaten zu verschaffen. Dieser führte Beschwerde beim Appellationsgericht
und verlangte unverzügliche Befreiung seines Clienten aus der widerrechtlichen
Haft, aber ohne Erfolg. Der Justizbeamte rechtfertigte den Arrest damit, daß
er eine Haussuchung in Bock habe vornehmen wollen, welche indeß unterblieb.
Erst nach Verfluß einer Woche ließ der Hardesvogt die von dem Denuncian¬
ten namhaft gemachten Belastungszeugen citiren. Nur zwei bestätigten, daß
Arrestant ihnen ein Schreiben an den Minister von Scheel vorgelesen, keiner
dagegen sagte aus, daß der Ausdruck "Landplagen" darin enthalten gewesen.
In Bezug auf die Schrift des Pastor Hansen gaben mehre an, daß der An¬
geklagte sie ihnen zu lesen gegeben; ob dies jedoch vor oder nach dem (bei¬
läufig im Amte Gottorp nicht einmal publicirten) ministeriellen Verbote ge¬
schehen, beliebte der Hardesvogt gar nicht zu fragen. Der Arrestant wurde
nunmehr entlassen, dabei aber bedeutet, daß ihn eine härtere Strafe treffen
werde, wenn er zu dem in Schleswig wohnenden Juristen gehe, von welchem
er die hansensche Schrift erhalten habe. Nach einigen Wochen fällte Hardes¬
vogt LeiSner das Urtheil, daß Inculpat, "da er einen an den Geh. Con-
ferenzrath von Scheel geschriebenen Brief, worin er sich über mehre Regierungs¬
maßregeln beschwert, andern vorgelesen und serner die Schrift des Pastors
Hansen, welche nur in der Absicht geschrieben sein könne, den Umtrieben einer
immer noch thätigen revolutionären Partei Vorschub zu leisten, verbreitet habe,
wegen'dadurch begangener Aufreizung zur Unzufriedenheit mit den Veranstal¬
tungen der Negierung eine Brüche von 60 Thlr. NeichSmünze zu erlegen und
die Untersuchungskosten zu bezahlen schuldig sei."

Der Verurtheilte legte gegen dieses leichtfertige Erkenntniß Recurs beim
Appellationsgerichte zu Flensburg ein, und dieses hob -- es war freilich auch
zu arg -- die Strafe auf, erklärte aber, der Hufner habe die Untersuchungs¬
kosten (die nebenbei bemerkt phne die Atzung im achttägigen Gefängniß
33 Thaler R. M. betrugen) zu bezahlen, weil er durch anfängliches Leugnen
sich verdächtig gemacht und dadurch den Fortgang der Untersuchung selbst ver¬
anlaßt habe.

Zeigt schon diese Anekdote, in was für Händen hier zu Lande Recht und
Gerechtigkeit sind, so wird die folgende, welche nichts mit der Politik zu schaffen
hat, Juristen wie. Laien über die Weisheit, die hier zu Gerichte sitzt, noch mehr


braune. Trotz dieser Geständnisse ließ ihn Leiöner wieder in Arrest abführen,
wiewol die Verbreitung der in Rede stehenden Schrift nur mit einer Strafe
von 2 bis 8 Thalern Neichsmünze (1^2 bis 6 Thalern preußisch) bedroht
worden.

Der Amtmann Davids erlaubte der Frau des Arrestanten, ihren Mann
im Gefängnisse zu sprechen, was von Leisner als ungehörige Milde laut ge¬
tadelt wurde, dem Gefangenen aber Gelegenheit gab, sich von Flensburg einen
Advocaten zu verschaffen. Dieser führte Beschwerde beim Appellationsgericht
und verlangte unverzügliche Befreiung seines Clienten aus der widerrechtlichen
Haft, aber ohne Erfolg. Der Justizbeamte rechtfertigte den Arrest damit, daß
er eine Haussuchung in Bock habe vornehmen wollen, welche indeß unterblieb.
Erst nach Verfluß einer Woche ließ der Hardesvogt die von dem Denuncian¬
ten namhaft gemachten Belastungszeugen citiren. Nur zwei bestätigten, daß
Arrestant ihnen ein Schreiben an den Minister von Scheel vorgelesen, keiner
dagegen sagte aus, daß der Ausdruck „Landplagen" darin enthalten gewesen.
In Bezug auf die Schrift des Pastor Hansen gaben mehre an, daß der An¬
geklagte sie ihnen zu lesen gegeben; ob dies jedoch vor oder nach dem (bei¬
läufig im Amte Gottorp nicht einmal publicirten) ministeriellen Verbote ge¬
schehen, beliebte der Hardesvogt gar nicht zu fragen. Der Arrestant wurde
nunmehr entlassen, dabei aber bedeutet, daß ihn eine härtere Strafe treffen
werde, wenn er zu dem in Schleswig wohnenden Juristen gehe, von welchem
er die hansensche Schrift erhalten habe. Nach einigen Wochen fällte Hardes¬
vogt LeiSner das Urtheil, daß Inculpat, „da er einen an den Geh. Con-
ferenzrath von Scheel geschriebenen Brief, worin er sich über mehre Regierungs¬
maßregeln beschwert, andern vorgelesen und serner die Schrift des Pastors
Hansen, welche nur in der Absicht geschrieben sein könne, den Umtrieben einer
immer noch thätigen revolutionären Partei Vorschub zu leisten, verbreitet habe,
wegen'dadurch begangener Aufreizung zur Unzufriedenheit mit den Veranstal¬
tungen der Negierung eine Brüche von 60 Thlr. NeichSmünze zu erlegen und
die Untersuchungskosten zu bezahlen schuldig sei."

Der Verurtheilte legte gegen dieses leichtfertige Erkenntniß Recurs beim
Appellationsgerichte zu Flensburg ein, und dieses hob — es war freilich auch
zu arg — die Strafe auf, erklärte aber, der Hufner habe die Untersuchungs¬
kosten (die nebenbei bemerkt phne die Atzung im achttägigen Gefängniß
33 Thaler R. M. betrugen) zu bezahlen, weil er durch anfängliches Leugnen
sich verdächtig gemacht und dadurch den Fortgang der Untersuchung selbst ver¬
anlaßt habe.

Zeigt schon diese Anekdote, in was für Händen hier zu Lande Recht und
Gerechtigkeit sind, so wird die folgende, welche nichts mit der Politik zu schaffen
hat, Juristen wie. Laien über die Weisheit, die hier zu Gerichte sitzt, noch mehr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/398>, abgerufen am 02.10.2024.