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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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lieben Handel und Wandel eine andere Berechnung als die nach Reichs-
münzc anwenden sollte. Gradezu lächerlich war es, daß der Betrag in Courant
nicht einmal daneben genannt werden durfte, obgleich Vergleichstabellen zwischen
Courant und Reichsgeld von der Regierung ausgegeben waren. Es war gestattet,
auf diese hinzuweisen, das Wort "Courant" auszusprechen dagegen wurde als
Uebertretung geahndet. Da außer den Kaufleuten und Beamten keine Seele
in den Herzogtümern die Rechnung nach Bankgeld, der nunmehrigen Reichs-
münze, kannte, so entstanden dadurch allerlei Verlegenheiten, besonders für
den Bauer und den "kleinen Mann" auf den Wochenmärkten. Auch bei dem
besten Willen hätten diese nicht sofort nach der ihnen octroyirten Münze rech¬
nen können, und so wurden von ihnen in den ersten Monaten zahllose Straf¬
gelder eingenommen.

Die Leute schrien laut über diese neue Landplage und verwünschten die
Polizei in allen Dialekten, die in dem Herzogthume gangbar waren. Sie
hatten Unrecht, insofern sie sich mit ihrem Aerger gegen die Unterbehörden
richteten, und sie hätten überhaupt Unrecht gehabt, wenn die Aenderung eine
solche Münzconvention gewesen wäre, wie die auch in Deutschland anfangs von
altgläubigen Bauern- und Bürgersfrauen mit komischer Entrüstung aufgenom¬
mene Umwandlung der Duodecimalgroschen in Neugeld. Nach dem Obigen
war die Neuerung, die hier eingeführt werden sollte, damit nur auf den ersten
Anschein in Parallele zu bringen, im Grunde aber eine entschiedene Rechts¬
verletzung, die dadurch, daß ihr größere vorangegangen sind, nicht in die
Sphäre berechtigter Acte erhoben wird. Sie wurde aber um so gehässiger
und für den Weiterblickenden um so betrübender, als sie zugleich ein Element
involoirte, welches demoralisirend wirken mußte. Dadurch, daß der neugeschaffne
Neichsschilling nur den Werth des dritten Theils seines Vorgängers und nun¬
mehrigen Nebenbuhlers, deS Courantschillings hatte, wurde eine neue Art
gegen den Willen der Verkäufer billig zu kaufen hervorgerufen, und dadurch,
daß die obengenannte Verordnung dem Angeber einer Contravention ein Drittel
des Betrags der Strafe verhieß, wurde eine Schar bezahlter Spione ge¬
schaffen, welche sich nicht damit begnügten, die betreffenden Handlungen wider das
Gesetz zur Kentniß der Behörde zu bringen, sondern unbeholfene und unvor¬
sichtige Gemüther sogar durch allerlei Kniffe zu derartigen-, für den Beutel deS
Spähers so einträglichen Sünden zu verführen bestrebt waren.

Da man bisher keine andern als Courantschillinge gekannt hatte, so war bei
Preisangaben nie das Wort Courant gebraucht worden. Ein Schilling war eben
der landesübliche, der Schleswig-holsteinische Courantschilling, oder vielmehr sein
Stellvertreter mit den Thürmen Hamburgs, dem gekrönten F MeklenburgS
oder dem Adler Lübecks, und so kam es noch nach dem Verbote der Rechnung
nach dem Landesgelde häufig vor, daß auf die Frage nach dem Werthe einer


lieben Handel und Wandel eine andere Berechnung als die nach Reichs-
münzc anwenden sollte. Gradezu lächerlich war es, daß der Betrag in Courant
nicht einmal daneben genannt werden durfte, obgleich Vergleichstabellen zwischen
Courant und Reichsgeld von der Regierung ausgegeben waren. Es war gestattet,
auf diese hinzuweisen, das Wort „Courant" auszusprechen dagegen wurde als
Uebertretung geahndet. Da außer den Kaufleuten und Beamten keine Seele
in den Herzogtümern die Rechnung nach Bankgeld, der nunmehrigen Reichs-
münze, kannte, so entstanden dadurch allerlei Verlegenheiten, besonders für
den Bauer und den „kleinen Mann" auf den Wochenmärkten. Auch bei dem
besten Willen hätten diese nicht sofort nach der ihnen octroyirten Münze rech¬
nen können, und so wurden von ihnen in den ersten Monaten zahllose Straf¬
gelder eingenommen.

