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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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unerzählt lassen mag, da eS einen weitern Beleg zu der Stimmung liefert, die
hier zu Lande in Bezug aus die Dänen herrscht. Auf dem Sitze mir gegen¬
über hatte ein Ehepaar mit einem hübschen Knaben Platz genommen. Als
Freund aller hübschen Kinder tändelte ich mit dem Kleinen. Die Eltern schie¬
nen es gern zu sehen, und so wurde aus der Unterhaltung mit dem Knaben,
der ganz brav und ohne alle Schüchternheit antwortete, ein freundliches Ver¬
hältniß zu Vater und Mutter. Da gab mir ein böses Ungefähr einen Ge¬
danken ein, der allem Verkehr sofort ein Ende machte. Ich fragte den Kleinen,
ob er bald in die Schule gehen werde, und als er das'bejahte, knüpfte ich
daran die Bemerkung: "Nun, so wirst du wol auch hübsch fleißig Dänisch
lernen wollen?" Die Wirkung der unüberlegten Frage war eine augenblick¬
liche. Die Mutter fuhr zusammen, wie von einer Natter gebissen. Der Vater
warf mir einen stummen Blick tiefster Verachtung zu. "Komm mein Kind!"
sagte die Frau und nahm mir den Knaben vom Schoße. "Setze dich hierher,"
fügte der Mann hinzu, "und sienne nicht, du brauchst nicht Dänisch zu
lernen." Damit hatte unsre Bekanntschaft ein Ende. Man hielt mich offen¬
bar für einen Dänen. Die Eisenbahn war nicht der Ort zu einer Erklärung
des Sinns, in dem ich die unglückliche Bemerkung gethan hatte, und so blieb
es bei der Entfremdung, von der ich nicht recht wußte, ob ich mich mehr über
sie freuen oder ärgern sollte.

Am Bahnhöfe beim Klosterkruge bekam ich die ersten Gendarmen zu Ge¬
sicht, Reiter mit lichtblauen Uniformen, rothen Aufschlägen und Tschackoö, be¬
waffnet mit Säbel und Pistolen. Nur das Herzogthum Schleswig hat deren,
doch sollen sie demnächst auch in Holstein eingeführt werden. Dieselben be¬
stehen aus ISO reitenden und 20 Fußgendarmen, werden von 2 Rittmeistern,
7 Premierlieutenants, 2S Wachtmeistern und 5 Sergeanten befehligt, die ihrer¬
seits wieder unter einem Inspector stehen. Das Institut, welches nach deut¬
schen Vorbildern geschaffen ist und in Deutschland von Verständigen als noth¬
wendige Staatseinrichtung geachtet sein würde, gilt hier selbst bei den Ver¬
ständigsten alö eine bloße Landplage. Es ist, sagt man, nicht sowol zur Ab¬
wehr der Diebe, alö zur Einschüchterung der honetten Leute gegründet. Schon
die Stärke des Corps zeigt in Vergleich mit der Kleinheit des Landes, daß
andere Zwecke, alö die Sicherung desselben vor Beeinträchtigung deS.Eigen¬
thums bei Schöpfung desselben maßgebend waren. Noch mehr wird dies zum
Bewußtsein gebracht durch die Bemerkung, daß sämmtliche Offiziere, sowie ein
großer Theil der Unteroffiziere und Gemeinen Dänen sind und wenn die ver¬
schiedenen Stimmen, die ich auf dem Lande sowol wie in der Slave über die
Sache hörte, sich einmüthig dahin äußerten, die Gendarmerie bekomme ihren
Gehalt lediglich dafür, baß sie ihre Pferde striegle, vie Knöpfe ihrer Montur
blank halte, die Sauvegarde der in den gemischten Distrikten unter dem Titel


unerzählt lassen mag, da eS einen weitern Beleg zu der Stimmung liefert, die
hier zu Lande in Bezug aus die Dänen herrscht. Auf dem Sitze mir gegen¬
über hatte ein Ehepaar mit einem hübschen Knaben Platz genommen. Als
Freund aller hübschen Kinder tändelte ich mit dem Kleinen. Die Eltern schie¬
nen es gern zu sehen, und so wurde aus der Unterhaltung mit dem Knaben,
der ganz brav und ohne alle Schüchternheit antwortete, ein freundliches Ver¬
hältniß zu Vater und Mutter. Da gab mir ein böses Ungefähr einen Ge¬
danken ein, der allem Verkehr sofort ein Ende machte. Ich fragte den Kleinen,
ob er bald in die Schule gehen werde, und als er das'bejahte, knüpfte ich
daran die Bemerkung: „Nun, so wirst du wol auch hübsch fleißig Dänisch
lernen wollen?" Die Wirkung der unüberlegten Frage war eine augenblick¬
liche. Die Mutter fuhr zusammen, wie von einer Natter gebissen. Der Vater
warf mir einen stummen Blick tiefster Verachtung zu. „Komm mein Kind!"
sagte die Frau und nahm mir den Knaben vom Schoße. „Setze dich hierher,"
fügte der Mann hinzu, „und sienne nicht, du brauchst nicht Dänisch zu
lernen." Damit hatte unsre Bekanntschaft ein Ende. Man hielt mich offen¬
bar für einen Dänen. Die Eisenbahn war nicht der Ort zu einer Erklärung
des Sinns, in dem ich die unglückliche Bemerkung gethan hatte, und so blieb
es bei der Entfremdung, von der ich nicht recht wußte, ob ich mich mehr über
sie freuen oder ärgern sollte.

