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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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gen, wie der ganze Stand hier herunter ist und was für eine Zukunft es sein
wird, welche sich in dieser allgemeinen Verachtung des Klerus vorbereitet, und
so werde ich im Folgenden noch manchen Federstrich thun müssen, der meine
persönlichen Neigungen, mit denen ich um vieles lieber Anmuthiges statt An¬
widerndes zeichnete, der guten Sache zum Opfer bringt. Wäre auch nur die
Hälfte dessen, was im Munde der Leute ist, wahr, es wäre mehr als genug, um
Pfui zu rufen, und wäre alles erfunden, so bliebe immer noch die Empfindung
des Staunens übrig, wie ein Volk, welches früher so kirchlich gesinnt war, daß
Angeln allgemein das "Gösen der Pastöre" hieß, so plötzlich umgestimmt werden
konnte, daß es sich ergötzt, Schandgeschichten von dem einst hochverehrten Stande
zu erzählen und ihm nach Kräften den Genuß der Pfründe zu verleiden. Im
letztern Falle bliebe als Rest bei der Prüfung mindestens das unumstößliche
Factum gewonnen, daß die Bevölkerung dieser Striche dem Dänenthum feind
ist und daß sie ihm alle Schlechtigkeit zutraut. 'Was meine Mittheilungen be¬
trifft, so sind sie natürlich in der Wahrheit begründet und können mit voll-
' giltigen Beweisen belegt werden, wenn den Zeugen Straflosigkeit zu verbürgen
wäre.

Wie Pastor Plenge in Satrup die Kinder bei der Katechisation dänisch
fluchen lehrt, wie ein in ganz Ostcingcln seiner Danisirungswuth halber be¬
rüchtigter College von ihm der Fälschung und des Diebstahls angeklagt wird,
wie der Pfarrer eines auch im innern Deutschland sehr bekannten Ortes in
Südangeln sich zum Skandal aller Welt wiederholt betrunken, wie derselbe er¬
wiesenermaßen sub unis pÄ8lor-iU gelogen hat, werde ich später zeigen. Hier
nur die Bemerkung, daß derartige Dinge sich mit Blitzesschnelle von einem
Ende der Landschaft bis zum andern verbreiten.

Zu den stattlichsten Kirchen Angelus gehört ti.e eines Dorfes, welches im
Obigen genannt ist, hier dagegen aus bekannten Gründen unbekannt bleiben
muß. ES ist in der That eine sehr schmucke Kirche. An Pfarrer und Pfarrhaus
aber knüpfen sich Gerüchte, so greuelvoll, daß sie sich hier nur andeuten lassen,
leider aber so wohlbegründet, daß selbst die Freunde der Familie keinen Wider¬
spruch wagen. Pastor X. selbst allerdings wird als gutmüthig gelobt, und es trifft
sein Privatleben kein andrer Vorwurf, als daß er sich einige Mal in der Ge¬
sellschaft dänischer Offiziere einen Haarbeutel geholt, dessen Schwere ihn unter
den Tisch gezogen. Was aber sagen unsre Geistlichen dazu, daß die Frau
Pastorin sich regelmäßig einfindet, wenn die Knechte in der Schenke Tanz
haben, daß sie lustig mitwalzt, daß sie sich erst spät in der Nacht von ihren
Tänzern heimbringen läßt? Und was sagen sie zu einer Erziehung und einem
häuslichen Leben, wo, wie hier, die eine der beiden Töchter Mutter wurde, ehe
sie Frau war, und wo die andere vor demselben Geschick nur durch eine sehr,
beschleunigte Heirath zu bewahren war? Und was sagen sie endlich dazu, daß


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gen, wie der ganze Stand hier herunter ist und was für eine Zukunft es sein
wird, welche sich in dieser allgemeinen Verachtung des Klerus vorbereitet, und
so werde ich im Folgenden noch manchen Federstrich thun müssen, der meine
persönlichen Neigungen, mit denen ich um vieles lieber Anmuthiges statt An¬
widerndes zeichnete, der guten Sache zum Opfer bringt. Wäre auch nur die
Hälfte dessen, was im Munde der Leute ist, wahr, es wäre mehr als genug, um
Pfui zu rufen, und wäre alles erfunden, so bliebe immer noch die Empfindung
des Staunens übrig, wie ein Volk, welches früher so kirchlich gesinnt war, daß
Angeln allgemein das „Gösen der Pastöre" hieß, so plötzlich umgestimmt werden
konnte, daß es sich ergötzt, Schandgeschichten von dem einst hochverehrten Stande
zu erzählen und ihm nach Kräften den Genuß der Pfründe zu verleiden. Im
letztern Falle bliebe als Rest bei der Prüfung mindestens das unumstößliche
Factum gewonnen, daß die Bevölkerung dieser Striche dem Dänenthum feind
ist und daß sie ihm alle Schlechtigkeit zutraut. 'Was meine Mittheilungen be¬
trifft, so sind sie natürlich in der Wahrheit begründet und können mit voll-
' giltigen Beweisen belegt werden, wenn den Zeugen Straflosigkeit zu verbürgen
wäre.

Wie Pastor Plenge in Satrup die Kinder bei der Katechisation dänisch
fluchen lehrt, wie ein in ganz Ostcingcln seiner Danisirungswuth halber be¬
rüchtigter College von ihm der Fälschung und des Diebstahls angeklagt wird,
wie der Pfarrer eines auch im innern Deutschland sehr bekannten Ortes in
Südangeln sich zum Skandal aller Welt wiederholt betrunken, wie derselbe er¬
wiesenermaßen sub unis pÄ8lor-iU gelogen hat, werde ich später zeigen. Hier
nur die Bemerkung, daß derartige Dinge sich mit Blitzesschnelle von einem
Ende der Landschaft bis zum andern verbreiten.

Zu den stattlichsten Kirchen Angelus gehört ti.e eines Dorfes, welches im
Obigen genannt ist, hier dagegen aus bekannten Gründen unbekannt bleiben
muß. ES ist in der That eine sehr schmucke Kirche. An Pfarrer und Pfarrhaus
aber knüpfen sich Gerüchte, so greuelvoll, daß sie sich hier nur andeuten lassen,
leider aber so wohlbegründet, daß selbst die Freunde der Familie keinen Wider¬
spruch wagen. Pastor X. selbst allerdings wird als gutmüthig gelobt, und es trifft
sein Privatleben kein andrer Vorwurf, als daß er sich einige Mal in der Ge¬
sellschaft dänischer Offiziere einen Haarbeutel geholt, dessen Schwere ihn unter
den Tisch gezogen. Was aber sagen unsre Geistlichen dazu, daß die Frau
Pastorin sich regelmäßig einfindet, wenn die Knechte in der Schenke Tanz
haben, daß sie lustig mitwalzt, daß sie sich erst spät in der Nacht von ihren
Tänzern heimbringen läßt? Und was sagen sie zu einer Erziehung und einem
häuslichen Leben, wo, wie hier, die eine der beiden Töchter Mutter wurde, ehe
sie Frau war, und wo die andere vor demselben Geschick nur durch eine sehr,
beschleunigte Heirath zu bewahren war? Und was sagen sie endlich dazu, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/395>, abgerufen am 02.10.2024.