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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Eine so milde Beurtheilung offenbarer Verletzung der Amtspflicht wirb
Sie Wunder nehmen. Diejenigen, welche die Verhältnisse in Kopenhagen
kennen, wundern sich nicht darüber. Unter den dort einflußreichen Persönlich¬
keiten bekannt werden, heißt das Staunen verlernen.

Geschichten von der kvpenhagner Dame und . ihrer Tafelrunde, mit
denen ich ebenfalls aufwarten könnte, eignen, sich aus mehren guten Gründen
hier nicht zur Mittheilung. Dagegen steht der Ausstellung des Porträts einer
ihrer Paladine wol umsoweniger etwas im Wege, als jeder Pinselstrich an dem¬
selben als völlig naturgetreu gelten kann und als es andrerseits wünschenswerth
ist, daß die deutschen Zeitungen, in denen besagter Ritter bisweilen eine Lanze für
Dänemark und "Dänemarks Genius" bricht (wir könnten diese Blätter nam¬
haft machen) über das Gesicht, das hinter dem Visir steckt, über Ahnen und
Wappen desselben aufgeklärt werden. Die Geschichte zeigt zugleich, daß die¬
jenigen im Unrecht sind, welche meinen, nur in der Türkei passire es noch,
daß aus einem Lump ein vornehmer Mann würde.

Jonas, der Sohn eines mecklenburger Juden, trieb in seiner Jugend das
bescheidene Gewerbe eines Hausirers mit Band und Schnürsenkeln. Hochstre¬
benden Geistes hielt er dabei die Grenzen dessen nicht inne, was die gemeine
Welt als Begriff des Eigenthums bezeichnet. Er beging mit andern Worten
einen Diebstahl und zwar einen qualificirten. Die Leute im mecklenburger
Staatsschiffe dachten darüber ungefähr so, wie die Schiffer, die seinen Namens¬
vetter, den Propheten, so übel behandelten. Sie hielten ihn für gefährlich,
warfen ihn über Bord und der Walfisch des Zuchthauses kam und verschlang
ihn auf ein Jahr. Als er ihn nach Ablauf dieser Zeit wieder ausgespien, war
der ehemalige Bandjude, Gottes Wunder! plötzlich Doctor und wie er sich
genauer besah, sogar Professor geworden. Als solcher setzte er sich flugs hin
und schrieb ein Buch: "Die Seele ist unsterblich" -- ein sehr löbliches Unter¬
nehmen , nur Schade, daß der Verfasser beim Sammeln von Subscribenten
wieder in seine alte unrichtige Ansicht von erlaubtem Verdienst verfiel und sich
infolge dessen verschiedener Schwindeleien schuldig machte. Auf Grund dessen
wurde er in Akkon" bestraft. Eine Anklage auf Sodomie bewirkte, daß der
Professor der Unsterblichkeit von Hamburg ausgewiesen wurde. Er verschwand
auf einige Zeit und man glaubte ihn schon in Amerika, als sein Name plötzlich
im hannoverschen Polizeiblatte austauchte, wo er wegen Betrugs steckbrieflich
verfolgt wurde. Man konnte seiner nicht habhaft werden.

Mehre Jahre ließ er nun nichts von sich hören. Leute, die sich seiner
von Altona her erinnerten, behaupteten zwar, den Verschollenen in Kopenhagen
gesehen zu haben, aber bestimmte Nachrichten wurden erst während des Kriegs
über ihn erlangt, wo er, der in der dunkeln Zwischenzeit das Vertrauen
Christians VIII. zu gewinnen gewußt und in ähnlicher Weise wie Ostwald Ver-


Eine so milde Beurtheilung offenbarer Verletzung der Amtspflicht wirb
Sie Wunder nehmen. Diejenigen, welche die Verhältnisse in Kopenhagen
kennen, wundern sich nicht darüber. Unter den dort einflußreichen Persönlich¬
keiten bekannt werden, heißt das Staunen verlernen.

Geschichten von der kvpenhagner Dame und . ihrer Tafelrunde, mit
denen ich ebenfalls aufwarten könnte, eignen, sich aus mehren guten Gründen
hier nicht zur Mittheilung. Dagegen steht der Ausstellung des Porträts einer
ihrer Paladine wol umsoweniger etwas im Wege, als jeder Pinselstrich an dem¬
selben als völlig naturgetreu gelten kann und als es andrerseits wünschenswerth
ist, daß die deutschen Zeitungen, in denen besagter Ritter bisweilen eine Lanze für
Dänemark und „Dänemarks Genius" bricht (wir könnten diese Blätter nam¬
haft machen) über das Gesicht, das hinter dem Visir steckt, über Ahnen und
Wappen desselben aufgeklärt werden. Die Geschichte zeigt zugleich, daß die¬
jenigen im Unrecht sind, welche meinen, nur in der Türkei passire es noch,
daß aus einem Lump ein vornehmer Mann würde.

