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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Das mußte man in Kiel wissen, solch einen Gesinnungstüchtigen zu¬
rückzuweisen, ungeachtet seiner Wohlangeschriebenheit bei dem allmächtigen
Minister zurückzuweisen, lediglich weil er ein Ignorant war, gehörte in die Kate¬
gorie passiven Widerstandes, war frevelhafte Auflehnung, die geahndet werden
mußte.

Ein Blick aus die Auswahl der Bestraften wirst aber ein noch helleres
Licht aus das Gebahren des Ministers. Man wollte dem Collegium als solchem
eine Lection geben, und so feste man sein Haupt, den Präsidenten, ab. Man
wollte zugleich eine Größe der Vergangenheit treffen, und so ließ man ihm
Preußer folgen, der im Jahr -1848 des Vergehens sich schuldig gemacht, sich
von der Centralgewalt Deutschlands in Uebereinstimmung mit dem Willen des
Königs von Dänemark zum Mitgliede der gemeinsamen Regierung ernennen
zu lassen. Man wollte endlich auch Privatabrechnung halten, und so wurde
Brinkmann, von dem der Herr Minister, als er noch simpler Amtmann war,
einmal einen scharfen Verweis hatte anhören müssen, vom Richterstuhle ge¬
stoßen.

In der That, ein meisterhaft geführter Schlag, bei dem nicht blos die
zwei Fliegen des Sprichworts, sondern deren zweimal zwei getroffen wurden.
Man bestrafte eine Behörde wegen ungebührlicher Gewissenhaftigkeit", man
schüchterte sie ein, man purificirte und ergänzte sie im gewünschten Grade
(denn natürlich wurde Franke unverzüglich an den Tisch gesetzt, von dem aus
ihm einige Wochen zuvor seine Untauglichkeit zum Appellationsrath bewiesen
worden war), man that überdies einen Schreckschuß unter alle schwachmüthigem
in der niedern Beamtenwelt, und man hatte schließlich das noble Vergnügen,
eine Ohrfeige, die man früher als verdient hatte einstecken müssen, von dem
sichern Standpunkte eines Ministercabinets, dessen Vorhang die Schürze der
Gräfin Dämmer, geborne Rasmussen, ist, glücklich wieder an den Mann ge¬
bracht zu haben. Bravo, Herr Minister! Mehr von diesen Stücken, und es
wird auch in Holstein dahin kommen, daß man sich lieber privatim, wenn auch
zu seinem Schaden, vergleicht, als sein Recht den Händen unwissender, dem
Dänenthume verkaufter Richter anvertraut.

Die Klagen über diesen Gewaltstreich waren noch nicht verhallt, als die
Stadt mit einer Nachricht überrascht wurde, deren Inhalt eher nach Kiew als


schössen die ins Gedränge gerathenen Gensdarmen im Rechte der Selbstvertheidigung und es
gab einige Schwerverwundete. Krohn hatte nicht nur keinen Befehl zum Feuern ertheilt,
sondern er wäre bei dem Versuche, davon abzumahnen, von einem der Gensdarmen bet einem
Haar selbst niedergestreckt worden. Trotzdem wurde er später von dänischer Seite des Mordes
angeklagt und seine Verhaftung in Kiel requirirt. Er wurde wirklich von der dortigen Be¬
hörde arretirt. Auf seiue Appellation jedoch verfügte das glnckstädter Obcrgertcht seine augen-
blickliche Freigebung. Franke aber reiste mit dem Präsidenten nach Kopenhagen, um dort zu
erklären, daß sie zu dem freisprechenden Urtheil ihre Stimmen nicht gegeben hätten.

Das mußte man in Kiel wissen, solch einen Gesinnungstüchtigen zu¬
rückzuweisen, ungeachtet seiner Wohlangeschriebenheit bei dem allmächtigen
Minister zurückzuweisen, lediglich weil er ein Ignorant war, gehörte in die Kate¬
gorie passiven Widerstandes, war frevelhafte Auflehnung, die geahndet werden
mußte.

Ein Blick aus die Auswahl der Bestraften wirst aber ein noch helleres
Licht aus das Gebahren des Ministers. Man wollte dem Collegium als solchem
eine Lection geben, und so feste man sein Haupt, den Präsidenten, ab. Man
wollte zugleich eine Größe der Vergangenheit treffen, und so ließ man ihm
Preußer folgen, der im Jahr -1848 des Vergehens sich schuldig gemacht, sich
von der Centralgewalt Deutschlands in Uebereinstimmung mit dem Willen des
Königs von Dänemark zum Mitgliede der gemeinsamen Regierung ernennen
zu lassen. Man wollte endlich auch Privatabrechnung halten, und so wurde
Brinkmann, von dem der Herr Minister, als er noch simpler Amtmann war,
einmal einen scharfen Verweis hatte anhören müssen, vom Richterstuhle ge¬
stoßen.

