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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Das Jnteressanteste an der Stadt, das Kronwerk, ist bis auf geringe Reste
abgetragen, zu den übrigen Festungswerken verwehren die dänischen Schild-
wachen den Zutritt, und an der Stadt als solcher ist nicht viel zu schildern.
Ich kann daher kurz sein.

Rendsburg ist mit seinen elftausend Einwohnern an Größe die dritte Stadt
Holsteins. Obwol fern von der See gelegen, hat es als Mittelpunkt des
Verkehrs auf dem Kanäle, der die Nordsee mit dem baltischen Meere verbin¬
det, und als Knotenpunkt der cimbrischen Eisenbahnen eine nicht unwichtige
handelspolitische Bedeutung. Nächst Altona ferner ist es der am meisten ge¬
nannte Fabrikort in den Herzogtümern. Namentlich spielen die Erzeugnisse
der hart bei der Stadt befindlichen Karlshütte, eines der größten Eisenwerke
Norddeutschlands, im Handel eine bedeutende Rolle. Bis auf den unseligen
Umschwung der Verhältnisse bestand Rendsburg aus drei Theilen: Altstadt,
Neuwerk und Kronwerk. Die Altstadt, auf einer Insel, die von der ziemlich brei¬
ten und sehr tiefen Eider bespült wird, erbaut und rings mit grün berasten
Wällen umgeben, ist eng, winklig und unfreundlich im Innern. Giebelhäuser
und nackte Ziegelmauern herrschen auch hier vor. Das Straßenpflaster ist
schlecht. Hin und wieder stehen Linden vor den Thüren. Das Neuwerk, auf
dem südlichen Ufer des linken Flußarmes gelegen, ist weitläufiger und würde
einer Belagerung keine erheblichen Schwierigkeiten entgegenstellen. Sehr stark
dagegen war zu allen Zeiten das dem Norden zugekehrte Kronwerk, von dem
jetzt nur ein weiter Sandplatz mit einigen Vertiefungen und Erhöhungen übrig
ist, welche an die einst hier drohenden Schanzen erinnern, in wenigen Wochen
aber völlig dem Boden gleich gemacht sein werden.

Es ist merkwürdig genug, daß die Dänen nicht eher zu dem Bewußtsein
gelangten, wie der Platz eigentlich gegen sie erbaut war. Nicht weniger merk¬
würdig aber ist es, daß die deutschen Regierungen keinen energischer" Einspruch
einlegten, als Dänemark durch den berüchtigten Archivrath und Urkunden-
verdreher Wegener den Beweis zu führen unternahm, Rendsburg sei eine fchles-
wigfche Stadt, und als es an die Zerstörung des Kronwerks ging, wodurch
die Festung allein von Werth für Deutschland war. Die Sache ist zu neu,
als daß ich nicht voraussetzen dürfte, es sei Ihren Lesern noch im Gedächtniß,
daß Rendsburg nicht nur für daS Schicksal Schleswig-Holsteins entscheidend
ist, sondern auch die ganze Niederelbe und mit ihr die Haupthandelsstadt Deutsch¬
lands, Hamburg, beherrscht und in seiner militärischen Bedeutung überhaupt
erst bei Magdeburg die Grenze hat. Ebenso klar wurde damals der Rechts¬
punkt nachgewiesen.*) Aber man war damals in Preußen in der Lage,



") Vrgl. Warnstedt: "Rendsburg eine holsteinische Stadt und Festung". Kiel
Schrift, in welcher urkundlich dargethan ist, daß Rendsburg von 1350 bis auf

Das Jnteressanteste an der Stadt, das Kronwerk, ist bis auf geringe Reste
abgetragen, zu den übrigen Festungswerken verwehren die dänischen Schild-
wachen den Zutritt, und an der Stadt als solcher ist nicht viel zu schildern.
Ich kann daher kurz sein.

Rendsburg ist mit seinen elftausend Einwohnern an Größe die dritte Stadt
Holsteins. Obwol fern von der See gelegen, hat es als Mittelpunkt des
Verkehrs auf dem Kanäle, der die Nordsee mit dem baltischen Meere verbin¬
det, und als Knotenpunkt der cimbrischen Eisenbahnen eine nicht unwichtige
handelspolitische Bedeutung. Nächst Altona ferner ist es der am meisten ge¬
nannte Fabrikort in den Herzogtümern. Namentlich spielen die Erzeugnisse
der hart bei der Stadt befindlichen Karlshütte, eines der größten Eisenwerke
Norddeutschlands, im Handel eine bedeutende Rolle. Bis auf den unseligen
Umschwung der Verhältnisse bestand Rendsburg aus drei Theilen: Altstadt,
Neuwerk und Kronwerk. Die Altstadt, auf einer Insel, die von der ziemlich brei¬
ten und sehr tiefen Eider bespült wird, erbaut und rings mit grün berasten
Wällen umgeben, ist eng, winklig und unfreundlich im Innern. Giebelhäuser
und nackte Ziegelmauern herrschen auch hier vor. Das Straßenpflaster ist
schlecht. Hin und wieder stehen Linden vor den Thüren. Das Neuwerk, auf
dem südlichen Ufer des linken Flußarmes gelegen, ist weitläufiger und würde
einer Belagerung keine erheblichen Schwierigkeiten entgegenstellen. Sehr stark
dagegen war zu allen Zeiten das dem Norden zugekehrte Kronwerk, von dem
jetzt nur ein weiter Sandplatz mit einigen Vertiefungen und Erhöhungen übrig
ist, welche an die einst hier drohenden Schanzen erinnern, in wenigen Wochen
aber völlig dem Boden gleich gemacht sein werden.

