Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.gleich dem ersteren mehr Uncibsichtlichkeit in den Nüancirungen, dem letzteren Eine neue Oper ist im vergangenen Winter gar nicht gegeben worden, Die ersten Gastrollen in der verflossenen Saison gab Frau Rinds von gleich dem ersteren mehr Uncibsichtlichkeit in den Nüancirungen, dem letzteren Eine neue Oper ist im vergangenen Winter gar nicht gegeben worden, Die ersten Gastrollen in der verflossenen Saison gab Frau Rinds von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100489"/> <p xml:id="ID_84" prev="#ID_83"> gleich dem ersteren mehr Uncibsichtlichkeit in den Nüancirungen, dem letzteren<lb/> mehr Sorgfalt im Detail zu wünschen wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_85"> Eine neue Oper ist im vergangenen Winter gar nicht gegeben worden,<lb/> dafür sind fünf Werke auf das Repertoir gekommen, die seit langer Zeit ge¬<lb/> ruht hatten. Daß der Orpheus von Gluck, dies für die Geschichte der Oper<lb/> so wichtige Werk, daS den Uebergang vom italienischen zum deutsch-französi¬<lb/> schen Stil bildet und in der Scene zwischen Orpheus und den Höllengeistern<lb/> die sich entgegenstehenden Principien zu ergreifenden dramatischen Zusammen¬<lb/> hange verbindet, neu einstudirt wurde, ist von Gelehrten wie von Umgekehrten<lb/> dankbar anerkannt worden. Denn auch die letztern freuten sich, Frl. Wagner<lb/> in einer ihr so zusagenden und glänzenden Rolle kennen zu lernen und nahmen<lb/> die Langeweile des letzten Actes mit in den Kauf. Tankred füllte zwar mehr¬<lb/> mals das Haus, doch ist das Werk, namentlich infolge der endlosen Recita¬<lb/> tive — und auch die Melodien haben wenig Mannigfaltigkeit — sehr un¬<lb/> erquicklich; überdies verstand keiner von den Sängern mit diesen leichtfüßigen<lb/> Weisen umzugehen; sie wollten Ernst machen, während Rossini nur spielte.<lb/> Aehnlich ging es dem Fra Diavolo, mit dem weder Formes noch, selbst Roger<lb/> viele Lorbeeren ernteten; nur die Zerline fand in Frau Herrenburg eine an¬<lb/> muthige Darstellerin. Es war Schade um die Oper, die einige gelungene<lb/> Musikstücke, daneben aber auch Steifes und Seichtes enthält. Auch Rossinis<lb/> Belagerung von Korinth, eine Mischung französischen und italienischen Stils<lb/> von ziemlich äußerlicher Art, aber dennoch im Einzelnen nicht ohne interessante<lb/> Partien, machte ebenfalls kein Glück. Für Glasers Adlers Horst, eine an<lb/> musikalischen Inhalt höchst unbedeutende, anspruchlose Oper, die durch das<lb/> geschickte Textbuch zu einer lebendigen Darstellung schlesischen Volkslebens ge¬<lb/> hoben wird und früher dem Komiker Beckmann zu einer seiner gelungensten<lb/> Leistungen (Vater Nenner) Gelegenheit gab, zeigte sich zwar ebenfalls keine<lb/> große Theilnahme, doch war das Haus mehrmals gefüllt, und die Aufführung<lb/> im Ganzen gelungen. Auch das leichtere Genre mag immerhin gegen voll¬<lb/> ständige Vernachlässigung geschützt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_86" next="#ID_87"> Die ersten Gastrollen in der verflossenen Saison gab Frau Rinds von<lb/> Breslau. Mit einer vollen, umfangreichen und geschickt gebildeten Mezzosv-<lb/> pranstimme begabt, besitzt sie nicht mehr die erste Jugendfrische des Organs,<lb/> aber wir müssen die Besonnenheit, mit der sie ihre Mittel beherrscht und den<lb/> Verstand, mit dem sie ihre Rollen durchdringt, anerkennen. Sie ist eine dra¬<lb/> matische Sängerin, die nicht blos nach Schönheit des äußern Klangeffects,<lb/> sondern nach Beseelung des Tons strebt. Mitunter wäre ihrer Darstellung<lb/> mehr Ruhe und äußeres Gleichmaß zu wünschen. Frl. Bury trat nur in<lb/> italienischen Opern auf. Die äußerste Höhe des sehr zarten und lieblichen<lb/> Organs spricht besonders gut an, der Vortrag zeichnete sich nicht selten durch</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
gleich dem ersteren mehr Uncibsichtlichkeit in den Nüancirungen, dem letzteren
mehr Sorgfalt im Detail zu wünschen wäre.