Die Leute schrien laut über diese neue Landplage und verwünschten die
Polizei in allen Dialekten, die in dem Herzogthume gangbar waren. Sie
hatten Unrecht, insofern sie sich mit ihrem Aerger gegen die Unterbehörden
richteten, und sie hätten überhaupt Unrecht gehabt, wenn die Aenderung eine
solche Münzconvention gewesen wäre, wie die auch in Deutschland anfangs von
altgläubigen Bauern- und Bürgersfrauen mit komischer Entrüstung aufgenom¬
mene Umwandlung der Duodecimalgroschen in Neugeld. Nach dem Obigen
war die Neuerung, die hier eingeführt werden sollte, damit nur auf den ersten
Anschein in Parallele zu bringen, im Grunde aber eine entschiedene Rechts¬
verletzung, die dadurch, daß ihr größere vorangegangen sind, nicht in die
Sphäre berechtigter Acte erhoben wird. Sie wurde aber um so gehässiger
und für den Weiterblickenden um so betrübender, als sie zugleich ein Element
involoirte, welches demoralisirend wirken mußte. Dadurch, daß der neugeschaffne
Neichsschilling nur den Werth des dritten Theils seines Vorgängers und nun¬
mehrigen Nebenbuhlers, deS Courantschillings hatte, wurde eine neue Art
gegen den Willen der Verkäufer billig zu kaufen hervorgerufen, und dadurch,
daß die obengenannte Verordnung dem Angeber einer Contravention ein Drittel
des Betrags der Strafe verhieß, wurde eine Schar bezahlter Spione ge¬
schaffen, welche sich nicht damit begnügten, die betreffenden Handlungen wider das
Gesetz zur Kentniß der Behörde zu bringen, sondern unbeholfene und unvor¬
sichtige Gemüther sogar durch allerlei Kniffe zu derartigen-, für den Beutel deS
Spähers so einträglichen Sünden zu verführen bestrebt waren.

Da man bisher keine andern als Courantschillinge gekannt hatte, so war bei
Preisangaben nie das Wort Courant gebraucht worden. Ein Schilling war eben
der landesübliche, der Schleswig-holsteinische Courantschilling, oder vielmehr sein
Stellvertreter mit den Thürmen Hamburgs, dem gekrönten F MeklenburgS
oder dem Adler Lübecks, und so kam es noch nach dem Verbote der Rechnung
nach dem Landesgelde häufig vor, daß auf die Frage nach dem Werthe einer


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[0304] lieben Handel und Wandel eine andere Berechnung als die nach Reichs- münzc anwenden sollte. Gradezu lächerlich war es, daß der Betrag in Courant nicht einmal daneben genannt werden durfte, obgleich Vergleichstabellen zwischen Courant und Reichsgeld von der Regierung ausgegeben waren. Es war gestattet, auf diese hinzuweisen, das Wort „Courant" auszusprechen dagegen wurde als Uebertretung geahndet. Da außer den Kaufleuten und Beamten keine Seele in den Herzogtümern die Rechnung nach Bankgeld, der nunmehrigen Reichs- münze, kannte, so entstanden dadurch allerlei Verlegenheiten, besonders für den Bauer und den „kleinen Mann" auf den Wochenmärkten. Auch bei dem besten Willen hätten diese nicht sofort nach der ihnen octroyirten Münze rech¬ nen können, und so wurden von ihnen in den ersten Monaten zahllose Straf¬ gelder eingenommen. Die Leute schrien laut über diese neue Landplage und verwünschten die Polizei in allen Dialekten, die in dem Herzogthume gangbar waren. Sie hatten Unrecht, insofern sie sich mit ihrem Aerger gegen die Unterbehörden richteten, und sie hätten überhaupt Unrecht gehabt, wenn die Aenderung eine solche Münzconvention gewesen wäre, wie die auch in Deutschland anfangs von altgläubigen Bauern- und Bürgersfrauen mit komischer Entrüstung aufgenom¬ mene Umwandlung der Duodecimalgroschen in Neugeld. Nach dem Obigen war die Neuerung, die hier eingeführt werden sollte, damit nur auf den ersten Anschein in Parallele zu bringen, im Grunde aber eine entschiedene Rechts¬ verletzung, die dadurch, daß ihr größere vorangegangen sind, nicht in die Sphäre berechtigter Acte erhoben wird. Sie wurde aber um so gehässiger und für den Weiterblickenden um so betrübender, als sie zugleich ein Element involoirte, welches demoralisirend wirken mußte. Dadurch, daß der neugeschaffne Neichsschilling nur den Werth des dritten Theils seines Vorgängers und nun¬ mehrigen Nebenbuhlers, deS Courantschillings hatte, wurde eine neue Art gegen den Willen der Verkäufer billig zu kaufen hervorgerufen, und dadurch, daß die obengenannte Verordnung dem Angeber einer Contravention ein Drittel des Betrags der Strafe verhieß, wurde eine Schar bezahlter Spione ge¬ schaffen, welche sich nicht damit begnügten, die betreffenden Handlungen wider das Gesetz zur Kentniß der Behörde zu bringen, sondern unbeholfene und unvor¬ sichtige Gemüther sogar durch allerlei Kniffe zu derartigen-, für den Beutel deS Spähers so einträglichen Sünden zu verführen bestrebt waren. Da man bisher keine andern als Courantschillinge gekannt hatte, so war bei Preisangaben nie das Wort Courant gebraucht worden. Ein Schilling war eben der landesübliche, der Schleswig-holsteinische Courantschilling, oder vielmehr sein Stellvertreter mit den Thürmen Hamburgs, dem gekrönten F MeklenburgS oder dem Adler Lübecks, und so kam es noch nach dem Verbote der Rechnung nach dem Landesgelde häufig vor, daß auf die Frage nach dem Werthe einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/304>, abgerufen am 23.07.2024.