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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Person zusammenfinden. Daß Herr Fischer treuherzig und ein ehrlicher Mann
ist, versichert er selbst nicht selten, und sicher überschätzt er diese beiden Vor¬
züge seines Wesens nicht, aber in dieser seltsamen Verbindung mit seinen
andern Qualitäten sind sie grade das Gegentheil von dem, was einem Staats¬
mann der Reaction, wie Hr. Fischer diese versteht, nützlich ist. Als Privat¬
mann wäre er ohne Zweifel ein unpraktischer, hitzköpfiger, gutherziger alter
Herr geworden, als Diplomat, was er so gern sein möchte, ist er Abenteurer.

Von seinem Standpunkt hat er wol Recht, sein Leben als eine Kette
von unbegreiflichen Kränkungen und als eine immer wiederkehrende schlechte
Behandlung durch seine Zeitgenossen darzustellen. Es ist ihm in der That sehr
schlecht gegangen. Schon zur Zeit des Freiheitskrieges hatte er als hildburg-
hausischer Marschcommissar, welcher ein französisches Proviantmagazin und
80 Stück Hornvieh über den thüringer Wald geleitete, das Unglück, daß die
zum Vorspann beorderten Bauern sich in der Stille davonmachten, nicht ,,ohne
einige Connivenz^ von seiner Seite. ,Darauf machte er dem französischen
Parkcommandanten den treuherzigen Vorschlag, die ledig gehenden Parkochsen
zum Anspannen zu verwenden. Die Folge dieses strategischen Kunststückes
war, daß er des Diebstahls von zwölf Ochsen beschuldigt, arretirt und ge¬
schlossen in das französische Hauptquartier transportirt und' mit Erschießen
bedroht wurde. Kaum hat er sich der Gewandtheit erfreM, mit welcher er
sich freimacht, so begegnet ihm das Unglück, bei der Rückkehr in die Stadt
Hildburghausen mit einem herzoglichen Hofcavalier in MißHelligkeiten und in
einen Ehrenhandel zu gerathen. Bei Hofe wird die Frage, ob ein Hofcavalier
schuldig sei, einem bürgerlichen Regierungsassessor Satisfaction zu geben,
nicht nur gegen Herrn Fischer entschieden, sondern es wird sogar ein beson¬
deres Gericht eingesetzt, und endlich verurtheilt ihn der Herzog selbst durch
Mcichtspruch zu achttägigen Arrest auf der Hauptwache, wobei eS Herrn
Fischer zu erwähnenswerthen Trost gereicht, daß diese Haft in der anstän¬
digen Ofsizicrstube abgesessen werden soll. Herr Fischer flieht, obgleich er
Beamter ist, aus dem Lande und betreibt vier Monate lang die Aufhebung
dieser Cabinetsjustiz. Endlich wagt er sich zurück und man sperrt ihn ein. Es war
auch seine Absicht gar nicht gewesen, einen Dienst zu verlassen, in dem sein Ehr¬
gefühl eine so empfindliche Kränkung echalte" hatte. Im Gegentheil, sein
Ehrgeiz war rege geworden, die damaligen Landstände wollten ihm die Land¬
rathsstelle, welche sie zu vergeben hatten, übertragen, der Herzog und der
Hof sträubte sich stark dagegen. Er bekommt in der That die Arbeiten dieser
Stelle, aber nicht den Rang und nicht den Titel und vor allem nicht das,
was ihm am wichtigsten von allem diesen war, die Hoffähigkeit. Sieben
Jahre hat er die Hoffähigkeit nicht gehabt. -- Aber ihm wurde auf eine "fürst¬
liche Weise" Genugthuung: er wurde zu einer Geheimenrathssitzung berufen,


Person zusammenfinden. Daß Herr Fischer treuherzig und ein ehrlicher Mann
ist, versichert er selbst nicht selten, und sicher überschätzt er diese beiden Vor¬
züge seines Wesens nicht, aber in dieser seltsamen Verbindung mit seinen
andern Qualitäten sind sie grade das Gegentheil von dem, was einem Staats¬
mann der Reaction, wie Hr. Fischer diese versteht, nützlich ist. Als Privat¬
mann wäre er ohne Zweifel ein unpraktischer, hitzköpfiger, gutherziger alter
Herr geworden, als Diplomat, was er so gern sein möchte, ist er Abenteurer.

