Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Vieles opfern zu müssen. Der Kelch war bitter, aber Rußland erhob drohend
den Zeigefinger.

Damit sei diese klägliche Geschichte vorläufig abgethan. Später gebe ich
Ihnen bei Gelegenheit einmal die Details der Manier, in welcher die Dänen
die deutschen Diplomaten in Betreff des offenkundiger, unumstößlichen Rechts
Holsteins auf Rendsburg zu täuschen bemüht waren. Für jetzt sei es nur
noch erlaubt, die Biographie eines der Helfershelfer bei diesem schmählichen
Handel anzufügen. Sie kann zeigen, welchen Schlags die Gesellen in
der Lügenschmiede sind, in der unter der Leitung Meister Wegeners die
Beweise für Dänemarks Recht angefertigt wurden. Ich glaube, es war
in den dreißiger Jahren, als sich ein gewisser Ostwald im Herzogthum Lauen¬
burg als Advocat niederließ. Man sagt, er hahe sich diese Gegend gewählt,
weil ihm das Eramen in Schleswig-Holstein zu schwer vorgekommen sei. Was
ihm an Kenntnissen fehlte, ersetzte er durch intriguantes Wesen. Die erste
Probe davon bekam ihm indeß übel. Er hetzte die Bauern eines Kirchspiels
bei Ratzeburg zum Protest gegen die völlig legal abgehaltene Wahl ihres Pre¬
digers auf, und die Folge war, daß sein fernerer Aufenthalt dort unmöglich
wurde. Er warf nun seine Augen auf Kopenhagen, wo damals Christian der
Achte einen Kreis von spekulativen Genies um sich sammelte, die um so an¬
genehmer waren, je weniger sie Bedenken besaßen. Ostwald stellte sich dem
Könige zur Verfügung, und dieser, dessen geübter Blick in ihm ein brauch¬
bares Subject erkannte, betraute ihn sofort und Nachforschungen in den
geheimen Archiven. Das Resultat des in ihn gesetzten Vertrauens waren
Vorarbeiten zu dem Öffnen Briefe. Unter dem jetzigen Könige setzte Ost¬
wald seine Bestrebungen fleißig fort und machte mitunter dem erwähnten
Wegener Concurrenz. Der Lohn seiner Arbeiten muß ihm jedoch der Wichtig¬
keit derselben nicht entsprechend geschienen haben. Denn im Jahre 183-1 bot
er der preußischen Regierung an, ihr gegen eine entsprechende Belohnung in
Baarem aus den kopenhagener Archiven nachzuweisen, daß sämmtliche in Be¬
treff Rendsburgs, sowie verschiedener Theile SüdschlcSwigs und Fehmarns von
deutscher Seite erhobene Ansprüche durchgehends begründet seien. Das An¬
erbieten des getreuen Dieners wurde abgelehnt -- wol deshalb, weil man
ohnedies von dem Rechte genügend überzeugt war und blos der Gewalt wich.
In Kopenhagen aber gab man, als die Speculation bekannt wurde, dem Ver¬
räther statt einer Wohnung auf der Festung eine Gehaltszulage, damit nicht
ökonomische Verlegenheiten ihn wieder in Versuchung führen möchten, und ge¬
genwärtig ist er als Justizrath im Ministerium für Holstein angestellt.


Zeit stets und in allen seinen Theilen als zum Herzogthum Holstein gehörig angesehen wor"
den ist.

Vieles opfern zu müssen. Der Kelch war bitter, aber Rußland erhob drohend
den Zeigefinger.