Es ist merkwürdig genug, daß die Dänen nicht eher zu dem Bewußtsein
gelangten, wie der Platz eigentlich gegen sie erbaut war. Nicht weniger merk¬
würdig aber ist es, daß die deutschen Regierungen keinen energischer» Einspruch
einlegten, als Dänemark durch den berüchtigten Archivrath und Urkunden-
verdreher Wegener den Beweis zu führen unternahm, Rendsburg sei eine fchles-
wigfche Stadt, und als es an die Zerstörung des Kronwerks ging, wodurch
die Festung allein von Werth für Deutschland war. Die Sache ist zu neu,
als daß ich nicht voraussetzen dürfte, es sei Ihren Lesern noch im Gedächtniß,
daß Rendsburg nicht nur für daS Schicksal Schleswig-Holsteins entscheidend
ist, sondern auch die ganze Niederelbe und mit ihr die Haupthandelsstadt Deutsch¬
lands, Hamburg, beherrscht und in seiner militärischen Bedeutung überhaupt
erst bei Magdeburg die Grenze hat. Ebenso klar wurde damals der Rechts¬
punkt nachgewiesen.*) Aber man war damals in Preußen in der Lage,



») Vrgl. Warnstedt: „Rendsburg eine holsteinische Stadt und Festung". Kiel
Schrift, in welcher urkundlich dargethan ist, daß Rendsburg von 1350 bis auf
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[0228] Das Jnteressanteste an der Stadt, das Kronwerk, ist bis auf geringe Reste abgetragen, zu den übrigen Festungswerken verwehren die dänischen Schild- wachen den Zutritt, und an der Stadt als solcher ist nicht viel zu schildern. Ich kann daher kurz sein. Rendsburg ist mit seinen elftausend Einwohnern an Größe die dritte Stadt Holsteins. Obwol fern von der See gelegen, hat es als Mittelpunkt des Verkehrs auf dem Kanäle, der die Nordsee mit dem baltischen Meere verbin¬ det, und als Knotenpunkt der cimbrischen Eisenbahnen eine nicht unwichtige handelspolitische Bedeutung. Nächst Altona ferner ist es der am meisten ge¬ nannte Fabrikort in den Herzogtümern. Namentlich spielen die Erzeugnisse der hart bei der Stadt befindlichen Karlshütte, eines der größten Eisenwerke Norddeutschlands, im Handel eine bedeutende Rolle. Bis auf den unseligen Umschwung der Verhältnisse bestand Rendsburg aus drei Theilen: Altstadt, Neuwerk und Kronwerk. Die Altstadt, auf einer Insel, die von der ziemlich brei¬ ten und sehr tiefen Eider bespült wird, erbaut und rings mit grün berasten Wällen umgeben, ist eng, winklig und unfreundlich im Innern. Giebelhäuser und nackte Ziegelmauern herrschen auch hier vor. Das Straßenpflaster ist schlecht. Hin und wieder stehen Linden vor den Thüren. Das Neuwerk, auf dem südlichen Ufer des linken Flußarmes gelegen, ist weitläufiger und würde einer Belagerung keine erheblichen Schwierigkeiten entgegenstellen. Sehr stark dagegen war zu allen Zeiten das dem Norden zugekehrte Kronwerk, von dem jetzt nur ein weiter Sandplatz mit einigen Vertiefungen und Erhöhungen übrig ist, welche an die einst hier drohenden Schanzen erinnern, in wenigen Wochen aber völlig dem Boden gleich gemacht sein werden. Es ist merkwürdig genug, daß die Dänen nicht eher zu dem Bewußtsein gelangten, wie der Platz eigentlich gegen sie erbaut war. Nicht weniger merk¬ würdig aber ist es, daß die deutschen Regierungen keinen energischer» Einspruch einlegten, als Dänemark durch den berüchtigten Archivrath und Urkunden- verdreher Wegener den Beweis zu führen unternahm, Rendsburg sei eine fchles- wigfche Stadt, und als es an die Zerstörung des Kronwerks ging, wodurch die Festung allein von Werth für Deutschland war. Die Sache ist zu neu, als daß ich nicht voraussetzen dürfte, es sei Ihren Lesern noch im Gedächtniß, daß Rendsburg nicht nur für daS Schicksal Schleswig-Holsteins entscheidend ist, sondern auch die ganze Niederelbe und mit ihr die Haupthandelsstadt Deutsch¬ lands, Hamburg, beherrscht und in seiner militärischen Bedeutung überhaupt erst bei Magdeburg die Grenze hat. Ebenso klar wurde damals der Rechts¬ punkt nachgewiesen.*) Aber man war damals in Preußen in der Lage, ») Vrgl. Warnstedt: „Rendsburg eine holsteinische Stadt und Festung". Kiel Schrift, in welcher urkundlich dargethan ist, daß Rendsburg von 1350 bis auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/228>, abgerufen am 15.01.2025.