Eine neue Oper ist im vergangenen Winter gar nicht gegeben worden,
dafür sind fünf Werke auf das Repertoir gekommen, die seit langer Zeit ge¬
ruht hatten. Daß der Orpheus von Gluck, dies für die Geschichte der Oper
so wichtige Werk, daS den Uebergang vom italienischen zum deutsch-französi¬
schen Stil bildet und in der Scene zwischen Orpheus und den Höllengeistern
die sich entgegenstehenden Principien zu ergreifenden dramatischen Zusammen¬
hange verbindet, neu einstudirt wurde, ist von Gelehrten wie von Umgekehrten
dankbar anerkannt worden. Denn auch die letztern freuten sich, Frl. Wagner
in einer ihr so zusagenden und glänzenden Rolle kennen zu lernen und nahmen
die Langeweile des letzten Actes mit in den Kauf. Tankred füllte zwar mehr¬
mals das Haus, doch ist das Werk, namentlich infolge der endlosen Recita¬
tive — und auch die Melodien haben wenig Mannigfaltigkeit — sehr un¬
erquicklich; überdies verstand keiner von den Sängern mit diesen leichtfüßigen
Weisen umzugehen; sie wollten Ernst machen, während Rossini nur spielte.
Aehnlich ging es dem Fra Diavolo, mit dem weder Formes noch, selbst Roger
viele Lorbeeren ernteten; nur die Zerline fand in Frau Herrenburg eine an¬
muthige Darstellerin. Es war Schade um die Oper, die einige gelungene
Musikstücke, daneben aber auch Steifes und Seichtes enthält. Auch Rossinis
Belagerung von Korinth, eine Mischung französischen und italienischen Stils
von ziemlich äußerlicher Art, aber dennoch im Einzelnen nicht ohne interessante
Partien, machte ebenfalls kein Glück. Für Glasers Adlers Horst, eine an
musikalischen Inhalt höchst unbedeutende, anspruchlose Oper, die durch das
geschickte Textbuch zu einer lebendigen Darstellung schlesischen Volkslebens ge¬
hoben wird und früher dem Komiker Beckmann zu einer seiner gelungensten
Leistungen (Vater Nenner) Gelegenheit gab, zeigte sich zwar ebenfalls keine
große Theilnahme, doch war das Haus mehrmals gefüllt, und die Aufführung
im Ganzen gelungen. Auch das leichtere Genre mag immerhin gegen voll¬
ständige Vernachlässigung geschützt werden.
Die ersten Gastrollen in der verflossenen Saison gab Frau Rinds von
Breslau. Mit einer vollen, umfangreichen und geschickt gebildeten Mezzosv-
pranstimme begabt, besitzt sie nicht mehr die erste Jugendfrische des Organs,
aber wir müssen die Besonnenheit, mit der sie ihre Mittel beherrscht und den
Verstand, mit dem sie ihre Rollen durchdringt, anerkennen. Sie ist eine dra¬
matische Sängerin, die nicht blos nach Schönheit des äußern Klangeffects,
sondern nach Beseelung des Tons strebt. Mitunter wäre ihrer Darstellung
mehr Ruhe und äußeres Gleichmaß zu wünschen. Frl. Bury trat nur in
italienischen Opern auf. Die äußerste Höhe des sehr zarten und lieblichen
Organs spricht besonders gut an, der Vortrag zeichnete sich nicht selten durch
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