Am Bahnhöfe beim Klosterkruge bekam ich die ersten Gendarmen zu Ge¬
sicht, Reiter mit lichtblauen Uniformen, rothen Aufschlägen und Tschackoö, be¬
waffnet mit Säbel und Pistolen. Nur das Herzogthum Schleswig hat deren,
doch sollen sie demnächst auch in Holstein eingeführt werden. Dieselben be¬
stehen aus ISO reitenden und 20 Fußgendarmen, werden von 2 Rittmeistern,
7 Premierlieutenants, 2S Wachtmeistern und 5 Sergeanten befehligt, die ihrer¬
seits wieder unter einem Inspector stehen. Das Institut, welches nach deut¬
schen Vorbildern geschaffen ist und in Deutschland von Verständigen als noth¬
wendige Staatseinrichtung geachtet sein würde, gilt hier selbst bei den Ver¬
ständigsten alö eine bloße Landplage. Es ist, sagt man, nicht sowol zur Ab¬
wehr der Diebe, alö zur Einschüchterung der honetten Leute gegründet. Schon
die Stärke des Corps zeigt in Vergleich mit der Kleinheit des Landes, daß
andere Zwecke, alö die Sicherung desselben vor Beeinträchtigung deS.Eigen¬
thums bei Schöpfung desselben maßgebend waren. Noch mehr wird dies zum
Bewußtsein gebracht durch die Bemerkung, daß sämmtliche Offiziere, sowie ein
großer Theil der Unteroffiziere und Gemeinen Dänen sind und wenn die ver¬
schiedenen Stimmen, die ich auf dem Lande sowol wie in der Slave über die
Sache hörte, sich einmüthig dahin äußerten, die Gendarmerie bekomme ihren
Gehalt lediglich dafür, baß sie ihre Pferde striegle, vie Knöpfe ihrer Montur
blank halte, die Sauvegarde der in den gemischten Distrikten unter dem Titel


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[0232] unerzählt lassen mag, da eS einen weitern Beleg zu der Stimmung liefert, die hier zu Lande in Bezug aus die Dänen herrscht. Auf dem Sitze mir gegen¬ über hatte ein Ehepaar mit einem hübschen Knaben Platz genommen. Als Freund aller hübschen Kinder tändelte ich mit dem Kleinen. Die Eltern schie¬ nen es gern zu sehen, und so wurde aus der Unterhaltung mit dem Knaben, der ganz brav und ohne alle Schüchternheit antwortete, ein freundliches Ver¬ hältniß zu Vater und Mutter. Da gab mir ein böses Ungefähr einen Ge¬ danken ein, der allem Verkehr sofort ein Ende machte. Ich fragte den Kleinen, ob er bald in die Schule gehen werde, und als er das'bejahte, knüpfte ich daran die Bemerkung: „Nun, so wirst du wol auch hübsch fleißig Dänisch lernen wollen?" Die Wirkung der unüberlegten Frage war eine augenblick¬ liche. Die Mutter fuhr zusammen, wie von einer Natter gebissen. Der Vater warf mir einen stummen Blick tiefster Verachtung zu. „Komm mein Kind!" sagte die Frau und nahm mir den Knaben vom Schoße. „Setze dich hierher," fügte der Mann hinzu, „und sienne nicht, du brauchst nicht Dänisch zu lernen." Damit hatte unsre Bekanntschaft ein Ende. Man hielt mich offen¬ bar für einen Dänen. Die Eisenbahn war nicht der Ort zu einer Erklärung des Sinns, in dem ich die unglückliche Bemerkung gethan hatte, und so blieb es bei der Entfremdung, von der ich nicht recht wußte, ob ich mich mehr über sie freuen oder ärgern sollte. Am Bahnhöfe beim Klosterkruge bekam ich die ersten Gendarmen zu Ge¬ sicht, Reiter mit lichtblauen Uniformen, rothen Aufschlägen und Tschackoö, be¬ waffnet mit Säbel und Pistolen. Nur das Herzogthum Schleswig hat deren, doch sollen sie demnächst auch in Holstein eingeführt werden. Dieselben be¬ stehen aus ISO reitenden und 20 Fußgendarmen, werden von 2 Rittmeistern, 7 Premierlieutenants, 2S Wachtmeistern und 5 Sergeanten befehligt, die ihrer¬ seits wieder unter einem Inspector stehen. Das Institut, welches nach deut¬ schen Vorbildern geschaffen ist und in Deutschland von Verständigen als noth¬ wendige Staatseinrichtung geachtet sein würde, gilt hier selbst bei den Ver¬ ständigsten alö eine bloße Landplage. Es ist, sagt man, nicht sowol zur Ab¬ wehr der Diebe, alö zur Einschüchterung der honetten Leute gegründet. Schon die Stärke des Corps zeigt in Vergleich mit der Kleinheit des Landes, daß andere Zwecke, alö die Sicherung desselben vor Beeinträchtigung deS.Eigen¬ thums bei Schöpfung desselben maßgebend waren. Noch mehr wird dies zum Bewußtsein gebracht durch die Bemerkung, daß sämmtliche Offiziere, sowie ein großer Theil der Unteroffiziere und Gemeinen Dänen sind und wenn die ver¬ schiedenen Stimmen, die ich auf dem Lande sowol wie in der Slave über die Sache hörte, sich einmüthig dahin äußerten, die Gendarmerie bekomme ihren Gehalt lediglich dafür, baß sie ihre Pferde striegle, vie Knöpfe ihrer Montur blank halte, die Sauvegarde der in den gemischten Distrikten unter dem Titel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/232>, abgerufen am 15.01.2025.