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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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kauft. Die Papiere waren Acten, aus denen er zu fünf und zehn Thaler das
Stück Referate und Erkenntnisse macht, mit welchen jene die Blöße ihrer Dumm¬
heit bedecken. Ich sehe ihn oft des Nachts spät noch aufsitzen, damit diese
Taugnichtse, die dann längst in den Federn sind, sich am Morgen auf ihren
Comptoiren mit seiner Intelligenz aufblähen können. Pfui sage ich über diesen
Staffeld und diesen Riis und diesen Triller und pfui über die, welche sie in
ihren Stellen lassen!"

Was den Capitqn bewogen, sich in so überaus starken Ausdrücken über
die Betreffenden zu ergießen, weiß ich nicht. Es schien aufrichtige Entrüstung
aus ihm zu sprechen. Unvorsichtig war eS jedenfalls, sich so gehen zu lassen;
denn auch der Kellner, ein flinker Bursch und heimlicher Patriot, hatte ein
Ohr auf seine Philippina gehabt und sie in einem feinen Herzen bewahrt.
Heute Morgen brachte er sie mir, in dem er einen Freund Schleswig-Holsteins
gewittert haben muß, ganz vergnüglich und weit vollständiger, als ich mir sie
gemerkt, zugleich mit dem Kaffee und einer Abschrift der Vertheidigung Pastor
Hansens*), zu der er sich in voriger Nacht die Zeit abgestohlen hatte, ein
neuer Beweis, wie lebhaften Antheil auch die niedere Classe des Volks an dem
jetzt freilich ganz aus passiven Widerstand beschränkten Kampfe mit den däni¬
schen Zwingherren nimmt. Wie gern hätte ich dem braven Burschen mit etwas
Besserem als einem guten Trinkgelde meine Freude über seine Anhänglichkeit
an die gerechte Sache zu erkennen gegeben!

Daß der Capitän zwar geschimpft, aber nicht übertrieben hatte, mögen
Ihnen noch folgende Zeilen, die ich aus einer mir von befreundeter Händ zur
Benutzung überlassenen Sammlung von Biographien und Notizen entnehme,
beweisen.

Der HardeSvogt Staffeld gehört einer Familie an, die sich auf die ehren¬
wertheste Weise an der Erhebung Schleswig-Holsteins betheiligt und in einem
ihrer Männer sogar ihr Leben sür dieselbe gelassen hat. Zu unwissend und
talentlos, um in den Herzogtümern Carriere machen zu können, ging.er kurz
vor der Zeit des Kampfes nach Kopenhagen und kam dann in Ermanglung
besserer Subjecte nach Schleswig als HardeSvogt. So weit es sein Egoismus
zuläßt, gutmüthig, hat er alten Bekannten gegenüber wiederholt zugestanden,
daß nur der Gedanke an das liebe Brot ihn auf die Seite der Dänen
geführt.

Von ganz gleichem Schlage ist sein College von Riis, in der Strurdors-
harde, der im Examen mit knapper Noth den dritten Charakter erlangte, mit



Hansen, früher Pastor zu Vivi, ein mir nicht völlig klarer Charakter, anch andern
zweifelhaft und mehr als das. war damals in Untersuchung wegen seiner Schrift über die
Dantsiruug der Kirche und Schule in Schleswig.

kauft. Die Papiere waren Acten, aus denen er zu fünf und zehn Thaler das
Stück Referate und Erkenntnisse macht, mit welchen jene die Blöße ihrer Dumm¬
heit bedecken. Ich sehe ihn oft des Nachts spät noch aufsitzen, damit diese
Taugnichtse, die dann längst in den Federn sind, sich am Morgen auf ihren
Comptoiren mit seiner Intelligenz aufblähen können. Pfui sage ich über diesen
Staffeld und diesen Riis und diesen Triller und pfui über die, welche sie in
ihren Stellen lassen!"

Was den Capitqn bewogen, sich in so überaus starken Ausdrücken über
die Betreffenden zu ergießen, weiß ich nicht. Es schien aufrichtige Entrüstung
aus ihm zu sprechen. Unvorsichtig war eS jedenfalls, sich so gehen zu lassen;
denn auch der Kellner, ein flinker Bursch und heimlicher Patriot, hatte ein
Ohr auf seine Philippina gehabt und sie in einem feinen Herzen bewahrt.
Heute Morgen brachte er sie mir, in dem er einen Freund Schleswig-Holsteins
gewittert haben muß, ganz vergnüglich und weit vollständiger, als ich mir sie
gemerkt, zugleich mit dem Kaffee und einer Abschrift der Vertheidigung Pastor
Hansens*), zu der er sich in voriger Nacht die Zeit abgestohlen hatte, ein
neuer Beweis, wie lebhaften Antheil auch die niedere Classe des Volks an dem
jetzt freilich ganz aus passiven Widerstand beschränkten Kampfe mit den däni¬
schen Zwingherren nimmt. Wie gern hätte ich dem braven Burschen mit etwas
Besserem als einem guten Trinkgelde meine Freude über seine Anhänglichkeit
an die gerechte Sache zu erkennen gegeben!