Von seinem Standpunkt hat er wol Recht, sein Leben als eine Kette
von unbegreiflichen Kränkungen und als eine immer wiederkehrende schlechte
Behandlung durch seine Zeitgenossen darzustellen. Es ist ihm in der That sehr
schlecht gegangen. Schon zur Zeit des Freiheitskrieges hatte er als hildburg-
hausischer Marschcommissar, welcher ein französisches Proviantmagazin und
80 Stück Hornvieh über den thüringer Wald geleitete, das Unglück, daß die
zum Vorspann beorderten Bauern sich in der Stille davonmachten, nicht ,,ohne
einige Connivenz^ von seiner Seite. ,Darauf machte er dem französischen
Parkcommandanten den treuherzigen Vorschlag, die ledig gehenden Parkochsen
zum Anspannen zu verwenden. Die Folge dieses strategischen Kunststückes
war, daß er des Diebstahls von zwölf Ochsen beschuldigt, arretirt und ge¬
schlossen in das französische Hauptquartier transportirt und' mit Erschießen
bedroht wurde. Kaum hat er sich der Gewandtheit erfreM, mit welcher er
sich freimacht, so begegnet ihm das Unglück, bei der Rückkehr in die Stadt
Hildburghausen mit einem herzoglichen Hofcavalier in MißHelligkeiten und in
einen Ehrenhandel zu gerathen. Bei Hofe wird die Frage, ob ein Hofcavalier
schuldig sei, einem bürgerlichen Regierungsassessor Satisfaction zu geben,
nicht nur gegen Herrn Fischer entschieden, sondern es wird sogar ein beson¬
deres Gericht eingesetzt, und endlich verurtheilt ihn der Herzog selbst durch
Mcichtspruch zu achttägigen Arrest auf der Hauptwache, wobei eS Herrn
Fischer zu erwähnenswerthen Trost gereicht, daß diese Haft in der anstän¬
digen Ofsizicrstube abgesessen werden soll. Herr Fischer flieht, obgleich er
Beamter ist, aus dem Lande und betreibt vier Monate lang die Aufhebung
dieser Cabinetsjustiz. Endlich wagt er sich zurück und man sperrt ihn ein. Es war
auch seine Absicht gar nicht gewesen, einen Dienst zu verlassen, in dem sein Ehr¬
gefühl eine so empfindliche Kränkung echalte» hatte. Im Gegentheil, sein
Ehrgeiz war rege geworden, die damaligen Landstände wollten ihm die Land¬
rathsstelle, welche sie zu vergeben hatten, übertragen, der Herzog und der
Hof sträubte sich stark dagegen. Er bekommt in der That die Arbeiten dieser
Stelle, aber nicht den Rang und nicht den Titel und vor allem nicht das,
was ihm am wichtigsten von allem diesen war, die Hoffähigkeit. Sieben
Jahre hat er die Hoffähigkeit nicht gehabt. — Aber ihm wurde auf eine „fürst¬
liche Weise" Genugthuung: er wurde zu einer Geheimenrathssitzung berufen,


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[0250] Person zusammenfinden. Daß Herr Fischer treuherzig und ein ehrlicher Mann ist, versichert er selbst nicht selten, und sicher überschätzt er diese beiden Vor¬ züge seines Wesens nicht, aber in dieser seltsamen Verbindung mit seinen andern Qualitäten sind sie grade das Gegentheil von dem, was einem Staats¬ mann der Reaction, wie Hr. Fischer diese versteht, nützlich ist. Als Privat¬ mann wäre er ohne Zweifel ein unpraktischer, hitzköpfiger, gutherziger alter Herr geworden, als Diplomat, was er so gern sein möchte, ist er Abenteurer. Von seinem Standpunkt hat er wol Recht, sein Leben als eine Kette von unbegreiflichen Kränkungen und als eine immer wiederkehrende schlechte Behandlung durch seine Zeitgenossen darzustellen. Es ist ihm in der That sehr schlecht gegangen. Schon zur Zeit des Freiheitskrieges hatte er als hildburg- hausischer Marschcommissar, welcher ein französisches Proviantmagazin und 80 Stück Hornvieh über den thüringer Wald geleitete, das Unglück, daß die zum Vorspann beorderten Bauern sich in der Stille davonmachten, nicht ,,ohne einige Connivenz^ von seiner Seite. ,Darauf machte er dem französischen Parkcommandanten den treuherzigen Vorschlag, die ledig gehenden Parkochsen zum Anspannen zu verwenden. Die Folge dieses strategischen Kunststückes war, daß er des Diebstahls von zwölf Ochsen beschuldigt, arretirt und ge¬ schlossen in das französische Hauptquartier transportirt und' mit Erschießen bedroht wurde. Kaum hat er sich der Gewandtheit erfreM, mit welcher er sich freimacht, so begegnet ihm das Unglück, bei der Rückkehr in die Stadt Hildburghausen mit einem herzoglichen Hofcavalier in MißHelligkeiten und in einen Ehrenhandel zu gerathen. Bei Hofe wird die Frage, ob ein Hofcavalier schuldig sei, einem bürgerlichen Regierungsassessor Satisfaction zu geben, nicht nur gegen Herrn Fischer entschieden, sondern es wird sogar ein beson¬ deres Gericht eingesetzt, und endlich verurtheilt ihn der Herzog selbst durch Mcichtspruch zu achttägigen Arrest auf der Hauptwache, wobei eS Herrn Fischer zu erwähnenswerthen Trost gereicht, daß diese Haft in der anstän¬ digen Ofsizicrstube abgesessen werden soll. Herr Fischer flieht, obgleich er Beamter ist, aus dem Lande und betreibt vier Monate lang die Aufhebung dieser Cabinetsjustiz. Endlich wagt er sich zurück und man sperrt ihn ein. Es war auch seine Absicht gar nicht gewesen, einen Dienst zu verlassen, in dem sein Ehr¬ gefühl eine so empfindliche Kränkung echalte» hatte. Im Gegentheil, sein Ehrgeiz war rege geworden, die damaligen Landstände wollten ihm die Land¬ rathsstelle, welche sie zu vergeben hatten, übertragen, der Herzog und der Hof sträubte sich stark dagegen. Er bekommt in der That die Arbeiten dieser Stelle, aber nicht den Rang und nicht den Titel und vor allem nicht das, was ihm am wichtigsten von allem diesen war, die Hoffähigkeit. Sieben Jahre hat er die Hoffähigkeit nicht gehabt. — Aber ihm wurde auf eine „fürst¬ liche Weise" Genugthuung: er wurde zu einer Geheimenrathssitzung berufen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/250>, abgerufen am 01.10.2024.