Damit sei diese klägliche Geschichte vorläufig abgethan. Später gebe ich
Ihnen bei Gelegenheit einmal die Details der Manier, in welcher die Dänen
die deutschen Diplomaten in Betreff des offenkundiger, unumstößlichen Rechts
Holsteins auf Rendsburg zu täuschen bemüht waren. Für jetzt sei es nur
noch erlaubt, die Biographie eines der Helfershelfer bei diesem schmählichen
Handel anzufügen. Sie kann zeigen, welchen Schlags die Gesellen in
der Lügenschmiede sind, in der unter der Leitung Meister Wegeners die
Beweise für Dänemarks Recht angefertigt wurden. Ich glaube, es war
in den dreißiger Jahren, als sich ein gewisser Ostwald im Herzogthum Lauen¬
burg als Advocat niederließ. Man sagt, er hahe sich diese Gegend gewählt,
weil ihm das Eramen in Schleswig-Holstein zu schwer vorgekommen sei. Was
ihm an Kenntnissen fehlte, ersetzte er durch intriguantes Wesen. Die erste
Probe davon bekam ihm indeß übel. Er hetzte die Bauern eines Kirchspiels
bei Ratzeburg zum Protest gegen die völlig legal abgehaltene Wahl ihres Pre¬
digers auf, und die Folge war, daß sein fernerer Aufenthalt dort unmöglich
wurde. Er warf nun seine Augen auf Kopenhagen, wo damals Christian der
Achte einen Kreis von spekulativen Genies um sich sammelte, die um so an¬
genehmer waren, je weniger sie Bedenken besaßen. Ostwald stellte sich dem
Könige zur Verfügung, und dieser, dessen geübter Blick in ihm ein brauch¬
bares Subject erkannte, betraute ihn sofort und Nachforschungen in den
geheimen Archiven. Das Resultat des in ihn gesetzten Vertrauens waren
Vorarbeiten zu dem Öffnen Briefe. Unter dem jetzigen Könige setzte Ost¬
wald seine Bestrebungen fleißig fort und machte mitunter dem erwähnten
Wegener Concurrenz. Der Lohn seiner Arbeiten muß ihm jedoch der Wichtig¬
keit derselben nicht entsprechend geschienen haben. Denn im Jahre 183-1 bot
er der preußischen Regierung an, ihr gegen eine entsprechende Belohnung in
Baarem aus den kopenhagener Archiven nachzuweisen, daß sämmtliche in Be¬
treff Rendsburgs, sowie verschiedener Theile SüdschlcSwigs und Fehmarns von
deutscher Seite erhobene Ansprüche durchgehends begründet seien. Das An¬
erbieten des getreuen Dieners wurde abgelehnt — wol deshalb, weil man
ohnedies von dem Rechte genügend überzeugt war und blos der Gewalt wich.
In Kopenhagen aber gab man, als die Speculation bekannt wurde, dem Ver¬
räther statt einer Wohnung auf der Festung eine Gehaltszulage, damit nicht
ökonomische Verlegenheiten ihn wieder in Versuchung führen möchten, und ge¬
genwärtig ist er als Justizrath im Ministerium für Holstein angestellt.