Daß der Capitän zwar geschimpft, aber nicht übertrieben hatte, mögen
Ihnen noch folgende Zeilen, die ich aus einer mir von befreundeter Händ zur
Benutzung überlassenen Sammlung von Biographien und Notizen entnehme,
beweisen.

Der HardeSvogt Staffeld gehört einer Familie an, die sich auf die ehren¬
wertheste Weise an der Erhebung Schleswig-Holsteins betheiligt und in einem
ihrer Männer sogar ihr Leben sür dieselbe gelassen hat. Zu unwissend und
talentlos, um in den Herzogtümern Carriere machen zu können, ging.er kurz
vor der Zeit des Kampfes nach Kopenhagen und kam dann in Ermanglung
besserer Subjecte nach Schleswig als HardeSvogt. So weit es sein Egoismus
zuläßt, gutmüthig, hat er alten Bekannten gegenüber wiederholt zugestanden,
daß nur der Gedanke an das liebe Brot ihn auf die Seite der Dänen
geführt.

Von ganz gleichem Schlage ist sein College von Riis, in der Strurdors-
harde, der im Examen mit knapper Noth den dritten Charakter erlangte, mit



Hansen, früher Pastor zu Vivi, ein mir nicht völlig klarer Charakter, anch andern
zweifelhaft und mehr als das. war damals in Untersuchung wegen seiner Schrift über die
Dantsiruug der Kirche und Schule in Schleswig.
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[0309] kauft. Die Papiere waren Acten, aus denen er zu fünf und zehn Thaler das Stück Referate und Erkenntnisse macht, mit welchen jene die Blöße ihrer Dumm¬ heit bedecken. Ich sehe ihn oft des Nachts spät noch aufsitzen, damit diese Taugnichtse, die dann längst in den Federn sind, sich am Morgen auf ihren Comptoiren mit seiner Intelligenz aufblähen können. Pfui sage ich über diesen Staffeld und diesen Riis und diesen Triller und pfui über die, welche sie in ihren Stellen lassen!" Was den Capitqn bewogen, sich in so überaus starken Ausdrücken über die Betreffenden zu ergießen, weiß ich nicht. Es schien aufrichtige Entrüstung aus ihm zu sprechen. Unvorsichtig war eS jedenfalls, sich so gehen zu lassen; denn auch der Kellner, ein flinker Bursch und heimlicher Patriot, hatte ein Ohr auf seine Philippina gehabt und sie in einem feinen Herzen bewahrt. Heute Morgen brachte er sie mir, in dem er einen Freund Schleswig-Holsteins gewittert haben muß, ganz vergnüglich und weit vollständiger, als ich mir sie gemerkt, zugleich mit dem Kaffee und einer Abschrift der Vertheidigung Pastor Hansens*), zu der er sich in voriger Nacht die Zeit abgestohlen hatte, ein neuer Beweis, wie lebhaften Antheil auch die niedere Classe des Volks an dem jetzt freilich ganz aus passiven Widerstand beschränkten Kampfe mit den däni¬ schen Zwingherren nimmt. Wie gern hätte ich dem braven Burschen mit etwas Besserem als einem guten Trinkgelde meine Freude über seine Anhänglichkeit an die gerechte Sache zu erkennen gegeben! Daß der Capitän zwar geschimpft, aber nicht übertrieben hatte, mögen Ihnen noch folgende Zeilen, die ich aus einer mir von befreundeter Händ zur Benutzung überlassenen Sammlung von Biographien und Notizen entnehme, beweisen. Der HardeSvogt Staffeld gehört einer Familie an, die sich auf die ehren¬ wertheste Weise an der Erhebung Schleswig-Holsteins betheiligt und in einem ihrer Männer sogar ihr Leben sür dieselbe gelassen hat. Zu unwissend und talentlos, um in den Herzogtümern Carriere machen zu können, ging.er kurz vor der Zeit des Kampfes nach Kopenhagen und kam dann in Ermanglung besserer Subjecte nach Schleswig als HardeSvogt. So weit es sein Egoismus zuläßt, gutmüthig, hat er alten Bekannten gegenüber wiederholt zugestanden, daß nur der Gedanke an das liebe Brot ihn auf die Seite der Dänen geführt. Von ganz gleichem Schlage ist sein College von Riis, in der Strurdors- harde, der im Examen mit knapper Noth den dritten Charakter erlangte, mit Hansen, früher Pastor zu Vivi, ein mir nicht völlig klarer Charakter, anch andern zweifelhaft und mehr als das. war damals in Untersuchung wegen seiner Schrift über die Dantsiruug der Kirche und Schule in Schleswig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/309>, abgerufen am 23.07.2024.