In der That, ein meisterhaft geführter Schlag, bei dem nicht blos die
zwei Fliegen des Sprichworts, sondern deren zweimal zwei getroffen wurden.
Man bestrafte eine Behörde wegen ungebührlicher Gewissenhaftigkeit«, man
schüchterte sie ein, man purificirte und ergänzte sie im gewünschten Grade
(denn natürlich wurde Franke unverzüglich an den Tisch gesetzt, von dem aus
ihm einige Wochen zuvor seine Untauglichkeit zum Appellationsrath bewiesen
worden war), man that überdies einen Schreckschuß unter alle schwachmüthigem
in der niedern Beamtenwelt, und man hatte schließlich das noble Vergnügen,
eine Ohrfeige, die man früher als verdient hatte einstecken müssen, von dem
sichern Standpunkte eines Ministercabinets, dessen Vorhang die Schürze der
Gräfin Dämmer, geborne Rasmussen, ist, glücklich wieder an den Mann ge¬
bracht zu haben. Bravo, Herr Minister! Mehr von diesen Stücken, und es
wird auch in Holstein dahin kommen, daß man sich lieber privatim, wenn auch
zu seinem Schaden, vergleicht, als sein Recht den Händen unwissender, dem
Dänenthume verkaufter Richter anvertraut.

Die Klagen über diesen Gewaltstreich waren noch nicht verhallt, als die
Stadt mit einer Nachricht überrascht wurde, deren Inhalt eher nach Kiew als


schössen die ins Gedränge gerathenen Gensdarmen im Rechte der Selbstvertheidigung und es
gab einige Schwerverwundete. Krohn hatte nicht nur keinen Befehl zum Feuern ertheilt,
sondern er wäre bei dem Versuche, davon abzumahnen, von einem der Gensdarmen bet einem
Haar selbst niedergestreckt worden. Trotzdem wurde er später von dänischer Seite des Mordes
angeklagt und seine Verhaftung in Kiel requirirt. Er wurde wirklich von der dortigen Be¬
hörde arretirt. Auf seiue Appellation jedoch verfügte das glnckstädter Obcrgertcht seine augen-
blickliche Freigebung. Franke aber reiste mit dem Präsidenten nach Kopenhagen, um dort zu
erklären, daß sie zu dem freisprechenden Urtheil ihre Stimmen nicht gegeben hätten.
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[0024] Das mußte man in Kiel wissen, solch einen Gesinnungstüchtigen zu¬ rückzuweisen, ungeachtet seiner Wohlangeschriebenheit bei dem allmächtigen Minister zurückzuweisen, lediglich weil er ein Ignorant war, gehörte in die Kate¬ gorie passiven Widerstandes, war frevelhafte Auflehnung, die geahndet werden mußte. Ein Blick aus die Auswahl der Bestraften wirst aber ein noch helleres Licht aus das Gebahren des Ministers. Man wollte dem Collegium als solchem eine Lection geben, und so feste man sein Haupt, den Präsidenten, ab. Man wollte zugleich eine Größe der Vergangenheit treffen, und so ließ man ihm Preußer folgen, der im Jahr -1848 des Vergehens sich schuldig gemacht, sich von der Centralgewalt Deutschlands in Uebereinstimmung mit dem Willen des Königs von Dänemark zum Mitgliede der gemeinsamen Regierung ernennen zu lassen. Man wollte endlich auch Privatabrechnung halten, und so wurde Brinkmann, von dem der Herr Minister, als er noch simpler Amtmann war, einmal einen scharfen Verweis hatte anhören müssen, vom Richterstuhle ge¬ stoßen. In der That, ein meisterhaft geführter Schlag, bei dem nicht blos die zwei Fliegen des Sprichworts, sondern deren zweimal zwei getroffen wurden. Man bestrafte eine Behörde wegen ungebührlicher Gewissenhaftigkeit«, man schüchterte sie ein, man purificirte und ergänzte sie im gewünschten Grade (denn natürlich wurde Franke unverzüglich an den Tisch gesetzt, von dem aus ihm einige Wochen zuvor seine Untauglichkeit zum Appellationsrath bewiesen worden war), man that überdies einen Schreckschuß unter alle schwachmüthigem in der niedern Beamtenwelt, und man hatte schließlich das noble Vergnügen, eine Ohrfeige, die man früher als verdient hatte einstecken müssen, von dem sichern Standpunkte eines Ministercabinets, dessen Vorhang die Schürze der Gräfin Dämmer, geborne Rasmussen, ist, glücklich wieder an den Mann ge¬ bracht zu haben. Bravo, Herr Minister! Mehr von diesen Stücken, und es wird auch in Holstein dahin kommen, daß man sich lieber privatim, wenn auch zu seinem Schaden, vergleicht, als sein Recht den Händen unwissender, dem Dänenthume verkaufter Richter anvertraut. Die Klagen über diesen Gewaltstreich waren noch nicht verhallt, als die Stadt mit einer Nachricht überrascht wurde, deren Inhalt eher nach Kiew als schössen die ins Gedränge gerathenen Gensdarmen im Rechte der Selbstvertheidigung und es gab einige Schwerverwundete. Krohn hatte nicht nur keinen Befehl zum Feuern ertheilt, sondern er wäre bei dem Versuche, davon abzumahnen, von einem der Gensdarmen bet einem Haar selbst niedergestreckt worden. Trotzdem wurde er später von dänischer Seite des Mordes angeklagt und seine Verhaftung in Kiel requirirt. Er wurde wirklich von der dortigen Be¬ hörde arretirt. Auf seiue Appellation jedoch verfügte das glnckstädter Obcrgertcht seine augen- blickliche Freigebung. Franke aber reiste mit dem Präsidenten nach Kopenhagen, um dort zu erklären, daß sie zu dem freisprechenden Urtheil ihre Stimmen nicht gegeben hätten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/24>, abgerufen am 24.08.2024.