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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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selben fanden 182 Aufführungen statt, von denen 77 auf deutsche, i3 auf.
französische, 32 auf italienische Opern kommen, doch läßt sich die Grenze nicht
genau ziehen, da von manchen Componisten bekanntlich nicht bestimmt zu sagen
ist, wohin sie eigentlich gehören. Die meisten Aufführungen erlebten der
Oberon (11), die Stumme von Portier (10) und der Feensee (10); nächstdem
Tankred (7), Orpheus (6), Don Juan (6), die Hugenotten (6), die Nibelungen
von Dorn (6). Von Mozart waren der Don Juan und Figaro, von Beetho¬
ven Fidelio, von Gluck Orpheus und die beiden Iphigenien, von Weber
Oberon, der Freischütz und Euryanthe, von Spohr die Jessonda , von Meyer¬
beer die Hugenotten und der Prophet, von Flotow Stradella und Martha,
von Lortzing der Zar und Zimmermann und der Wildschütz, von Dorn
die Nibelungen, von Gläser Adlers Horst, von Kreutzer daS Nachtlager, von
Cherubini der Wasserträger, von Boieldieu die weiße Dame und Johann von
Paris, von Ander die Stumme, der Feensee, Fr" Diavolo, der Maurer, die
Krondiamanten, von Halevy die Jüdin, von Rossini Tankred und die Belage¬
rung von Korinth, von Donizetti Lucrezia Borgia, die Tochter des Regiments,
Lucia, die Favoritin, von Bellini Romeo und die Nachtwandlerin, von Me-
hul Je toller je besser, von Jsouard das Stelldichein, von Grisar der Pan-
talon, von Solls das Geheimniß, also im Ganzen 40 Opern und Operetten
auf dem Repertoir.

Unter diesen Opern findet sich nur eine, die ausschließlich dem Glanz der
äußern Ausstattung ihre Existenz verdankt, der Feensee; die übrigen, vielleicht
mit Ausnahme einiger wenigen komischen Opern, haben irgendeine musikalische
Berechtigung. Auffallen kann es, daß Mozart nur durch zwei Werke verrreten
ist. Auch sehen wir den Grund nicht recht ein, warum man die Zauberflöte
schon seit längerer Zeit zur Ruhe gesetzt hat. Die Entführung aus dem Serail
ist so schwierig in der Rollenbesetzung, daß vorübergehende Hindernisse wol bei
der größten Bühne vorkommen können. Cosi san tutte hat infolge des Tertes
nie rechtes Glück auf dem Theater gemacht und man kann nur ausnahms¬
weise eine Aufführung dieser Oper verlangen. Titus ist noch vor wenigen
Jahren mit Johanna Wagner gegeben worden und auch jetzt wol nicht als
ganz zurückgelegt zu betrachten, da die genannte Küstlerin eine ihr sehr
günstige Rolle in dem SertuS hat; damit kann man bei dem geringen dra¬
matischen Inhalt des Titus zufrieden sein. Für den nächsten Winter endlich
steht der Idomeneo in Aussicht, an dem das große Publicum vielleicht noch
weniger Geschmack finden wird, als an dem Titus, und eS wird damit der Be¬
weis geliefert, daß die Wünsche der Minderzahl, die ein historisches Interesse
an der Musik nimmt, Berücksichtigung finden. Beethoven, Weber und Gluck
dürften sich nicht beklagen; denn die ersten beiden sind mit allen ihren hervor¬
ragenden Bühnenwerken, Gluck mit drei Opern, vertreten und es ist nur ein


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selben fanden 182 Aufführungen statt, von denen 77 auf deutsche, i3 auf.
französische, 32 auf italienische Opern kommen, doch läßt sich die Grenze nicht
genau ziehen, da von manchen Componisten bekanntlich nicht bestimmt zu sagen
ist, wohin sie eigentlich gehören. Die meisten Aufführungen erlebten der
Oberon (11), die Stumme von Portier (10) und der Feensee (10); nächstdem
Tankred (7), Orpheus (6), Don Juan (6), die Hugenotten (6), die Nibelungen
von Dorn (6). Von Mozart waren der Don Juan und Figaro, von Beetho¬
ven Fidelio, von Gluck Orpheus und die beiden Iphigenien, von Weber
Oberon, der Freischütz und Euryanthe, von Spohr die Jessonda , von Meyer¬
beer die Hugenotten und der Prophet, von Flotow Stradella und Martha,
von Lortzing der Zar und Zimmermann und der Wildschütz, von Dorn
die Nibelungen, von Gläser Adlers Horst, von Kreutzer daS Nachtlager, von
Cherubini der Wasserträger, von Boieldieu die weiße Dame und Johann von
Paris, von Ander die Stumme, der Feensee, Fr« Diavolo, der Maurer, die
Krondiamanten, von Halevy die Jüdin, von Rossini Tankred und die Belage¬
rung von Korinth, von Donizetti Lucrezia Borgia, die Tochter des Regiments,
Lucia, die Favoritin, von Bellini Romeo und die Nachtwandlerin, von Me-
hul Je toller je besser, von Jsouard das Stelldichein, von Grisar der Pan-
talon, von Solls das Geheimniß, also im Ganzen 40 Opern und Operetten
auf dem Repertoir.

Unter diesen Opern findet sich nur eine, die ausschließlich dem Glanz der
äußern Ausstattung ihre Existenz verdankt, der Feensee; die übrigen, vielleicht
mit Ausnahme einiger wenigen komischen Opern, haben irgendeine musikalische
Berechtigung. Auffallen kann es, daß Mozart nur durch zwei Werke verrreten
ist. Auch sehen wir den Grund nicht recht ein, warum man die Zauberflöte
schon seit längerer Zeit zur Ruhe gesetzt hat. Die Entführung aus dem Serail
ist so schwierig in der Rollenbesetzung, daß vorübergehende Hindernisse wol bei
der größten Bühne vorkommen können. Cosi san tutte hat infolge des Tertes
nie rechtes Glück auf dem Theater gemacht und man kann nur ausnahms¬
weise eine Aufführung dieser Oper verlangen. Titus ist noch vor wenigen
Jahren mit Johanna Wagner gegeben worden und auch jetzt wol nicht als
ganz zurückgelegt zu betrachten, da die genannte Küstlerin eine ihr sehr
günstige Rolle in dem SertuS hat; damit kann man bei dem geringen dra¬
matischen Inhalt des Titus zufrieden sein. Für den nächsten Winter endlich
steht der Idomeneo in Aussicht, an dem das große Publicum vielleicht noch
weniger Geschmack finden wird, als an dem Titus, und eS wird damit der Be¬
weis geliefert, daß die Wünsche der Minderzahl, die ein historisches Interesse
an der Musik nimmt, Berücksichtigung finden. Beethoven, Weber und Gluck
dürften sich nicht beklagen; denn die ersten beiden sind mit allen ihren hervor¬
ragenden Bühnenwerken, Gluck mit drei Opern, vertreten und es ist nur ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/27>, abgerufen am 24.08.2024.