Zeit stets und in allen seinen Theilen als zum Herzogthum Holstein gehörig angesehen wor«
den ist.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0229" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100683"/>
            <p xml:id="ID_643" prev="#ID_642"> Vieles opfern zu müssen. Der Kelch war bitter, aber Rußland erhob drohend<lb/>
den Zeigefinger.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_644"> Damit sei diese klägliche Geschichte vorläufig abgethan. Später gebe ich<lb/>
Ihnen bei Gelegenheit einmal die Details der Manier, in welcher die Dänen<lb/>
die deutschen Diplomaten in Betreff des offenkundiger, unumstößlichen Rechts<lb/>
Holsteins auf Rendsburg zu täuschen bemüht waren. Für jetzt sei es nur<lb/>
noch erlaubt, die Biographie eines der Helfershelfer bei diesem schmählichen<lb/>
Handel anzufügen. Sie kann zeigen, welchen Schlags die Gesellen in<lb/>
der Lügenschmiede sind, in der unter der Leitung Meister Wegeners die<lb/>
Beweise für Dänemarks Recht angefertigt wurden. Ich glaube, es war<lb/>
in den dreißiger Jahren, als sich ein gewisser Ostwald im Herzogthum Lauen¬<lb/>
burg als Advocat niederließ. Man sagt, er hahe sich diese Gegend gewählt,<lb/>
weil ihm das Eramen in Schleswig-Holstein zu schwer vorgekommen sei. Was<lb/>
ihm an Kenntnissen fehlte, ersetzte er durch intriguantes Wesen. Die erste<lb/>
Probe davon bekam ihm indeß übel. Er hetzte die Bauern eines Kirchspiels<lb/>
bei Ratzeburg zum Protest gegen die völlig legal abgehaltene Wahl ihres Pre¬<lb/>
digers auf, und die Folge war, daß sein fernerer Aufenthalt dort unmöglich<lb/>
wurde. Er warf nun seine Augen auf Kopenhagen, wo damals Christian der<lb/>
Achte einen Kreis von spekulativen Genies um sich sammelte, die um so an¬<lb/>
genehmer waren, je weniger sie Bedenken besaßen. Ostwald stellte sich dem<lb/>
Könige zur Verfügung, und dieser, dessen geübter Blick in ihm ein brauch¬<lb/>
bares Subject erkannte, betraute ihn sofort und Nachforschungen in den<lb/>
geheimen Archiven. Das Resultat des in ihn gesetzten Vertrauens waren<lb/>
Vorarbeiten zu dem Öffnen Briefe. Unter dem jetzigen Könige setzte Ost¬<lb/>
wald seine Bestrebungen fleißig fort und machte mitunter dem erwähnten<lb/>
Wegener Concurrenz. Der Lohn seiner Arbeiten muß ihm jedoch der Wichtig¬<lb/>
keit derselben nicht entsprechend geschienen haben. Denn im Jahre 183-1 bot<lb/>
er der preußischen Regierung an, ihr gegen eine entsprechende Belohnung in<lb/>
Baarem aus den kopenhagener Archiven nachzuweisen, daß sämmtliche in Be¬<lb/>
treff Rendsburgs, sowie verschiedener Theile SüdschlcSwigs und Fehmarns von<lb/>
deutscher Seite erhobene Ansprüche durchgehends begründet seien. Das An¬<lb/>
erbieten des getreuen Dieners wurde abgelehnt &#x2014; wol deshalb, weil man<lb/>
ohnedies von dem Rechte genügend überzeugt war und blos der Gewalt wich.<lb/>
In Kopenhagen aber gab man, als die Speculation bekannt wurde, dem Ver¬<lb/>
räther statt einer Wohnung auf der Festung eine Gehaltszulage, damit nicht<lb/>
ökonomische Verlegenheiten ihn wieder in Versuchung führen möchten, und ge¬<lb/>
genwärtig ist er als Justizrath im Ministerium für Holstein angestellt.</p><lb/>
            <note xml:id="FID_13" prev="#FID_12" place="foot"> Zeit stets und in allen seinen Theilen als zum Herzogthum Holstein gehörig angesehen wor«<lb/>
den ist.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0229] Vieles opfern zu müssen. Der Kelch war bitter, aber Rußland erhob drohend den Zeigefinger. Damit sei diese klägliche Geschichte vorläufig abgethan. Später gebe ich Ihnen bei Gelegenheit einmal die Details der Manier, in welcher die Dänen die deutschen Diplomaten in Betreff des offenkundiger, unumstößlichen Rechts Holsteins auf Rendsburg zu täuschen bemüht waren. Für jetzt sei es nur noch erlaubt, die Biographie eines der Helfershelfer bei diesem schmählichen Handel anzufügen. Sie kann zeigen, welchen Schlags die Gesellen in der Lügenschmiede sind, in der unter der Leitung Meister Wegeners die Beweise für Dänemarks Recht angefertigt wurden. Ich glaube, es war in den dreißiger Jahren, als sich ein gewisser Ostwald im Herzogthum Lauen¬ burg als Advocat niederließ. Man sagt, er hahe sich diese Gegend gewählt, weil ihm das Eramen in Schleswig-Holstein zu schwer vorgekommen sei. Was ihm an Kenntnissen fehlte, ersetzte er durch intriguantes Wesen. Die erste Probe davon bekam ihm indeß übel. Er hetzte die Bauern eines Kirchspiels bei Ratzeburg zum Protest gegen die völlig legal abgehaltene Wahl ihres Pre¬ digers auf, und die Folge war, daß sein fernerer Aufenthalt dort unmöglich wurde. Er warf nun seine Augen auf Kopenhagen, wo damals Christian der Achte einen Kreis von spekulativen Genies um sich sammelte, die um so an¬ genehmer waren, je weniger sie Bedenken besaßen. Ostwald stellte sich dem Könige zur Verfügung, und dieser, dessen geübter Blick in ihm ein brauch¬ bares Subject erkannte, betraute ihn sofort und Nachforschungen in den geheimen Archiven. Das Resultat des in ihn gesetzten Vertrauens waren Vorarbeiten zu dem Öffnen Briefe. Unter dem jetzigen Könige setzte Ost¬ wald seine Bestrebungen fleißig fort und machte mitunter dem erwähnten Wegener Concurrenz. Der Lohn seiner Arbeiten muß ihm jedoch der Wichtig¬ keit derselben nicht entsprechend geschienen haben. Denn im Jahre 183-1 bot er der preußischen Regierung an, ihr gegen eine entsprechende Belohnung in Baarem aus den kopenhagener Archiven nachzuweisen, daß sämmtliche in Be¬ treff Rendsburgs, sowie verschiedener Theile SüdschlcSwigs und Fehmarns von deutscher Seite erhobene Ansprüche durchgehends begründet seien. Das An¬ erbieten des getreuen Dieners wurde abgelehnt — wol deshalb, weil man ohnedies von dem Rechte genügend überzeugt war und blos der Gewalt wich. In Kopenhagen aber gab man, als die Speculation bekannt wurde, dem Ver¬ räther statt einer Wohnung auf der Festung eine Gehaltszulage, damit nicht ökonomische Verlegenheiten ihn wieder in Versuchung führen möchten, und ge¬ genwärtig ist er als Justizrath im Ministerium für Holstein angestellt. Zeit stets und in allen seinen Theilen als zum Herzogthum Holstein gehörig angesehen wor« den ist.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/229
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/229>, abgerufen am 15.01.2025.