Jonas, der Sohn eines mecklenburger Juden, trieb in seiner Jugend das
bescheidene Gewerbe eines Hausirers mit Band und Schnürsenkeln. Hochstre¬
benden Geistes hielt er dabei die Grenzen dessen nicht inne, was die gemeine
Welt als Begriff des Eigenthums bezeichnet. Er beging mit andern Worten
einen Diebstahl und zwar einen qualificirten. Die Leute im mecklenburger
Staatsschiffe dachten darüber ungefähr so, wie die Schiffer, die seinen Namens¬
vetter, den Propheten, so übel behandelten. Sie hielten ihn für gefährlich,
warfen ihn über Bord und der Walfisch des Zuchthauses kam und verschlang
ihn auf ein Jahr. Als er ihn nach Ablauf dieser Zeit wieder ausgespien, war
der ehemalige Bandjude, Gottes Wunder! plötzlich Doctor und wie er sich
genauer besah, sogar Professor geworden. Als solcher setzte er sich flugs hin
und schrieb ein Buch: „Die Seele ist unsterblich" — ein sehr löbliches Unter¬
nehmen , nur Schade, daß der Verfasser beim Sammeln von Subscribenten
wieder in seine alte unrichtige Ansicht von erlaubtem Verdienst verfiel und sich
infolge dessen verschiedener Schwindeleien schuldig machte. Auf Grund dessen
wurde er in Akkon« bestraft. Eine Anklage auf Sodomie bewirkte, daß der
Professor der Unsterblichkeit von Hamburg ausgewiesen wurde. Er verschwand
auf einige Zeit und man glaubte ihn schon in Amerika, als sein Name plötzlich
im hannoverschen Polizeiblatte austauchte, wo er wegen Betrugs steckbrieflich
verfolgt wurde. Man konnte seiner nicht habhaft werden.

Mehre Jahre ließ er nun nichts von sich hören. Leute, die sich seiner
von Altona her erinnerten, behaupteten zwar, den Verschollenen in Kopenhagen
gesehen zu haben, aber bestimmte Nachrichten wurden erst während des Kriegs
über ihn erlangt, wo er, der in der dunkeln Zwischenzeit das Vertrauen
Christians VIII. zu gewinnen gewußt und in ähnlicher Weise wie Ostwald Ver-


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[0230] Eine so milde Beurtheilung offenbarer Verletzung der Amtspflicht wirb Sie Wunder nehmen. Diejenigen, welche die Verhältnisse in Kopenhagen kennen, wundern sich nicht darüber. Unter den dort einflußreichen Persönlich¬ keiten bekannt werden, heißt das Staunen verlernen. Geschichten von der kvpenhagner Dame und . ihrer Tafelrunde, mit denen ich ebenfalls aufwarten könnte, eignen, sich aus mehren guten Gründen hier nicht zur Mittheilung. Dagegen steht der Ausstellung des Porträts einer ihrer Paladine wol umsoweniger etwas im Wege, als jeder Pinselstrich an dem¬ selben als völlig naturgetreu gelten kann und als es andrerseits wünschenswerth ist, daß die deutschen Zeitungen, in denen besagter Ritter bisweilen eine Lanze für Dänemark und „Dänemarks Genius" bricht (wir könnten diese Blätter nam¬ haft machen) über das Gesicht, das hinter dem Visir steckt, über Ahnen und Wappen desselben aufgeklärt werden. Die Geschichte zeigt zugleich, daß die¬ jenigen im Unrecht sind, welche meinen, nur in der Türkei passire es noch, daß aus einem Lump ein vornehmer Mann würde. Jonas, der Sohn eines mecklenburger Juden, trieb in seiner Jugend das bescheidene Gewerbe eines Hausirers mit Band und Schnürsenkeln. Hochstre¬ benden Geistes hielt er dabei die Grenzen dessen nicht inne, was die gemeine Welt als Begriff des Eigenthums bezeichnet. Er beging mit andern Worten einen Diebstahl und zwar einen qualificirten. Die Leute im mecklenburger Staatsschiffe dachten darüber ungefähr so, wie die Schiffer, die seinen Namens¬ vetter, den Propheten, so übel behandelten. Sie hielten ihn für gefährlich, warfen ihn über Bord und der Walfisch des Zuchthauses kam und verschlang ihn auf ein Jahr. Als er ihn nach Ablauf dieser Zeit wieder ausgespien, war der ehemalige Bandjude, Gottes Wunder! plötzlich Doctor und wie er sich genauer besah, sogar Professor geworden. Als solcher setzte er sich flugs hin und schrieb ein Buch: „Die Seele ist unsterblich" — ein sehr löbliches Unter¬ nehmen , nur Schade, daß der Verfasser beim Sammeln von Subscribenten wieder in seine alte unrichtige Ansicht von erlaubtem Verdienst verfiel und sich infolge dessen verschiedener Schwindeleien schuldig machte. Auf Grund dessen wurde er in Akkon« bestraft. Eine Anklage auf Sodomie bewirkte, daß der Professor der Unsterblichkeit von Hamburg ausgewiesen wurde. Er verschwand auf einige Zeit und man glaubte ihn schon in Amerika, als sein Name plötzlich im hannoverschen Polizeiblatte austauchte, wo er wegen Betrugs steckbrieflich verfolgt wurde. Man konnte seiner nicht habhaft werden. Mehre Jahre ließ er nun nichts von sich hören. Leute, die sich seiner von Altona her erinnerten, behaupteten zwar, den Verschollenen in Kopenhagen gesehen zu haben, aber bestimmte Nachrichten wurden erst während des Kriegs über ihn erlangt, wo er, der in der dunkeln Zwischenzeit das Vertrauen Christians VIII. zu gewinnen gewußt und in ähnlicher Weise wie Ostwald Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/230>, abgerufen am 15.01.2025.